Hamburg. Die Produktion beschäftigt sich mit Sophie und Hans Scholl. Intendant Delnon ist angetan von der spielerischen und ausgefallenen Form.
Nach dem großen Erfolg der Neuproduktion „Manon“ in der vergangenen Woche (von der Kritik schon als „Wunderwerk“ gerühmt), die als Geisterpremiere im Livestream gesendet wurde und anschließend kostenfrei auf der Staatsopern-Webseite nachzuschauen war, möchte Georges Delnon weiterhin „Qualität vor Quantität“ setzen. Die Inszenierung mit der hinreißenden Elsa Dreisig in der Titelrolle soll womöglich im April noch einmal zur Aufführung kommen – vielleicht dann sogar mit Publikum vor Ort.
Aber der Intendant der Staatsoper Hamburg will sich nicht allein dem Warten auf geringe Infektionszahlen aussetzen: „Wir können hier nicht einfach nach Plan immer bloß weitermachen“, sagt er entschieden – und entwickelt, während sein Haus bereits mitten in den Vorbereitungen für die kommende Saison steckt, ein ungewöhnliches Projekt noch in dieser Spielzeit: eine „Graphic Opera“ über die Widerstandskämpferin Sophie Scholl.
Inszenierung mit besonderem Staatsopern-Bezug
Anlässlich des 100. Geburtstages von Sophie Scholl im Mai plant die Staatsoper die Produktion der Kammeroper „Weiße Rose“, die auch zur Geschichte der Hamburger Bühne einen besonderen Bezug hat: 1986 feierte das Werk von Udo Zimmermann, der schon in den 1960er-Jahren zum selben Thema komponiert hatte, mit einem Libretto von Wolfgang Willaschek in der Opera Stabile seine Uraufführung.
Diesmal wird das Zwei-Personen-Stück über die von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilten Geschwister Sophie und Hans Scholl von David Bösch inszeniert – als Opern-Animationsfilm. Das Internet ist hier ausdrücklich die Bühne. Auch für die „Manon“ war Bösch verantwortlich. Seine Ausstatter Patrick Bannwart und Falko Herold, mit denen Bösch auch an anderen Bühnen arbeitet, übernehmen die Zeichnungen; Georges Delnon zeigt sich schon jetzt angetan: „Das wird einfach gehalten, ist dabei aber sehr spielerisch, mir gefällt das sehr. Es erinnert mich an Arbeiten von William Kentridge.“
Animationsfilm bleibt keine reine "Hamburgensie"
Die „Graphic Opera“, in der nur die Sänger Marie-Dominique Ryckmanns und Michael Fischer in persona auftreten werden, birgt mehrere Vorteile: „Wir können als Kulturort auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir nicht nur einen künstlerischen, sondern auch einen Bildungsauftrag haben“, findet Delnon. Die Form mache es zudem möglich, dass der Animationsfilm keine reine „Hamburgensie“ bleibe, für die das Publikum sich an die Dammtorstraße bewegen müsse. „Wir nutzen diese Situation sehr bewusst.“ Das Thema ist ohnehin eines, das (mindestens) bundesweit interessieren dürfte. „Na, wir hoffen doch, dass da auch in München eingeschaltet wird!“
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Dass sich auch ein Publikum für diese Art Oper zu denken und zu machen begeistern kann, das bislang weniger Berührungen hatte, hat Delnon im „Manon“-Livestream erfahren. „Mich haben so viele tolle Rückmeldungen erreicht, auch aus dem privaten Umfeld, auch von Freunden, die da sonst nicht so affin sind.“ Die Geistervorstellung gewagt zu haben, bezeichnet Delnon nicht nur als „neue Erfahrung“, sondern als „ganz wichtig für das Wir-Gefühl des Hauses“. Alle Abteilungen hätten sich dafür ausgesprochen. Die Motivation innerhalb der Staatsoper hält der Intendant für eine seiner größten Herausforderungen in einem Lockdown, dessen Ende nicht absehbar ist: „Sie alle einzuschwören auf eine Idee, dabei aber alle Bedenken ernst nehmen, das ist entscheidend.“