Hamburg. Am St. Pauli Theater herrschte bei der ersten Gala der Saison Aufbruchstimmung, Leichtigkeit und Optimismus.

Nach dem Pandemie-Lockdown und monatelanger Pause läuft auch die traditionelle Gala zur Eröffnung der Spielzeit 2020/2021 am St. Pauli Theater etwas anders ab. Die Stimmung lassen sich jedoch weder Künstler noch Besucher verderben.

St. Pauli Theater begrüßt kulturell ausgehungertes Publikum

Das Publikum ist zwar von über 500 auf 140 ausgedünnt, aber es ist auch kulturell ausgehungert – ebenso wie die nach Applaus lechzenden Künstler. Und so prostet sich das Leitungsduo Ulrich Waller und Thomas Collien auf der Bühne mit einem Piccolo frohgemut zu und hofft trotz „Fahrens auf Sicht“ auf eine gelungene Saison.

Gut gelaunt moderiert der Schauspieler Rolf Claussen den Abend und gibt dem Publikum erst mal die dreistufige „Hanse-Rakete“ an die Hand. 140 Zuschauer sollen eben jetzt wie 800 klingen. Auch das „Kleingruppenschunkeln“ kann das Publikum hier aktiv erlernen. Corona macht kreativ.

Langjährige Wegbegleiter glänzen mit Kurzprogrammen

In der Gala glänzen langjährige – und neuere – Wegbegleiter des Privattheaters an der Reeperbahn mit musikalischen und literarischen Kurzprogrammen. Peter Franke liefert mit „Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn“ seine persönliche Begrüßung des am Montag nach 88 Jahren nach Hamburg zurückgekehrten Segelschiffs „Peking“ ab. Bei Anne Weber bleibt es maritim mit dem Hans-Albers-Song „Beim ersten Mal, da tut’s noch weh“. Angela Winkler gibt sich in Barbaras „Sag, wann bist Du bei mir“ zart und innig und bekennt musikalisch, dass sie die Geduld einer Seemannsfrau leider nicht aufbringe.

Im zweiten Teil kommt mehr Jazz-Leichtigkeit in den Abend. Als Höhepunkt singt Anneke Schwabe mit kraftvollem Sopran eine schmissige Version von „Cabaret“. Der unermüdliche Matthias Stötzel geht am Piano virtuos auf jede Künstlerin und jeden Künstler, jede Ton- und Stimmungslage ein. Zentral ist das Wort bei Christian Redl, der mit seinem unnachahmlichen Charakterorgan Bertolt Brechts „Die Ballade von der Hanna Cash“ liest. Ein Vorgeschmack auf das Programm „Vom Zauber einer verwehenden Sprache“, in dem er gemeinsam mit Ulrich Tukur deutsche Balladen präsentieren wird.

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Dass die Pandemie nun auch kabarettistisch verarbeitet werden will, davon liefern Arnulf Rating und Matthias Deutschmann jeweils erste Kostproben. Rating arbeitet Schlagzeilen vor und während der Pandemie auf und macht sich über die Zeile „Kussverbot an unserer Grenze“ her: „Mensch, was haben wir uns früher gerne an der Grenze geküsst.“ Das sitzt.

Bei Ratings Witzen über „die Polizei, die in den USA gerne ins Schwarze trifft“, weiß mancher dann aber hörbar nicht, ob er lachen soll. Deutschmann will die Schlagzeile „Chaoten erklimmen den Reichstag“ anlässlich der Berliner Anti-Corona-Maßnahmen-Demo humoristisch aufbereiten, bleibt dabei aber etwas schwergängig – immerhin thematisiert er das auch. „Es ist brutal geworden mit der Satire.“

An diesem Abend herrscht aber erst einmal Aufbruchstimmung und Optimismus. Die Gala ist schon mal geglückt. Nun kann die Spielzeit kommen – es gibt noch Karten.

Karten unter www.st-pauli-theater.de

Podcast Mehr zum St. Pauli Theater im Podcast „Saisonstart“: abendblatt.de/podcast/saisonstart