Salzburg. Der Hamburger Schauspieler Mirco Kreibich erzählt von seinem Rollen-Doppel bei den Salzburger Festspielen.

Als Schuldknecht von Lars Eidinger vermöbelt werden und sich später rächen, ihm als Mammon einen Eimer voller Münzen über den Kopf stülpen? „Da hab ich gesagt: Ich mach’s“, erzählt Mirco Kreibich, und als er berichtet, wie er über seine Agentur vor etwa einem halben Jahr für das Salzburger „Jedermann“-Spektakel angefragt wurde, kann er sich ein sanftes Lächeln nicht verkneifen. Warum auch.

Das erst für diese Neuinszenierung geschaffene Nebenrollen-Doppel wurde ihm ja praktisch auf den durchtrainierten Leib geschneidert, den das Hamburger Publikum im Thalia oft gesehen hat. Und das Stück über das Sterben eines reichen Mannes ist weit über Salzburg hinaus weltberühmt bis berüchtigt. Bad Segeberg, nur in katholisch.

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Kreibich hat seine Meinung über den "Jedermann" total geändert

Eine ausgeprägte Meinung zu dieser oft hölzern wirkenden Moralgeschichte hatte Kreibich bis dahin nicht, vor 15 Jahren, bei einem Thalia-Gastspiel hineingeschnuppert, das war es aber auch schon. „Alle haben dieses Jahrmarkt-Stück mit Stars und Sternchen eher belächelt“, diese „Jeeedeermaaann!“-Rufe, „na ja, Open-Air-Theater…“ Diese Meinung habe sich jetzt, nach nur fünf Wochen Probenzeit, aber total geändert. „Weil es so viele Aspekte hat, die jeden Menschen betreffen.“

Kommt man als besserer Schauspieler heraus, als man hineingegangen ist? „Mit jedem Stück gewinnt man etwas für sich hinzu, wir machen hier ja keine Unterhaltung, es ist ja doch eher eine Therapie.“ Warum also hier spielen – für Lebenslauf, Ehre, Konto? „Hauptsächlich Erfahrung. Weil es eine so andere Theater-Arbeit ist.“

Von Eidinger verdroschen zu werden, war ganz easy

Für Kreibich ist es zunächst Theater-Sport. Von Eidinger, einen Kopf größer und „total fit“, pointengenau verdroschen zu werden, war aber ganz easy. „Das haben wir einfach so gemacht“, erzählt Kreibich. Keine Verletzungen. „Wir waren anfangs etwas skeptisch wegen des Boxrings, das platzt so aus der Ästhetik des Stücks, als ganz offensichtliche Regie-Idee… Lars und ich, wir probieren aber immer alles erst mal aus. Und irgendwie hatte das dann den nötigen Schmiss.“ Einige Tage Proben und das Timing putzen, fertig war die Dresche.

Wir treffen uns auf der Presseterrasse hoch über dem Festspielbezirk, Panorama, Kirchtürme, die Festung, die volle Packung. Etliche Meter weiter unten liegt der Domplatz, die Freiluft-Bühne für den Publikumsliebling, immerhin eine Vorstellung konnte schon open air gespielt werden. Alle anderen fielen ins Regenwasser und mussten ins Festspielhaus verlegt werden. Kreibich ist das eher egal „Ich hab da keinen Heiligkeitsanspruch, für mich ist Schauspiel sehr inhaltsgebunden.“ Hauptsache spielen, erst recht, wenn man wie Kreibich ein Jahr überhaupt nicht mehr raus und rein in einer Rolle und sich vor Publikum verausgaben konnte. Trotzdem: „Auf dem Domplatz zu spielen, ist schon ein krasses Ding! Der Dom, fast wie ein Hinkelstein im Rücken, die Glocken läuten – diese Geschichte auf so einen Platz zu setzen, das gemahnt einen an die Zeit, wie Theater einmal stattgefunden hat.“

Das Ensemble wird im Festspielhaus geschminkt und kostümiert, dann mit einem Bus die wenigen Meter durch enge Gassen zum Domplatz gefahren. Doch während Eidinger nie ohne Zwischenstopps durch Fans zur Vorstellung kommen kann, ist Kreibich völlig unerkannt unterwegs. „Ich habe ein recht undefiniertes Gesicht – sobald ich die Brille abgenommen und etwas andere Haare habe, sehe ich komplett anders aus.“

Kreibich tänzelt den kurzen zweiten Part eher weg

Die Mammon-Rolle ist nicht riesig, aber: bedeutend, irgendwie. Vor etlichen Jahren spielte Ulrich Wildgruber neben Gert Voss diesen Part, ganzkörpervergoldet aus einer Kiste dröhnend. Unvergesslich, schon weil das so was von drüber war. Kreibich tänzelt diesen kurzen zweiten Part eher weg, mitsamt Ballett-Einlage zu Musik aus Strauss’ „Rosenkavalier“, da kommt wohl auch der Ex-Eiskunstläufer in ihm wieder durch.

Ins Schwärmen gerät er, sobald die Rede auf die anderen Ensemble-Stars kommt: Edith Clever als finstere Tödin, Angela Winkler als Jedermanns Mutter. „Angela ist eine so herzensliebe, zerstreute, fast naiv Wirkende. Und Edith? Eine berührende Grande Dame. Wie sie den Tod spielt, da fällt einem kein Reim mehr darauf ein. Diese Erfahrung, die in jeder Pore des Körpers steckt…! Wirklich eine Riesen-Ehre.“ Die ersten Reaktionen vom Umfeld, als er von dieser Gelegenheit berichtete, waren gemischt: „Ich kann’s nicht genau lesen, vielleicht etwas Neid, vielleicht auch zugewandter Stolz.“

Es gibt neue Ideen, die auch locken

Hier zu sein, hat aber nichts am eigenen Ringen mit dem eigenen Schauspieler-Sein geändert. Er sei immer noch immer wieder mal kurz davor, alles hinzuwerfen. „Ich merke immer wieder ...“ langes Grübeln „… es ist mir zu wichtig, einen Inhalt herauszuholen, als dass es mir nur reinen Spaß macht.“ Und es gibt neue Ideen, die auch locken. Eine Anfrage vom Thalia, mit Kirill Serebrennikow für die Lessing-Tage Tschechows Novelle „Der schwarze Mönch“ in Moskau zu erarbeiten. Mit Jette Steckel über Hesses „Siddhartha“ nachdenken. Oder selbst Regie führen? Eine Romanvorlage hat er gefunden, ist aber noch nicht spruchreif.

Peter Lohmeyers Gastauftritt als Tod auf Heels lief nach acht Sommern aus. Gustav Peter Wöhler ist weiter als Dicker Vetter mit dabei. Solange diese neue Version läuft (Eidinger hat derzeit wohl einen Zweijahresvertrag), sollte Kreibich dieses Engagement bomben­sicher haben. Da wiegelt er ab. „Können tun das viele. Was ich mache, ist kein Alleinstellungsmerkmal.“ Beim nächsten Mal also gleich den Jedermann? Wieder ein kleines Grinsen. „Sofort, wenn mich jemand fragt, denke ich darüber nach.“