Hamburg. Die Theaterszene verliert ein weiteres Original: Dziallas, einst Oberspielleiter am Ohnsorg-Theater, ist mit 77 Jahren gestorben.
Gerade erst musste das Ohnsorg-Theater den Tod von Joachim Bliese betrauern, jetzt hat es ein weiteres Mitglied der großen Ohnsorg-Familie getroffen: Wilfried Dziallas, viele Jahre Oberspielleiter an der niederdeutschen Bühne, ist am 18. September im Alter von 77 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg gestorben.
Wilfried Dziallas trotz Impfung an Corona gestorben
Dziallas frühere Agentin bestätigte am Abend Informationen der "Bild"-Zeitung, denen zufolge der Schauspieler trotz vollständigen Impfschutzes nach einer Corona-Infektion gestorben ist.
Als einen „feinsinnigen Künstler und Meister seines Handwerks – vor und auf der Bühne, vor der Kamera, am Schreibtisch und am Mikrofon“, würdigt Ohnsorg-Intendant Michael Lang den Schauspieler auf der theatereigenen Website. Mit seinem herausragenden Gespür für Menschen habe er „den Werkstoff“ für die Charaktere gefunden, die er verkörperte. „Das war Schauspielkunst, die ihresgleichen sucht.“
Dziallas wurde in den USA zum Schauspieler
Zum Schauspieler und Regisseur wurde Dziallas in den USA. Im Alter von 21 Jahren ging er nach Abitur und Lehre zum Einzelhandelskaufmann nach Utah, um dort Volkswirtschaft zu studieren. Nebenbei spielte er in einer Amateurgruppe Theater. Sein großes Talent und sein Sprechvermögen fiel dort einem Regisseur auf und er ermutigte den jungen Deutschen, den Schauspielberuf ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
Dziallas folgte diesem Rat und belegte Kurse in den Fächern Schauspiel und Regie. Sogar beim großen Komiker Jack Lemmon absolvierte er einen Workshop. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland besuchte Dziallas auch noch die Hochschule für Musik und Theater und war 1969 ein fertig ausgebildeter Schauspieler und Regisseur. Doch den Sprung ins Profitum riskierte er anfangs noch nicht. Sein Geld verdiente er als Kaufmann, nebenbei gründete er eine freie Theatergruppe, um seiner Passion nachgehen zu können.
Dziallas kam 1986 durch Zufall an das Ohnsorg-Theater
Zum Ohnsorg-Theater kam Wilfried Dziallas erst im Jahr 1986. Und das auch eher durch einen Zufall. Ein Regisseur war ausgefallen und im Theater an den Großen Bleichen war Not am Mann. Dziallas sprang ein und brachte eine viel beachtete Inszenierung von „Kramer Kray“ auf die Bühne. Schon damals zeigte Dziallas, dass er einen großen Sinn für das Komödiantische besitzt. Zunächst war er als Gast am Ohnsorg, bald darauf sollte er festes Mitglied im Ensemble werden. Anfangs arbeitete er als Regisseur, später auch als Schauspieler, als Oberspielleiter und als Autor. Gemeinsam mit Hartmut Cyriacks und Peter Nissen schrieb er die 13-teilige Comedy-Serie „Die Ohnsorgs“.
In der Intendanz von Christian Seiler hatte Dziallas als Oberspielleiter großen Anteil daran, das plattdeutsche Klassiker entstaubt wurden und eine neue Ästhetik Eingang fand, die sich ein ganzes Stück vom schenkelklopfenden Volkstheater entfernte. Henrik Ibsens „Volksfiend“ gehörte ebenso zu diesen beeindruckenden Arbeiten wie „Arsenik un ole Spitzen“ nach Joseph Kesselrings Hollywood-Komödie oder die turbulente Nordsee-Geschichte der „Strandräubers“.
Dziallas glänzte hinter und auf der Bühne
Dziallas glänzte mit seinem Theaterverstand sowohl hinter als auch auf der Bühne. Er zeigte abgründige Figuren wie Willy Lohmann in „Utmustert“, einer Adaption vom „Tod eines Handlungsreisenden“, in „De blaue Engel“ als Professor Raat wurde er für sein eruptives Spiel gelobt. „Die tiefen Verletzungen und kleinen Freuden seiner Bühnenfiguren hat er authentisch ausbalanciert zwischen Bodenständigkeit, Melancholie und Sehnsucht“, schreibt auch Michael Lang in seiner Würdigung.
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„Ich habe viel gesehen und gemacht, aber das Theater war mein glückliches Schicksal“, hat Dziallas vor Jahren in einem Abendblatt-Interview gesagt. Viele Zuschauer kennen den sympathischen Schauspieler aus dem Fernsehen. Im „Großstadtrevier“ übernahm er ein paar Staffeln lang als Revierleiter Bernd Voss eine der Hauptrollen. Außerdem stand er in vielen Fernsehkrimis und Kinofilmen vor der Kamera, oft in Nebenrollen, aber immer präsent. Auch als Hörspielsprecher war Dziallas eine gefragte Stimme. In seiner Karriere hat er an mehr als 140 Hörspielen mitgewirkt.
Tod von Dziallas: Hamburger Theaterszene verliert Original
Michael Lang bringt den Verlust für das Ohnsorg-Ensemble auf den Punkt: „Wir verlieren einen wunderbaren Künstler, großartigen Kollegen und einen aufrechten, ehrlichen Freund, mit dem wir gerne ‚noch viele Pferde gestohlen‘ hätten.“ Mit dem Tod von Wilfried Dziallas verliert die Hamburger Theaterszene ein weiteres Original.