Hamburg. „Hommage an Hamburg“: Der Musiker spielt am 2.10. in der Hansestadt. Ein Gespräch über seine Projekte in der Pandemie und das Sterben.
Bei der „Hommage an Hamburg“ am 2. Oktober (11 Uhr) im Großen Saal der Elbphilharmonie ist neben Tenor Daniel Behle und den Symphonikern Hamburg unter Jens Georg Bachmann auch Pianist Alexander Krichel zu erleben.
Nach zehn Jahren beim Label Sony Classical veröffentlicht er am 1. Oktober bei Berlin Classics ein Album mit Werken von Enescu, Mussorgsky und Borodin. In Hamburg allerdings spielt der 32-Jährige, der seit Jahren international von Erfolg zu Erfolg eilt, das 2. Klavierkonzert von Frédéric Chopin.
Hamburger Abendblatt: Sie haben während der Pandemie im Autokino gespielt, sind nach Hongkong gereist, um dort aufzutreten, veröffentlichen Anfang Oktober eine neue CD. Sieht so aus, als wären Sie ganz gut durch die Pandemie gekommen …
Alexander Krichel: Im Grunde war es eine katastrophale Zeit. Jetzt hätte beispielsweise eine zweimonatige Asientournee mit Konzerten in Südkorea, Hongkong, China und Japan angestanden, aber es wird nach und nach immer mehr abgesagt, weil die Infektionszahlen dort wieder steigen. Rein wirtschaftlich bin ich gut durchgekommen, da waren und sind andere Künstlerinnen und Künstler tatsächlich existenziell bedroht, aber künstlerisch steht man in so einer Zeit natürlich auf der Stelle. Neue Werke spielen, neue Orchester und Säle kennenlernen: Das ist alles weitgehend ausgefallen.
Krichel: Die Elbphilharmonie ist besonders
Auf der neuen CD spielen Sie Werke von Enescu, Mussorgsky und Borodin. Ist es schwierig, für die „Hommage an Hamburg“ auf Chopins 2. Klavierkonzert „umzuschalten“?
Krichel: Nein, es ist zwar eine andere Klangphilosophie, aber beide Stücke lebe und erlebe ich ganz authentisch und autark, wenn ich sie spiele. Ich habe zu Chopins 2. Klavierkonzert eine ganz besondere Beziehung, weil ich mit 14 Jahren von meiner allerersten Lehrerin Natalia Pogouliaeva die Noten geschenkt bekommen habe und sie mir damals sagte „Das ist dein Stück!“. Ich habe es später häufig gespielt, in Deutschland, in Japan, sogar in St. Petersburg, wo sie herkommt. Aber sie hat es bis heute nie von mir live gehört. Und jetzt kommt sie zum Konzert in der Elbphilharmonie und erlebt mich zum ersten Mal damit, die Frau, die mir so viel beigebracht hat. Und dabei sprach sie damals kein Deutsch und ich kein Russisch – wir haben ausschließlich über die Musik, über Nachspielen und Nachsingen miteinander kommuniziert.
Die Elbphilharmonie feiert demnächst den fünften Geburtstag. Ist sie für Sie als Hamburger Künstler inzwischen „normal“ geworden? Oder ist es immer noch etwas Besonderes, dort zu spielen?
Krichel: Dort zu spielen ist immer noch etwas Besonderes. Und es ist immer wieder erstaunlich, wen ich da alles treffe: Menschen, die ich aus der Kindheit und Schulzeit kenne und zu denen ich seit vielen, vielen Jahren keinen Kontakt mehr hatte, kommen dort zu meinen Konzerten. Für mich selbst ist sie aus Hamburg einfach nicht mehr wegzudenken. Ich wohne ja in der HafenCity, und die Elbphilharmonie gehört zu meinem Zuhause.
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Star-Pianist Krichel spricht über Tod
Sie haben gerade mit einem Benefizkonzert in Ulm das dortige Hospiz unterstützt und waren in der Vergangenheit auch schon für das Hospiz in Harburg aktiv. Was liegt Ihnen speziell an diesem Thema?
Krichel: Für mich war das Thema Tod schon in jungen Jahren sehr wichtig, weil ich früh Menschen verloren habe, die mir sehr wichtig waren. Diese Menschen konnten sich aus eigener Kraft in Würde verabschieden und mir wurde klar, wie elementar das ist und dass möglichst viele Menschen solch ein Umfeld bekommen sollten. Ein Umfeld, in dem sie nicht das Gefühl haben müssen, jemandem zur Last zu fallen. Deshalb habe ich mit den Benefizkonzerten begonnen. Natürlich auch, um Öffentlichkeit zu schaffen, denn über den Tod muss gesprochen werden, es ist kein Thema, das man verdrängen sollte.
„Hommage an Hamburg“ Sa 2.10., 11.00, Elbphilharmonie, Großer Saal, Werke von Chopin, Mendelssohn Bartholdy, Mozart, Wagner u. a. (ausverkauft)