Hamburg. Mit einer ungewöhnlichen Geste überraschte der Nachrichtensprecher bei seiner letzter Sendung – diese hatten zahlreich eingeschaltet.
"Guten Abend, meine Damen und Herren. Machen Sie es gut“, sagte er, während er seine rote Krawatte mit einem Lächeln ablegte. So endete die letzte Tagesschau-Sendung von Jan Hofer – und damit eine Ära. Nach 36 Jahren beendete der Chefsprecher der Nachrichtensendung seinen Dienst und verabschiedet sich mit 68 Jahren in den Ruhestand. Ausgerechnet an einem Montag. Trotzdem schalteten viele, sogar sehr viel ein.
Die TV-Quote dürfte Jan Hofer den Abschied versüßen: Denn fast 15 Millionen Zuschauer sahen zu. Am Montagabend verfolgten um 20 Uhr über alle ARD-Sender hinweg 14,77 Millionen Zuschauer die Hauptnachrichten. Das entspricht einem Marktanteil von 45 Prozent. Zum Vergleich: Normalerweise sehen etwa zehn Millionen die „Tagesschau“, auch wenn das seit Ausbruch der Corona-Pandemie an vielen Tagen auch teilweise mehr waren.
So verabschiedete sich Jan Hofer als Sprecher der "Tagesschau"
Vielleicht hat das große Interesse damit zu tun, dass Jan Hofer viele Generationen prägte. „Wer heute um die 50 Jahre alt ist, hat als ,Tagesschau’-Sprecher vor allem mich erlebt.“ Der Satz stammt von Jan Hofer. Und er stimmt. Wie alles, was er in den vergangenen fast 36 Jahren vor der Kamera gesagt hat – das letzte Mal eben am Montagabend, in der 20-Uhr-„Tagesschau“, dem „Hochamt der Nachrichten“, auch dieses ein Originalzitat des Chefsprechers.
Bei seiner letzten "Tagesschau" trug Hofer die Nachrichten des Tages, wie etwa die Situation im Einzelhandel vor dem Lockdown, die ersten Corona-Impfungen in den USA und in Kanada sowie den Online-Parteitag der CDU, so sachlich vor wie gewohnt. Erst am Ende der Sendung musste er bei der Überleitung zum Wetter kurz schmunzeln. Zuvor hatte sein Nachfolger Jens Riewa einen Rückblick präsentiert, der die Highlights von Hofers Karriere zeigte.
Anschließend bedankte sich der jahrzehntelange "Tagesschau"-Sprecher für die "unglaublich vielen guten Wünsche", die ihn erreicht hatten. Sein Dank galt darüber hinaus auch den Kollegen vor und hinter den Kulissen der "Tagesschau".
Zum Abschied nimmt Jan Hofer seine Krawatte ab
Die Sendung und damit seine einmalige Karriere beendete Hofer schließlich mit den Worten: "Für mich aber heißt es heute zum letzten Mal 'Guten Abend meine Damen und Herren, machen Sie es gut'". Dabei nahm er symbolisch seine rote Krawatte ab.
Grußworte von Tschentscher und Fegebank
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) reagierte kurz nach Ende der Sendung auf den Abschied des "Tagesschau"-Sprechers und twitterte mit einem Zwinker-Smiley: "Der 'Chef' geht von Bord. Jan Hofer hat über Jahrzehnte die Nachrichten unseres Landes geprägt – klug, präzise und immer mit der richtigen Krawatte."
Auch Katharina Fegebank (Grüne) wünscht Hofer am Montag "alles Gute" via Twitter. "Danke, dass Sie so oft Gast in unserem Wohnzimmer waren, vertraute Stimme & Gesicht, irgendwie gehören Sie dazu", schrieb Hamburgs Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgermeisterin.
Abschiedsgrüße von Fans und Kollegen erreichten Hofer
Video- und andere Botschaften hatte es schon zuvor jede Menge gegeben. Der Instagram-Account der "Tagesschau" hatte bereits am Nachmittag einen Zusammenschnitt der Highlights aus Hofers Karriere veröffentlicht – wie Hofer über Beckers Wimbledon-Sieg als erster Deutscher, den Reaktorunfall in Tschernobyl sowie den Mauerfall berichtete und die News zur Übernahme von Youtube durch Google oder zum Coronavirus vortrug.
