Hamburg. Das Thalia führt sein Programm „Thalia International“ weiter. Und bleibt dabei erstmal in der Nachbarschaft. Über das Programm.
Endlich wieder internationales Theater am Thalia! Am 13. und 14. November kommt das polnische TR Warszawa ans Alstertor, mit der Inszenierung „Pieces Of A Woman“ des ungarischen Theater- und Filmemachers Kornél Mundruczó. „Pieces Of A Woman“ ist 2021 der erste Beitrag des Programms „Thalia International“, ein zentraler Bestandteil im Konzept von Intendant Joachim Lux.
„Das Thalia ist wahrscheinlich gemeinsam mit der Berliner Schaubühne das internationalste Theater Deutschlands“, erzählt dieser bei einem Hintergrundgespräch im Theater. „Aber da liegt auch eine kleine Ironie drin: Wir mögen internationales Theater, solange das Internationale ein bisschen aussieht wie unser Theater. Dabei sollten wir uns doch an fremde künstlerische Sprachen auf der Bühne gewöhnen!“
Bühne: Mundruczó hält nichts von Postdramatik
Moment! Mundruczó, der im Kino weltweit arbeitet, der als Theaterregisseur zu den zentralen Protagonisten am Thalia zählt und mit „Krum“ erst kürzlich eine große und erfolgreiche Premiere am Haus feierte, soll eine fremde künstlerische Sprache mitbringen? Ist das nicht genau das von Lux erwähnte internationale Theater, das aussieht wie Hamburger Theater?
Mundruczó selbst widerspricht. „Ich fühle mich eigentlich sehr fremd im deutschen Theater. Ich kann zum Beispiel nichts mit der Postdramatik anfangen, die hier der Mainstream ist. Ich zerstöre keine Stücke, mir geht es mehr darum, Geschichten zu erzählen.“ Aber ist Budapest tatsächlich so fern? Eine zentraleuropäische Hauptstadt, in der man sich auf den ersten Blick nicht fremder fühlt als in Wien oder in Kopenhagen? „Für mich ist das wahnsinnig weit entfernt“, meint Mundruczó.
„Pieces Of A Woman“ in Ungarn nicht realisierbar
„Der Unterschied zwischen Westen und Osten wird langsam so groß sein wie zu Zeiten des Eisernen Vorhangs, es scheint eine Illusion zu sein, dass Europa geeint sei.“ Schon bei seinen Stücken spüre man die unterschiedlichen Umstände: „Pieces Of A Woman“, das von den Fliehkräften zwischen Religion, Tradition und Moderne handelt, konnte er in Ungarn nicht realisieren, in Polen schon.
Ein weiterer Grund für dieses Internationalismusverständnis mit Fokus auf die engere Nachbarschaft ist praktischer Natur: Ein Gastspiel aus Polen oder Frankreich lässt sich in Pandemiezeiten leichter durchführen als eines aus China – und so gastieren eben Caroline Guiela Nguyen mit „Fraternité“ von Les Hommes Approximatifs aus Frankreich (9. und 10. April) und Ivo van Hove mit „Tartuffe“ von der Pariser Comédie Française (7. und 8. Mai).
Untertitel für Besucher ohne Deutschkenntnisse
Für den weiteren Blick ist das Festival Lessingtage besser geeignet, vom 20. Januar bis 6. Februar die zweite Säule des „Thalia International“-Programms. Bei den Lessingtagen gibt es zudem eine internationale Eigenproduktion: Kirill Serebrennikov inszeniert Tschechows „Der Schwarze Mönch“.
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Und dann sind da noch die kleinformatigen Dinge, mit denen Lux ebenfalls Internationalität denkt: die Übertitel in Englisch, Türkisch, Polnisch, Russisch, die einem Publikum ohne Deutschkenntnisse einen Besuch ausgewählter Aufführungen ermöglichen. Das internationale Theaterkollektiv All Das, das unter dem Dach des Thalia eigene Produktionen entwickelt.
Embassy Of Hope setzt künstlerische Impulse
Das Festival „Nachbarşchaften – Komşuluklar“, das sich vom 28. Oktober bis 7. November in das multikulturelle Umfeld um die Gaußstraße vernetzt. Und nicht zuletzt die Embassy Of Hope als soziokultureller Treffpunkt, der selbst künstlerische Impulse setzt.
Und, wer weiß – vielleicht schafft es dieses internationale Denken ja, dass man bei Gastspielen gar nicht mehr fragen muss, ob die jetzt international genug konzipiert sind?
Weitere Infos: www.thalia-theater.de/programm/international