Hamburg. In der Ausstellung „Von Menzel bis Monet“ wird der Nachlass des bedeutenden Hamburgers Albert Martin Wolffson erforscht.
Wie schafft man es, eine angesehene Hamburger Rechtsanwalts-Dynastie mit jüdischen Wurzeln, die Weltwirtschaftskrise und Inflation, den Nationalsozialismus, einen veritablen Kunstskandal und – ganz nebenbei noch – die Geschichte des eigenen Hauses in eine Ausstellung zu packen? Ute Haug ist dieses unmöglich klingende Unterfangen gelungen.
„Von Menzel bis Monet“ ist „eine Annäherung und Rekonstruktion der sehr breitgefächerten Sammlung von Albert Martin Wolffson mit besonderem Schwerpunkt auf Druckgrafiken und wegen der bewegten Familiengeschichte auch eine historische Spurensuche, die in die Sammlung der Kunsthalle führt“, erklärt die Leiterin der Provenienzforschungsstelle und Sammlungsgeschichte am Museum.
Ausstellung: Wolffson kannte Alfred Lichtwark gut
Aufmerksam wurde man auf die Sammlung im Zusammenhang mit dem „Schwabinger Kunstfund“ und der Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“ im Berliner Gropius Bau 2018/19, die sich mit dem umstrittenen Erbe des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt auseinandersetzte. Der Lauf der Geschichte führte dazu, dass die Sammlung Wolffson sukzessive zerschlagen wurde.
Albert Martin Wolffson (1847-1913) war der Sohn des Hamburger Juristen Isaac Wolffson. Auch er wurde Rechtsanwalt und vertrat, ab 1880 mit eigener Kanzlei, Behörden in Zivilprozessen. Er engagierte sich in der Hamburger Bürgerschaft, saß im Aufsichtsrat der Hamburger Vereinsbank und der Hypothekenbank und hatte ein enges Verhältnis zur Hamburger Kunsthalle, war Mitglied der „Commission“ für die Museumsverwaltung und gut bekannt mit dem damaligen Direktor Alfred Lichtwark.
Wolffson kaufte gezielt für Kunsthalle an
Zahlreiche Briefe belegen einen regen Austausch zwischen den beiden; Wolffson verlieh Werke seiner Sammlung und kaufte im Auftrag Lichtwarks gezielt für die Kunsthalle an, so etwa das Gemälde „Herbstlandschaft“ von Ernst Eitner. Man habe Alfred Lichtwark stets als autark handelnden Direktor wahrgenommen, so Ute Haug. „Doch die Verbindung mit Wolffson zeigt, dass er über ein gutes Netzwerk verfügte und sogar Kontakte zu Gleichgesinnten pflegte.“
Herzensangelegenheit des Sammlers, der wie Ute Haug es beschreibt, eher nach ästhetischen Gesichtspunkten kaufte, weniger sozialkritische Arbeiten bevorzugte, waren 36 Zeichnungen von Adolf Menzel, das „Bildnis Albert Martin Wolffson“ des Malers Max Liebermann von 1906, das während eines gemeinsamen Kuraufenthalts entstand, sowie das Gemälde „Die Waterloo-Brücke“ (1902) von Claude Monet, das die Kunsthalle 1927 von der Witwe Helene Marie Wolffson erwarb (aktuell hängt es in der parallel laufenden „Impressionismus“-Schau im ersten Stock des Museums).
Sammlung wurde im Nationalsozialismus zerschlagen
Die Witwe war aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, sich von einem großen Konvolut an Bildern zu trennen. Das geht aus einem Werkverzeichnis der Galerie Commeter aus dem Jahr 1922 hervor, das in der Ausstellung ausliegt. Viele Namen von Werken decken sich mit einer Wendekladde, die Albert Wolffson führte. Die Mitte der 1920er-Jahre einsetzende Weltwirtschaftskrise verschärfte die finanzielle Not der Familie, sodass weitere Bilder verkauft werden mussten.
Den größten Aderlass erfuhr die Sammlung während des Nationalsozialismus. Zwei Söhne Albert Wolffsons waren im Ersten Weltkrieg gefallen, sein dritter Sohn, Ernst Julius Wolffson, war ein angesehener Arzt in Hamburg. Anders als sein Vater nahm er den christlichen Glauben an, wurde aber dennoch aufgrund seiner jüdischen Herkunft im Zuge der Reichspogromnacht 1938 ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert.
Menzel-Zeichnungen als Dauerleihgabe
Die sogenannte privilegierte Mischehe mit der Christin Hildegard Wolffson führte dazu, dass ihr Mann nach zwei Wochen das KZ wieder verlassen konnte. Allerdings durfte er nur noch eingeschränkt praktizieren und musste seinen Privatbesitz ans Reich übergeben – dazu gehörten auch zahlreiche Menzel-Zeichnungen. Einige davon gelangten in den Besitz des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt.
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Wiederum sechs dieser wertvollen Arbeiten, die mittlerweile wieder im Familienbesitz sind, wurden der Kunsthalle als Dauerleihgabe angeboten, um sie „an einem sicheren Ort zu wissen“, so die Kuratorin. „Die Medizin“ (1998) und „Blick über die Dächer von Schandau“ (1880) sind neben weiteren Beständen aus dem Kupferstichkabinett in der Ausstellung zu sehen.
Ausstellung: 100 Exponate zeigen kleinen Ausschnitt
Ergänzt werden sie durch Familienporträts, Landschaftszeichnungen, Aquarelle und Gemälde, unter anderem von Paul Kayser, Eduard Manet und Seymour Haden. Die rund 100 Exponate zeigen dabei nur einen kleinen Ausschnitt der Sammlung Wolffson; eine Werkliste offenbart den geschätzten Reichtum des Sammlers, der sich auch in seiner Wohnung am Mittelweg 35a gern mit seinen Bildern umgab, wie eine wandgroße Fotografie im Entrée des Harzen-Kabinetts zeigt.
„Von Menzel bis Monet“ bis 27.2.2022, Kunsthalle, Glockengießerwall 5, Di-So 10.00-18.00, www.hamburger-kunsthalle.de