Hamburg. 23 Galerien dabei: Messegründer Kristian Jarmuschek im Interview über die Magie von Kunst auf Papier und ein hanseatisches Klischee.
Im frisch sanierten Brandshof in Rothenburgsort wird am heutigen Freitag eine Premiere gefeiert: Die erste paper positions hamburg öffnet ihre Türen für Sammler, Käuferinnen und Kunstliebhaber. Bis Sonntag stellen 19 Hamburger Galerien und vier Gastgalerien Künstlerinnen und Künstler aus, die in ihren Werken mit oder auf Papier arbeiten, darunter Eduard Bargheer, Olaf Metzel und Jorinde Voigt.
Kristian Jarmuschek hat die Kunstmesse 2016 zusammen mit Heinrich Carstens in Berlin gegründet, es folgten München, Basel und Frankfurt am Main. In der Hansestadt stecke großes Potenzial als Standort für zeitgenössische Kunst, glaubt Jarmuschek. Wenn da nur nicht die typisch norddeutsche Zurückhaltung wäre...
Hamburger Abendblatt: Am Freitag beginnt die erste paper positions hamburg. Fehlte der Norden einfach auf Ihrer Landkarte, oder wie ist es dazu gekommen?
Kristian Jarmuschek: In Gesprächen mit einigen Ausstellern und Ausstellerinnen aus Hamburg auf der paper positions berlin kam heraus, dass man die Stadt bisher nur mit klassischer, gediegener, höchstens noch mit moderner Kunst in Verbindung bringt. Das wird den hier ansässigen Galerien, die sehr zeitgenössisch unterwegs sind wie etwa Sfeir-Semler, Produzentengalerie oder auch Mathias Güntner aber überhaupt nicht gerecht. Es war der Impuls der hiesigen Akteure, auch in der Hansestadt solch eine Messe zu etablieren, um Hamburg als Standort für zeitgenössische Kunst ins Bewusstsein zu bringen.
Die Hamburger Veranstaltung wird überwiegend von Hamburger Galerien bespielt. Es gibt die paper positions bereits in Berlin, Frankfurt am Main, München und Basel. Sind auch diese Messen so regional geprägt?
Jarmuschek: Nein, wir orientieren uns immer so international wie möglich. paper positions hamburg trägt bewusst den Zusatz „the show“, wir sehen sie als einen Piloten. Ähnlich wie 2019 in Frankfurt, wo wir zunächst auch eher die regionalen Galerien angesprochen haben. Gerade vor dem Hintergrund der Pandemie bietet unser Format mit relativ kurzer Vorlaufzeit und einer offenen Ausstellungsarchitektur die Möglichkeit, Neues ausprobieren und mit Galeristen, Künstlerinnen, Sammlern und interessierten Gästen zu testen.
In Hamburg hatten wir tolle Unterstützung durch Stadt, Kulturbehörde und Hamburg Kreativ Gesellschaft, sodass wir den Galerien eine kostenfreie Teilnahme garantieren konnten. Dazu die Einladung in den frisch sanierten Brandshof zu gehen – übrigens auch schon mit der Zusicherung für das kommende Jahr. In diesem Jahr liegt unser Fokus ganz stark auf Hamburg, aber wir geben schon die Perspektive, dass im kommenden Jahr die Teilnehmer mehr werden können, nationaler, vielleicht sogar auch internationaler.
Trotzdem: Wird die Regionalisierung des Kunstmarktes nicht letztlich aus Gründen der Nachhaltigkeit für die Zukunft immer wichtiger werden?
Jarmuschek: Unbedingt. Nehmen wir mal die weltweit wichtigste Kunstmesse, Art Basel. Jahr für Jahr werden für eine Woche die international wichtigsten Galeristen, Kunstsammlerinnen, Künstler und Künstlerinnen per Flugzeug, Schiff oder Auto dorthin verfrachtet, um die teuersten und spektakulärsten Werke zu präsentieren. Diese olympischen Kriterien gilt es generell zu hinterfragen, ebenso die Notwendigkeit dieses vielen Reisens.
Infos zur Messe |
Von diesem Freitag an bis Sonntag stellen insgesamt 24 Galerien aktuelle Arbeiten auf und mit Papier vor. Die Besucherzahl ist auf 50 Personen beschränkt, für den Besuch ist ein Zeitfenster-Ticket erforderlich. Die Galeristen selbst werden nicht vor Ort sein, sondern vom Messeteam vertreten. Dieses informiert, bietet Führungen an und stellt bei Kaufinteresse den Kontakt her.paper positions hamburg, Brandshof (U/S Elbbrücken), Brandshofer Deich 116, Fr 14.00-19.00, Sa 12.00-19.00, So 12.00-18.00, Zeitfenster-Ticket 12,-/6,- (erm.), Kinder bis 16 Jahre frei, Infos und Tickets unter paperpositions.com/hamburg. |
Durch die Pandemie hat da schon ein Umdenken stattgefunden, was man an der Filialisierung und der Konzentration auf lokale Märkte im Galeriebetrieb sieht. Eine regionale Messe muss nicht automatisch eine schwächere sein. Im Gegenteil: Viele deutsche, international agierende Künstlerinnen und Künstler leben auch in Deutschland, vor allem in Berlin, dort gibt es viel Diskurs, viele Leute, die sich mit Kunst auseinandersetzen, die gibt es natürlich auch im Rheinland oder in Hamburg.
