Hamburg. Jetzt rezitiert sie auch noch: Die Moderatorin war Sprecherin bei einem Symphoniker-Konzert in der Elbphilharmonie.

Sergei Prokofjews „Peter und der Wolf“ und der „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns in einem Programm. So viele Ohrwürmer, so hübsche Pointen auf einem Haufen. Das ist eigentlich ein Selbstläufer. Sollte man meinen. Aber womöglich birgt genau dieser Gedanke die Gefahr, dass man einen Tick zu wenig investiert. Eine Gefahr, der die Symphoniker Hamburg bei ihrem jüngsten Auftritt in der Elbphilharmonie nicht immer entgehen konnten – zumindest im ersten von zwei Konzerten am selben Abend.

Nicht, dass das Orchester unter Leitung seines Gastdirigenten Johannes Zurl einen schlechten Tag erwischt hätte, keineswegs. Gerade die Holzbläser bestachen mit exzellenten Soli: der Klarinettist Fabian Ludwig mit fein nuancierten Kuckucksrufen, die Flötistin Susanne Barner im virtuosen Gezwitscher der Vögel, in der „Volière“ aus dem Karneval. Sehr schön auch das Schildkröten-Ballett, in dem Saint-Saëns den Can-Can seines Kollegen Offenbach – eigentlich ein schmissiger Tanz – in Zeitlupe ablaufen lässt und dadurch bös veräppelt. Da modellierte Zurl mit den Streichern der Symphoniker einen wunderbar schläfrigen Slow-Motion-Sound, zartfingrig begleitet von den Pianistinnen Ferhan und Ferzan Önder an zwei Flügeln.

Moderatorin genießt Spotlight-Situation

Aber genau diese Extraportion Lust am Erzählen, diese besondere Farbfreude, funkelte eben nicht konstant, sondern blieb in einigen Sätzen blass. Dort, wo manche Orchestermitglieder Pause hatten und zuhören durften, schienen sie gelegentlich in den Seilen zu hängen. Als wären sie noch müde von der Saisoneröffnung am Vortag oder sparten ihre Kraft für den anschließenden zweiten Durchlauf des Konzerts.

Ist überhaupt kein Drama, sorgt aber hier und da für eine flaugraue Energie. Dagegen versprühte Barbara Schöneberger eine ganz andere Präsenz. Die Moderatorin genießt die Spotlight-Situation, fühlt sich sichtlich wohl auf der Bühne und demonstrierte das auch beim Auftritt als Erzählerin.

Schöneberger präsentiert Textfassungen von Schönbeck

Ein freundliches Lächeln und ein paar Blicke ins Publikum, nachdem sie die Maske abgenommen hat – schon saugt sie die Aufmerksamkeit an. Schöneberger sitzt auf einem Barhocker vorne links, mit einem Mikro vor der Nase. Obwohl die elektronisch verstärkte Sprache nicht zu den naturgegebenen Stärken der Elbphilharmonie-Akustik gehört, kommt sie gut durch und an.

Barbara Schöneberger präsentiert Textfassungen von Uwe Schönbeck, der den Stücken eine amüsante, gleichermaßen kinder- wie erwachsenentaugliche Rahmenhandlung gibt und ordentlich Alliterationen und Wortwitz einstreut. Da pöbelt ein pubertierender Papagei, der berühmte tierische Komponist heißt Ludwig van Bärpfote.

Tochter eines Klarinettisten kennt Klassik

Solche Vorlagen nimmt die erfahrene Plauderin und Fernsehfrontfrau dankbar an. Sie lässt den Frosch quaken („Quaaatsch!“), das Nashorn näseln und Vater Warzenschwein lallen, der sich ein paar Gläschen Mango-Bowle zu viel gegönnt hat. Hihi.

Der „Karneval der Tiere“ war Schönebergers erstes Album. Die Musik ist ihr seit der Kindheit vertraut – das spürt man auch, wenn sie den Rhythmus beim Tanz der Fossilien unbewusst mit den Fingern auf ihrem Oberschenkel mitklopft. Als Tochter eines Klarinettisten hat sie Klassik von klein auf in den Ohren, sie kennt sich mit Timing aus. Das ist bei „Peter und der Wolf“ noch wichtiger, wenn die Texte nicht in die Pausen, sondern oft in die Musik hinein gesprochen und mit ihr verzahnt werden.

Sie tritt in Dialog mit dem Orchester

Auch da erweist sich Barbara ­Schöneberger als Vollprofi. Sie wechselt Ton und Mimik fast mit der Präzision einer ausgebildeten Schauspielerin, erzählt jetzt aus der Ich-Perspektive einer Katze und tritt in einen noch engeren Dialog mit dem Orchester. Souverän geführt vom Dirigenten Johannes Zurl, klagt die Oboe vom ängstlichen Entlein, dräut der Wolf in den Akkorden der Hörner, heckt Peter seine List mit dem Vogel aus, und stoppt die Jägerschüsse der Pauke.

All das passt meist gut zusammen und ist plastisch erzählt – trotzdem scheint sich das Spannungslevel ab und an in Richtung Routine zu neigen. Und das wäre zu wenig.

Wie mitreißend der Mix aus Musik und Geschichte wirken kann, offenbart ein Mädchen im Publikum oben rechts, in Block F, das jede Sekunde der Handlung gebannt durchlebt und Details wie das Schleichen der Katze und die Beckenschläge im Orchester eifrig nachspielt. Da ist jemand mit Leib und Seele dabei. Ein beneidenswertes Maß an Hingabe, an Begeisterungsfähigkeit. Noch etwas mehr von dieser Art der Intensität hätte auch von der Bühne in den Saal abstrahlen dürfen. Trotzdem: ein schönes Konzert, keine Frage.