Hamburg. Choreograf Kyle Abraham sorgt für eine Weltpremiere auf Kampnagel in Hamburg. Im Interview gibt er Einblicke zur Produktion „Requiem“.
Der US-amerikanische Choreograph Kyle Abraham ist ein Wanderer zwischen den Stilen. Im klassischen Ballett genauso zu Hause wie im zeitgenössischen Tanz, im Street-Dance oder im Hip-Hop, kreiert er derzeit mit seiner Company A.I.M. die neue Produktion „Requiem: Fire in the Air of the Earth“ für die Weltpremiere vom 20. bis 22. August beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel.
Hamburger Abendblatt: Wie ist es für Sie, an einem Festival in Europa teilzunehmen, nach einer so langen Zeit der Stille?
Kyle Abraham: Ich habe in den vergangenen zwei Jahren acht Produktionen erarbeitetet, darunter vier Ballette unter anderem für das Royal Ballet und das Ballet Nacional de Cuba. Außerdem habe ich einen Film gedreht. Natürlich ist es großartig, dass wir nun diese Arbeit endlich vor Publikum zeigen können. Ich schätze an den europäischen Festivals besonders die Gemeinschaft der Kuratoren und das tolle Verhältnis zum Publikum. Sie haben eine schöne Energie.
Auf Ihrer Homepage haben Sie ein Pamphlet veröffentlicht, in dem es unter anderem um die Ermordung von Afroamerikanern durch Polizisten geht. Was hat „Requiem: Fire in the Air of the Earth“ damit zu tun?
Abraham: Die Arbeit ist durch meine Perspektive geprägt. Natürlich ist auch die Geschichte des amerikanischen schwarzen Körpers in sie eingeschrieben, aber die Performance betrifft unsere gesamte Zeit hier auf diesem Planeten und geht eher Richtung Science Fiction. Die Themen und Probleme, die in den vergangenen zwei Jahren aufkamen, sind ja nicht neu. Meine Arbeit dreht sich häufig um die Morde an der schwarzen Bevölkerung. Diesmal erforsche ich Reinkarnation, ein Leben nach dem Tod und Wiedergeburt. Ich glaube daran, dass man Menschen trifft und denkt „Du bist eine alte Seele!“
Sie huldigen einer zeitgenössischen Tanzsprache, die Sie in unterschiedlichen Kontexten vom New York City Ballet bis zu Streetdance einsetzen. Was spielt für die Produktion „Requiem“ eine besonders große Rolle?
Abraham: Das fließt natürlich alles mit ein. Diesmal gehe ich aber weniger von meinem eigenen Körper aus und ermutige die Tänzerinnen und Tänzer, verschiedene Techniken auszuprobieren.
Wollen Sie auf der Bühne überhaupt Geschichten erzählen?
Abraham: Manchmal gibt es eine lose Erzählung, aber sicher keine starre Geschichte. Auch ein traditionelles Ballett würde ich eher abstrakt erzählen.
Bei der Musik zu Ihrem Stück spielt auch Mozarts Requiem eine wichtige Rolle...
Abraham: Ich habe ein dunkles Verhältnis zu diesem Werk. Seit dem Tod meiner Eltern vor sechs Jahren denke ich ständig über die Unsicherheit des Lebens nach. Wir konzentrieren uns auf die ersten drei Sätze des Requiems. Sie sind sehr pur.
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Wohin entwickelt sich die US-amerikanische Gesellschaft nach Trump. Sehen Sie Anlässe für Hoffnung?
Abraham: Es ist zu früh, das zu sagen. Für mich ist die Situation weiter furchteinflößend. Auch viele nicht-schwarze Menschen haben uns eine Stimme gegeben, aber ist es mehr als ein Trend? Wenn es nicht authentisch ist, wird es nicht gut ausgehen für alle Beteiligten. Ich bin skeptisch.
„Requiem: Fire in the Air of the Earth“ 20./21.8., jew. 21 Uhr, 22.8., 16 u. 21 Uhr, Kampnagel, Karten unter www.kampnagel.de