Hamburg/Wetter. Sie brach Helene Fischers Chartsrekord: Simone Sommerland spricht über ihren Erfolg mit Kinderliedern.
Seit über 360 Wochen sind Simone Sommerland und Karsten Glück (alias Simone und Karsten Stiers) mit ihrem 2011 veröffentlichten Album „Die 30 besten Spiel- und Bewegungslieder“ in den Top 100 der deutschen Albumcharts – aktuell auf Platz 71. Damit brachen sie den Rekord von 357 Wochen, den „Best of Helene Fischer“ aufstellte.
Wir sprachen mit der in Wetter/NRW lebenden Sängerin und Musikpädagogin, die mit ihrem Ehemann in zehn Jahren über 40 Kindermusik-Alben aufgenommen hat, über ihren Erfolg unter dem Radar des glitzernden Popgeschäfts. Für ihre kleinen Fans ist sie Simone, daher bleiben wir auf ihrem Wunsch beim Du.
Hamburger Abendblatt: Kürzlich war in vielen Medien zu lesen: „Unbekannte Sängerin stößt Helene Fischer vom Charts-Thron“. Hat Dich das verletzt?
Simone Sommerland: Verletzt war ich nicht, aber ich fand diese Formulierung nicht gerade gelungen angesichts unseres YouTube-Kanals mit bald zwei Millionen Abonnenten und zwei Milliarden Zugriffen. Unser Album ist ja nicht seit 360 Wochen in den Charts, weil uns keiner kennt. Kinder – und ihre Eltern - sozusagen als „niemand“ zu bezeichnen, ist vielleicht auch ein Gesellschaftsabbild. Außerdem habe ich keine Intention jemanden von einem Thron zu stoßen, das entspricht überhaupt nicht meinem Wesen.
Bei Deinen Erfolgen könnte man Dich aber als Königin der Kindermusik bezeichnen.
Sommerland: Das wäre kein Titel, den ich mir selbst geben würde, und es klingt glamouröser als es ist. Ich singe, weil ich das schon immer wollte. Selbstvermarktung war nie mein Steckenpferd und ich habe stets ohne Management einfach Musik gemacht, Konzerte gesungen, eine Musikschule betrieben und die Kindervideos gedreht. Das Label bestand zu Beginn aus zwei Personen, mittlerweile vier, und unserem Produzenten. Fern von Fernsehshows haben wir nun gemeinsam diesen Erfolg, was uns natürlich alle sehr freut.
Dein Erfolgsgeheimnis ist Authentizität?
Sommerland: Ja, Glaubwürdigkeit und Bodenständigkeit. Wir sind ein kleines Team wo sich jeder mit Herzblut einbringt. Keiner ist sich zu schade oder zu blöd für irgendwas. Kindermusik muss freundlich und witzig sein, aber nicht kreischig. Mir ist Aussprache und kindgerechte musikalische Umsetzung wichtig. Wir sind auch Lernvorbild. Und unsere in der Kita produzierten Musikvideos zeigen natürlich eine Umgebung, in die sich Kinder sofort hineinversetzen können. Das ist alles echt, nur die Kekskrümel saugen wir vorher auf.
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Gibt es Kinderlieder, die Du nicht mehr hören kannst? Ich bin mit meiner Tochter durch die „Aramsamsam“-Hölle gegangen.
Sommerland: (lacht) Es gibt keins. Unsere Kinder haben bis auf die Kleinste die Lieder selber kaum gehört, weil sie zu alt waren, als es losging. Und Zuhause höre ich mir auch nicht meine eigenen CDs an, sondern singe mit meinen Kindern lieber live gemeinsam.
Die vielen Musikvideos mit den Kita-Fröschen, werden die immer in der gleichen Kita aufgenommen?
Sommerland: Bis auf die ganz frühen, ja. Die ersten Videos haben wir in Norddeutschland gedreht, vorbereitet von den Erzieherinnen. Seitdem machen wir das hier in NRW in der Kita unseres Nachwuchses, weil wir unbedingt die Kinder mit viel Zeit kennenlernen und mit ihnen proben wollen. Leider ist das derzeit durch Corona nicht möglich, und wenn wir die nächsten DVDs aufnehmen, gehen einige der Kinder, mit denen wir geprobt haben, leider schon zur Schule.
Die Konkurrenz im Kindermusik-Segment steigt von Tag zu Tag. Giraffenaffen, Unter meinem Bett, Deine Freunde, Zuckerblitz Band, offensichtlich lohnt es sich, auf eine sehr große, jedes Jahr neu nachwachsende Zielgruppe zu setzen?
Sommerland: Als mich unser Produzent für das erste Album der Spiel-und Bewegungslieder als Sängerin gefragt hat, war es für mich persönlich von Anfang an eine Herzensangelegenheit mitzumachen. Hier konnte ich meine ganze Erfahrung aus Familie, Bühne, und Stimmpädagogik zusammenbringen. Dass das Album sich derartig oft verkaufen würde hat vor zehn Jahren keiner von uns gedacht. Aber Kinder sind wichtig und verdienen Beachtung. Somit auch der Kindermusikbereich. Das sehen immer mehr so.
Dein Mann sang einige Jahre in der Hamburger Rockband Errorhead, und Du warst unter anderem als Background-Sängerin von Blümchen auf Tournee. Ein Video, wo Du mit Deiner Coverband das - ähem - sehr erwachsene Lied „Lady Marmelade“ singst, hat meine Tochter durchaus irritiert. Hattest Du den Traum, ein Popstar zu werden?
Sommerland: Klar, das war der Urwunsch, als ich mit 17 Jahren angefangen habe. Aber die 90er, als ich als 20-Jährige mit Blümchen auftrat und DJ Bobo und Scooter und alle aus der Zeit dabei waren, waren für mich eher eine Zeit zum Abgewöhnen. Ich hatte damals schon ein weiteres Projekt eingesungen. Plastik-Pop. Die Vision des Produzenten: ich in Hotpants und Bikini eingeklemmt zwischen zwei Rappern. In einer durchwachten Nacht habe ich mich gefragt, ob ich wirklich um jeden Preis berühmt werden will. Aber das wollte ich nicht und habe wieder abgesagt. Und die letzte Gelegenheit, als es darum ging Hüttengaudi-Musik zu machen, hatte sich dann erledigt, weil ich schwanger geworden bin. Ich mache jetzt seit über 20 Jahren Musik. Für Kinder, Erwachsene und Familien. Das bin immer ich als Simone. Dass das Programm für Erwachsene und Kinder unterschiedlich ist, ist doch klar und dass sich Lebensziele und Prioritäten im Laufe der Zeit und ihren Umständen verändern auch. Wenn Kinder dazukommen ändert sich sowieso alles. Erfolg lässt sich auf viele Arten definieren. Mein Erfolg ist, 22 Jahre mit Karsten verheiratet zu sein, drei Kinder zu haben und von der Musik leben zu können. Für andere ist Erfolg vielleicht Glitzer und Fernsehshows, für mich ist es das Gesamtpaket. Aber wer weiß, was noch kommt.
Wie lange willst Du denn noch durch Kitas hopsen und im Knien singen?
Sommerland: Ewig. Es macht einfach Bock. Jeder hat in sich viele Persönlichkeiten, und dieses Kind bin ich auch und bleibe ich. Also singe ich, solange es meine Knie mitmachen.