Hamburg. In der neuen Saison wagen sich Amelie Deuflhard und ihr Team auch mit vielen Hamburger Kunstschaffenden wieder in die Welt vor.
Alle Theaterhäuser in Hamburg ächzen unter der Pandemie, auch wenn sich mancherorts dank umsichtiger Hygiene-Maßnahmen fast so etwas wie eine „Neue Normalität“ eingestellt hat. Ein internationales Produktionshaus wie Kampnagel trifft das alles aber noch einmal härter, lebt es doch vom Austausch mit weltweit arbeitenden Künstlern.
„Unser geheimer Co-Kurator ist im Moment Corona“, so Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard anlässlich der Präsentation der Pläne für die neue Spielzeit im Kampnagel-Garten. „Das Virus beschäftigt uns inhaltlich, unsere Spielpläne, unsere Inszenierungen, die Künstlerinnen und Künstler in ihrem Denken. Ich glaube aber, dass alle Theater in den nächsten Wochen nachweisen können, dass Theater sichere Orte sind.“
Kampnagel will verschobene Produktionen nachholen
Die verkürzte Saison vor der Sommerpause ist für Kampnagel – auch dank Unterstützung der Kulturbehörde – mit einer glatten Null geendet. In der kommenden werden Deuflhard und ihr Team versuchen, im Rahmen ihrer „spekulativen Großstrategie“ etliche der abgesagten, verschobenen Produktionen nachzuholen und vor ein – ausgedünntes – Publikum zu bringen.
Bis zum Jahresende stehen zunächst einmal Produktionen aus Hamburg und Deutschland auf dem Programm. Während der über einen Zeitraum von drei Wochen gefeierten Eröffnung wird Patricia Carolin Mai ihr extremes körperliches Selbstexperiment „Kontrol“ (24. bis 27.9. und 1. bis 3.10.) aufführen. Christoph Faulhaber zeigt mit 30 drei Meter hohen Plastikkugeln in „Para Social“ einen Ausstellungskommentar zur Pandemie. Hannah Hurtzig präsentiert ihre – mit Hygienekonzept versehene – Versammlungsperformance „Markt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen“ (25./26.9.), bei der 74 Expertinnen und Experten aus Theorie, Wissenschaft und Praxis, vom Virologen bis zur Kriminologin, Wissen und Erfahrungen mit dem Publikum in 1:1-Gesprächen teilen werden.
Neben den Gastspielen präsentieren sich zahlreiche Hamburger Kunstschaffende
Thema: „Coronäische Zeiten: Zustände, Strategien und Körper in der Krise“. Christian Drosten ist auch dabei. Ende Oktober wird die Berliner Performance-Gruppe She She Pop ihr neues Stück „Hexploitation“ (30.10.–1.11.) aufführen, eine Auseinandersetzung mit der älter werdenden Frau.
Das erste große Tanz-Gastspiel bestreiten Sasha Walz & Guests aus Berlin mit dem frühen Signaturstück „Allee der Kosmonauten“ (9. bis 12.12.). Neben den Gastspielen präsentieren sich zahlreiche Hamburger Kunstschaffende, so die Choreografin Ursina Tossi mit „She_Revenants“ (9. bis 12.12.) und das Duo Jonas Woltemate und Nora Elberfeld mit „The Triumph Of The Golden Glory (3. bis 6.12.). Franck Edmond Yao, langjähriges Mitglied der Künstlergruppe Gintersdorfer/Klaßen, stellt den zweiten Teil seiner Eigenproduktion „Das Sandwich Syndrom“ (27./28.11.) vor.
Vielversprechende transnationale Ausblicke
Auch wenn die Spielzeit unter dem Motto „Der neue Pragmatismus“ steht, gibt es vielversprechende transnationale Ausblicke. Denn zum Glück arbeiten ja zahlreiche Künstlerinnen und Künstler in europäischen Zusammenhängen. So wird Serge Aimé Coulibaly, Choreograf aus Burkina Faso mit Wohnsitz in Brüssel, seinen neuen großen Musik-Tanz-Abend „Wakatt“ (21.–24.1.) zeigen, in dem es um die Furcht vor dem anderen angesichts eines weltweit wachsenden Nationalismus geht. Der für Februar geplante „Fokus Tanz“-Schwerpunkt wird mit „Dragons“ (17.–20.2.) das neue Gastspiel der südkoreanischen Choreografin Eun-Me Ahn präsentieren. Und der französische Tanzpionier Boris Charmatz führt „Infini“ (18.–20.2.) auf, eine Beschäftigung mit der Welt der Zahlen und der Mathematik, in der er auch selbst mit vier Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne steht.
Zum Spielzeitende wird dann hoffentlich auch der in Peking lebende Regisseur und Künstler Tianzhuo Chen seine Arbeit „Trance“ (7.–9.4.) zeigen können, ebenso wie die aus Südafrika stammende Hamburger Choreografin Jessica Nupen ihre verschobene Tanz-Rap-Oper „The Nose“ (19.–22.5.).
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Hinzu kommen viele Formate, die mit kreativen Einfällen und Strategien auch in die Pandemie-Zeiten hinübergerettet werden. Dazu zählen Diskussionen und Lesungen, das Festival Über-Jazz, der Revolutionary Souk des syrischen Kurators Anas Aboura und auch die Partyreihe „Feuertonne“, bei der DJ’s bis in den Spätherbst zu frühabendlichem Musikgenuss auf die Piazza laden.
Auf Kampnagel navigiert man bis auf Weiteres kreativ durch die Krise.
Eröffnung Spielzeit 2020/21 ab 24.9., Kampnagel, Karten unter T. 27 09 49 49