Hamburg. In der Sammlung Falckenberg ist die Ausstellung „Tomi Ungerer – It’s All About Freedom“ eröffnet worden. Warum sich ein Besuch lohnt.

Dass Tomi Ungerer nicht nur der Autor so kluger wie erfolgreicher Kinderbücher war, sondern einer der wichtigsten Zeichner des 20. Jahrhunderts, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Entsprechend muss die Harburger Sammlung Falckenberg mit ihrer Ausstellung „Tomi Ungerer – It’s All About Freedom“ gar nicht explizit auf die Vielschichtigkeit des am 28. November 1931 geborenen Künstlers hinweisen, sondern kann es sich leisten, einen ganzen Raum mit Arbeiten für Kinder zu zeigen: weil bei Ungerer alles gleichwertig ineinanderfließt, die politische Karikatur, der journalistisch-nüchterne Blick, die obsessive Beschäftigung mit Tod und Fetischismus.

Und die Kinderbücher, mit denen er bekannt wurde, vom märchenhaften „Die drei Räuber“ (1961) bis zum politischen „Otto. Autobiographie eines Teddybären“ (1999). Das gehört alles zusammen, nichts lässt sich ohne das andere denken.

Ausstellung: „Tomi Ungerer – It’s All About Freedom“ ist voll spannender Gegensätze

Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Musée Tomi Ungerer im elsässischen Straßburg (der Geburtsort des Künstlers) und dem Tomi Ungerer Estate im irischen Cork (wo der Künstler 2019 starb). Das ermöglicht eine umfangreiche Präsentation: Insgesamt sind rund 400 Arbeiten auf drei Stockwerken zu sehen, ungefähr ein Prozent von Ungerers Gesamtwerk.

Streng chronologisch beginnt „It’s All About Freedom“ mit der Disney-Zeichnung „Vive Mickey et LS FR“ die der Siebenjährige 1938 anfertigte, es folgen Studienarbeiten an der Straßburger École Municipale Des Art Décoratifs, dann ab 1956 erste Erfolge als Werbegrafiker und Kinderbuchautor in den USA. Wo Ungerer nicht zuletzt durch die Heirat mit der Journalistin Miriam Strandquest wohlhabend und zum Teil der New Yorker High Society wurde.

Einer Welt, in der er sich freilich nie so ganz heimisch fühlte, was sich in den (in der Ausstellung umfangreich dokumentierten) Serien „The Underground Sketchbook“ (1964), „The Hamptons“ (1967) und „The Party“ (1966) niederschlägt: schonungslose Blicke auf eine Gesellschaft, die an ihrem eigenen Wohlstand zu ersticken droht.

Auf drei Stockwerken werden rund 400 Arbeiten gezeigt

Nachdem sich der Künstler in der US-amerikanischen Oberschicht so konsequent unmöglich gemacht hatte (sein Engagement gegen den Vietnamkrieg und verstörende erotische Zeichnungen wie die „The Electric Circus“-Werbeplakate von 1969 taten ihr Übriges), zog er 1971 ins kanadische Nova Scotia und suchte dort ein Leben im Einklang mit der Natur. Hier entstand die Serie „Slow Agony“ (1971–1983), die in einem eigenen Raum gezeigt wird: großformatige Bilder, die weg vom Karikaturhaften gehen, farbige Gemälde, die einen traurigen Blick auf eine unter dem Strukturwandel leidende Region werfen.

In seinen letzten Lebensjahren litt Ungerer unter Augenproblemen, Zeichnen fiel ihm zunehmend schwer. Entsprechend schließt die Ausstellung mit Collagen, auf die er sich ab 2004 konzentrierte, und in denen sich ein düsterer, vom Surrealismus beeinflusster Humor zeigt. Um an einer titellosen Arbeit zu enden, die den in einem endlosen Schmerzensschrei vervielfältigten Tennisspieler Roger Federer (2018) präsentiert. Von Mickymaus bis zum Sportsuperstar wird hier ein gesamtes Künstlerleben abgebildet.

Drogen, Tod und wüste Sexualität

Und schließlich auch in den Kontext der Sammlung Falckenberg eingebettet. Von den erotischen Zeichnungen, entstanden unter anderem im Pariser Pigalle-Viertel, der New Yorker 42nd Street und auch auf der Hamburger Herbertstraße, geht der Blick ins Treppenhaus, auf ein großformatiges Gemälde von Ralf Ziervogel. Der 46-jährige Ziervogel behandelt dort all die Motive, die früher schon bei Ungerer auftauchten: Drogen, Tod, wüste, grenzüberschreitende Sexualität. Und comichaftes Spiel.

Tomi Ungerer – It’s All About Freedom bis 24. April 2022, Sammlung Falckenberg, Wilstorfer Straße 71. Geöffnet sonnabends und sonntags, 12 bis 17 Uhr, öffentliche Führungen donnerstags, 18 Uhr, und freitags, 16 und 18 Uhr