Hamburg. Indie-Pop-Poet stellte beim Literaturfestival in der Laeiszhalle seinen Roman „Ja okay, aber“ vor. Olli Schulz kocht dazu Kaffee.
Wenn Großraumbüros der Vorhof zur Hölle sind, dann sind die so genannten Coworking Spaces eine Tür weiter: Sie sind die Obdachlosenunterkünfte für das Proletariat der digitalen Arbeitswelt. Ein festes Dach über den Kopf für kleine Start-Up-Unternehmen und all jene, die – bevorzugt in Berlin – keine Jobs haben, sondern „Projekte“: Und bei den „Fuckup Nights“ feiern sich die Gescheiterten dann gegenseitig beim Vortragen ihrer geplatzten Träume und implodierten Projekte. Das Herz der Coworking Spaces sind die Kaffeemaschinen. Ohne sie geht gar nichts, denn aus ihr kommt alles heraus: Americano? Ochsenschwanzsuppe? Ein Knopfdruck entscheidet. Wähle weise.
Und wenn man den Kulturbetrieb insgesamt als Coworking Space begreift, dann ist Meinrad Jungblut aus Köln darin eine Mischung aus Dauercamper und Mietnomade. Vor 20 Jahren tauchte er erstmal als Indie-Pop-Kunstfigur PeterLicht mit dem Ohrwurm „Sonnendeck“ auf, rutschte aber schnell in Intellektuellenkreise ab.
PeterLicht: „Ja okay, aber“ ist sein erster Roman
Dort reichte man seine Lieder ebenso angetan herum wie seine 2006 erschienene Gedicht- und Textfragmentsammlung „Wir werden siegen. Buch vom Ende des Kapitalismus“. Und obwohl PeterLicht seine Kreise schnell erweiterte und sogar 2007 den 3sat-Preis und den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb für „Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends“ erhielt, blieb seine Identität geheim. Ein maskierter Rächer ohne Maske und ohne Rachsucht.
Mittlerweile zeigt sich PeterLicht aber in der Öffentlichkeit, in der digitalen Gegenwart ist ein anonymes Leben und Arbeiten als Musiker, Theaterregisseur, Autor und Kolumnist auch kaum möglich. Beim Harbour Front Literaturfestival stellt er am Sonntag in der Laeiszhalle seinen ersten Roman „Ja okay, aber“ vor, der am 18. September bei Klett-Cotta erscheint. Begleitet und befragt wird er von Indie-Pop-Kollege und Entertainer Olli Schulz.
Kapitalismuskritik und Humor schließen sich nicht aus
In „Ja okay, aber“ zieht PeterLicht in einen Coworking Space mit allem, was man zum Überleben dort braucht: Matratze und Kaffeemaschine. Und alleine die Art der Kaffeemaschine ist für PeterLicht und Olli Schulz schon ein großes Thema: Siebträgermaschine oder Kapsel-Kaffee? „Ich habe Kapsel-Kaffee immer gehasst, bis ich mal einen probiert habe“, behauptet Schulz provokant.
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PeterLicht steigt in seinen Roman ein, Schulz wirft im Hintergrund die Kaffeemaschine mit lautem „brrrrt“ an. „Ja okay, aber“ klingt gelesen von PeterLicht wie die zusammenhanglosen Lebensgeschichten, die einem im „Goldenen Handschuh“ nachts um drei ungefragt erzählt werden. Ein endloser Singsang ohne Struktur. Menschen, Bilder, Begebenheiten zerfließen und zerfasern: „Oft sehe ich den Programmierer tagelang nicht. Er schlüpft ins Büro. Und schlüpft wieder aus. Man bekommt es kaum mit. Nie ist er draußen auf dem Gang. Er arbeitet. An einem Projekt. Er braucht dafür einen Computer und ein Telefon. Er hat mir schon mehrmals erklärt, was das ist, woran er arbeitet. Ich verstehe es nicht.“
Irgendwas mit Vernetzung, mit dem sich unendlich viel Content miteinander verbinden lässt. Eigentlich beschreibt PeterLicht da seinen Roman, „auf gleicher Höhe mit seinen vorauseilenden Gedanken“. „Donquichotterie“ nennt es der Verlag. Anreiten gegen die Mühlen der heutigen Arbeitswelten.
Die zweite Hälfte des Abends gehört PeterLichts Musik
Olli Schulz brüht auf. Das Publikum lacht in die Masken. Das hat etwas von Helge Schneider und seinem Teekoch Bodo. Auch Benedikt Filleböck kriegt eine Tasse. Er begleitet PeterLicht am Klavier in der zweiten, musikalischen Hälfte des zweistündigen Abends. Schließlich hat PeterLicht dieses Jahr auch noch das Album „Beton und Ibuprofen“ veröffentlicht. Auch in seinen Liedern, in „Menschen“, „Das absolute Glück“ und „Dämonen“, irrlichtert er zwischen Sprachgewandtheit und plakativem Dilettantismus. Auch das Duett mit Olli Schulz, bei dem Schulz den Text vom „Trennungslied“ ablesen muss, klingt sehr schräg.
Der Jubel aber ist groß, da ist mit „Wettentspannen“ sogar eine Zugabe drin. Am Beginn hatte PeterLicht noch erzählt, dass bei Anlässen wie diesem am Einlass nicht nur die Eintrittskarte, sondern auch der Hochschulabschluss eingerissen wird. Als Zugangsberechtigung und Entwertung zugleich sozusagen.
PeterLicht: „Ja okay, aber“ Klett-Cotta, 240 S., ab 18.9. im Buchhandel