Und die Verlässlichkeit, dass, wenn man ein Bild verkauft hat, man dafür auch das Geld bekommt. Man muss sich nicht irgendwo auf der Welt treffen, sondern geht dorthin, wo die meisten Interessenten und Sammlerinnen leben. Diese Strategie verfolgen wir auch mit der paper positions, die sich als Messeformat mit spezialisierter Ausrichtung an unseren weiteren Standorten bereits durch die künstlerische Qualität und der Salonatmosphäre erfolgreich etablieren konnte.
Warum konzentrieren Sie sich bei den gezeigten Arbeiten auf das Medium Papier?
Jarmuschek: Auf den ersten Blick mag das wie eine totale Reduktion scheinen, aber das ist es gar nicht. Papier gibt Künstlerinnen und Künstlern ein unheimlich großes Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten, von flächig bis skulptural, unter Verwendung von Tusche, Wachs, Graphit oder Acrylfarben. Da ist mancher überrascht, dass Kunst auf Papier sogar vielfältiger als Malerei und in Galerieprogrammen weltweit vertreten ist. Gestartet haben wir mit dem Konzept bei der ersten Veranstaltung 2016 in Berlin.
Damals bekamen wir die Gelegenheit, während des Gallery Weekend Räume zu bespielen. Da die Wände nicht besonders groß waren, kamen wir auf die Idee, nur Kunstwerke aus, auf, mit und durch Papier zu zeigen. Aktuell stellen wir nicht nur jüngste Positionen aus, sondern auch Pioniere wie etwa Oskar Holweck.
Zieht man mit einer neuen paper positions nicht Aussteller von den anderen, schon existierenden Messen ab?
Jarmuschek: Die paper positions sind in diesem Jahr coronabedingt terminlich eng miteinander verzahnt, und natürlich haben wir mit einigen Ausstellern schon darüber diskutiert, wo sie idealerweise präsentieren können. Einige Hamburger Galerien sind auf der Berliner Messe vertreten. Ich denke aber nicht, dass es zu einer Konkurrenz zwischen den Standorten kommen wird. Wir werden für Hamburg im kommenden Jahr einen passenden Termin außerhalb der Ferienzeiten finden, der auch international in den Messekalender passt. Auf jeden Fall wollen wir dem Norden die Chance geben, diese Messe groß zu machen. Inwieweit sich die paper positions hier durchsetzen kann, wird auch davon abhängen, wie offen die Hamburgerinnen und Hamburger auf eine Kunstmesse in der Hansestadt reagieren und ob sie das Potenzial für den eigenen Standort erkennen.
Wie kommen Sie darauf, dass die Hamburgerinnen und Hamburger nicht offen dafür sein könnten? Gibt es ein hanseatisches Klischee in Kunstkreisen?
Jarmuschek: Die Menschen in Hamburg gelten ja eher als unaufdringlich und distinguiert. Seinen Wohlstand stellt man hier nicht so gern zur Schau. Es gibt schon Geschichten von Kunsthändlern, die berichten, dass die erstandenen Werke am liebsten nach Anbruch der Dunkelheit angeliefert werden, damit bloß niemand etwas davon mitbekommt. Kunstwerke erzählen ja auch eine Menge über die Käufer, man gibt Einiges über sich preis. Auf einer Kunstmesse steht man natürlich unter Beobachtung und in Konkurrenz zu anderen Interessierten. Da muss man Farbe bekennen vor versammelter Mannschaft und zuschlagen. Mal gucken, ob wir gegen die Klischees der Hanseaten angehen können und sich die Besucherinnen und Besucher auch mal laut und fröhlich beim Kunstkauf zeigen.
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Wie läuft der Kunstkauf auf der Messe, kann ich als Interessierte „mein“ Bild direkt mitnehmen?
Jarmuschek: Bei einzelnen Werken kann das so funktionieren. Hat der Galerist oder die Galeristin das besagte Werk in einem Ensemble arrangiert, sollte es bis zum Ende der Messe auch so hängen bleiben. Übrigens ist die paper positions eine ideale Einsteigermesse, um Kunst zu erwerben. Es gibt viele Arbeiten, die um die 900 Euro oder auch weniger kosten. Da läuft man nicht Gefahr, als Snob verdächtigt zu werden. Und: Es ist letztlich eine Unterstützung der Künstlerinnen und Künstler, die davon leben, ihre Arbeiten zu verkaufen.
paper positions hamburg, Brandshof (U/S Elbbrücken), Brandshofer Deich 116, Fr 14.00-19.00, Sa 12.00-19.00, So 12.00-18.00, Zeitfenster-Ticket 12,-/6,- (erm.), Kinder bis 16 Jahre frei, Infos und Tickets unter www.paperpositions.com/hamburg