Hamburg. Jan-Peter Petersen und Nils Loenicker inszenieren in Alma Hoppes Lustspielhaus einen Beamten-Kleinkrieg.
Was ist die unlustigste Örtlichkeit überhaupt? Das Beamtenbüro. Beamtenbüro, das klingt schon nach lähmender Langeweile, nach Staub auf dem Fensterrahmen, nach Gummibaum und nach Aktenordnern. Mutig, dass Jan-Peter Petersen und Nils Loenicker die Saisoneröffnung in Alma Hoppes Lustspielhaus unter dem Titel „macht-aktiv“ ausgerechnet in solch einem Büro verortet haben: Wir befinden uns in einem Ministerium mit unklaren Zuständigkeiten, Ministerialdirektor Dr. Pilzmann-Notzke geht in Pension, und zwei untergeordnete Beamte machen sich Hoffnungen auf die Nachfolge. Ist das lustig? Erst mal nicht. Andererseits: Was Petersen und Loenicker aus der staubtrockenen Situation machen, hat dann doch durchaus einigen Charme.
Die beiden Kabarettisten nämlich spielen Gags nicht aus, sondern sie reißen sie nur an, um dann das Licht zu dimmen und in die nächste Szene zu springen. Die Abschiedsrede auf den scheidenden Chef: eine kurze Abfolge nett gemeinter Beleidigungen. Und Black. Der Blumenkohl, den Loenicker zum Abschied überreicht? Ein nettes Ausstattungsdetail. Und Black. Der Corona-Song? Ein musikalisches Einsprengsel, dessen Humor gerade mal über die gespielten zwei Minuten trägt. „Pandemie, Pandemie“, singt das Duo zu schmissigen Balkanrhythmen. Und Black.
Wie im Restaurant, nur mit Gags
Pandemie, übrigens: Das Publikum sitzt luftig im Saal, gruppiert um einzelne Tischchen, Masken werden bis zum Platz getragen, eine Adressangabe ist zwingend. Wie im Restaurant, eigentlich. Im Restaurant mit Gags. Und weil „macht-aktiv“ im richtigen Rhythmus daherkommt, weil Petersen und Loenicker immer auch über sich selbst lachen können, stört es nicht, dass manche der Gags ihre Haltbarkeit überschritten haben, dass manches Element der Aufführung ein Klischee ist.
Das Bühnenbild etwa: besteht aus zwei Regalen, in einem stapeln sich Bücher, im anderen, klar, Aktenordner. So sehen Büros tatsächlich aus, aber ein bisschen einfallslos ist es schon. Oder der Witz, den Loenicker an einer Stelle reißt: „Was ist eine Blondine zwischen zwei AfDlern? Nicht die Dümmste!“ Brüller, oder? Aber Vorsicht: Wichtig ist nicht die einerseits frauenfeindliche, andererseits politisch unterkomplexe Pointe, wichtig ist, was danach kommt. „Das ist doch nur ein Witz!“ „Aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ Die Qualität des Abends liegt nicht im offensichtlichen Schenkelklopfer, sie liegt im Umfeld, in dem sich der Schenkelklopfer ereignet.
Einige Szenen machen richtig Spaß
Allerdings: Nicht alles hier ist Meta-Kabarett, es gibt auch hübsche Szenen, die ganz vordergründig lustig sind. Etwa die, in der sich Petersens Beamter von einem Lobbyisten ein Gutachten in den Block diktieren lässt, während Geldumschläge diskret über den Tisch wandern: „Seit ich mich als korrupt akzeptiert
habe, geht es mir einfach viel besser!“, entschuldigt er die Annahme der Bestechungsgelder mit treuherzigem Augenaufschlag, und weil Petersen diesen Augenaufschlag so zurückhaltend bringt, als ob er kein Wässerchen trüben könnte, macht die Szene wirklich Spaß. Oder: die Gleichsetzung des Politikbetriebs mit der Tour de France. Oder die immer mehr ins Absurde lappende Beschreibung des politischen Berlins mit Shakespeare, Schiller, „Game of Thrones“.
Der mit nicht einmal 90 Minuten recht kurze Abend funktioniert allerdings auch deswegen so gut, weil Petersen und Loenicker ihr Thema ernst nehmen. Zwar hat man es mit einer Nummernrevue zu tun, aber das Handlungsgerüst bleibt bestehen: Zwei Beamte sitzen da, spechten auf die frei werdende Leitungsposition und giften einander an.
Mit einem Denkanstoß wird das Publikum entlassen
Klar, am Ende kriegt keiner der beiden die Stelle – stattdessen soll eine Frau Ministerialdirektorin werden, das folgende Nachdenken über Geschlechtsumwandlungen ergibt dann wirklich einen verzichtbaren Gag. Aber dann die Zugabe! Die Politik wird ausschließlich über Ortsmarken beschrieben: „Brüssel“ entscheidet jenes, „Maastricht“ ist für Folgendes wichtig, und „Dublin II“ darf man auch nicht vergessen. Toll. Hochmusikalisch. Absurd. „Sie können mal darüber nachdenken, worin der tiefere Sinn dieser Nummer besteht!“, entlässt Loenicker das Publikum in die Nacht. Applaus.