Es gab aber bereits im Vorhinein persönliche Abschiedsworte der Kollegen. „Ich werde dich so vermissen, als stabile Säule, als unerschütterlichen Fels neben mir im Nachrichtenstudio – und vor allem als jemanden, der vor und nach vielen Sendungen herzzerreißende Bilder von seinem Sohn gezeigt hat“, sagte „Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga.
Zervakis: „Oh Mann, Cheffe, wie soll denn das jetzt gehen ohne Sie?“
Linda Zervakis, Nachrichtensprecherin der „Tagesschau“ und mit ihrem Vorgesetzten Jan Hofer immer noch per Sie („Das Du hat sich irgendwie nicht ergeben“) ergänzte: „Oh Mann, Cheffe, wie soll denn das jetzt gehen ohne Sie?“ Replik Hofer: „Das frage ich mich auch …“
Zervakis sagte, sie werde nie vergessen, wie Hofer sie angerufen habe, um zu fragen, ob sie Lust habe, die 20-Uhr-„Tagesschau“ zu moderieren – ähnlich dürfte es vielen anderen gegangen sein, die er in den vergangenen Jahrzehnten für die Nachrichtensendung als Sprecherin oder Sprecher entdeckt hatte.
Bei Hofers "Tagesschau"-Start wurde er als "Konfirmand" betitelt
Mit Judith Rakers hatte sich Hofer heimlich bei sich zu Hause getroffen, „damit im Sender niemand mitkriegt, dass sie zur ,Tagesschau’ kommen soll“. Ein Kollege schrieb in einem Brief zum Abschied, dass man bei Hofers „Tagesschau“-Start gelästert habe, dass man dort „jetzt auch schon Konfirmanden vor die Kamera“ ließe – und heute sei er der „große alte Mann des Nachrichtenjournalismus“.
NDR-Intendant Joachim Knuth würdigte den scheidenden "Tagesschau"-Sprecher sogar als "Institution". "Ruhig, bedacht, seriös. Jan Hofer ist eine Institution und seit Jahrzehnten Gesicht und Stimme der Fernsehnachrichten in Deutschland. Ihm ist es gelungen, mit der Zeit zu gehen, ohne sich zu verbiegen. In den digitalen Angeboten der Tagesschau hat er ganz neue Wege des Nachrichtenjournalismus beschritten und damit auch junge Zielgruppen angesprochen", so Knuth. 35 Jahre lang habe Hofer den richtigen Ton getroffen. Dafür möchte sich Knuth bedanken. "Er wird in den deutschen Wohnzimmern fehlen."
Nachfolger als Chefsprecher wird Jens Riewa, weil er, so Hofer, „jetzt der Dienstälteste ist. Er wird das gut machen.“ Und er muss, anders als Hofer, die Dienstpläne nicht mehr selbst ausfüllen – das übernehmen andere.
Am Abend wurde Hofer von seinen Kollegen noch mit einer Torte in Form eines hölzernen Fernsehers überrascht. Auf dem Bildschirm zu sehen, war – natürlich – Hofer selbst im "Tagesschau"-Studio.
Jan Hofer freut sich über "endlich einmal Freizeit"
„Ich bin sehr froh, endlich einmal Freizeit zu haben, keinen Schicht- und keinen Wochenenddienst mehr. Ich kann Urlaub machen, so lange ich will“, hat Hofer im Abendblatt-Podcast „Entscheider treffen Haider“ gesagt. Ganz aus den Medien will er sich aber nicht zurückziehen, dazu fände er die neuen Betätigungsfelder viel zu interessant.
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Hofer hat einen eigenen Instagram-Kanal mit inzwischen schon mehr als 30.000 Abonnenten, auf dem er aktuell die „Tagesschau“-Quote vom Sonntag postete: Gestern sahen 15,9 Millionen Menschen die Sendung. Außerdem will er seinen Youtube-Kanal auffrischen – und dann gibt es noch die Idee, einen Podcast zu machen, der sich mit den Hintergründen von Nachrichten beschäftigt.
Hofer ist ein großer Podcast-Fan
Darüber hat Hofer allerdings nicht mit der dem NDR und/oder der „Tagesschau“, sondern mit seinem Management und OMR, dem Medienunternehmen von Philipp Westermeyer, gesprochen.
Der ehemalige Chefsprecher ist ein großer Podcast-Fan: „Ich höre viel und gern solche Formate. Einige sind stark, weil sie sich mit der Zeit verändern, bei anderen habe ich nach wenigen Folgen genug.“