Hamburg. Die Zukunft der beliebten Veranstaltung erscheint in der Corona-Krise unsicherer denn je. Eine Betrachtung.

Zur Eröffnung macht am Mittwochabend ein Träger des Friedenspreises den prominenten Anfang: Navid Kermani ist da. Er wird, voraussichtlich ganz ohne Misstöne, in der Elbphilharmonie über sein Leben mit Musik sprechen. Ab dann läuft das zwölfte Harbour Front Literaturfestival. Es wird gelesen, gesprochen, gefeiert werden – im Rahmen der pandemischen Möglichkeiten.

Und während das aktuelle Festival läuft, wird um das nächste gerungen. Allen Anzeichen nach so heftig wie nie. Denn was bei der kulturellen Unternehmung seit ihrer ersten Ausgabe im Jahr 2009 meist planungsunsicher war, hat sich in diesem komplizierten Corona-Jahr noch verstärkt: Wie sieht es eigentlich mit dem Sponsoring im kommenden Jahr aus? Wird es eine weitere Ausgabe geben? Der Segen des Mäzenatentums war im Falle dieses großen Literaturfestes, das sich mit seiner Geburtsstunde und dank großzügiger Finanzierung gleich in die Reihe der wichtigen Literaturveranstaltungen im Lande schob, immer auch ein Fluch.

Affäre Eckhart: Kulturbehörde rief zum Rapport

Hauptsponsor Klaus-Michael Kühne, der sich durch Kulturveranstaltungen am Hafen eine Belebung der HafenCity erhoffte, in der auch seine Firma zu Hause ist, sagte seine finanzielle Unterstützung zuletzt stets nur für jeweils eine weitere Ausgabe zu. Mit 250.000 Euro beteiligte sich die Kühne-Stiftung jährlich. Eine sichere Bank war sie nie; zu deutlich machte ihr Namensgeber in seinen Grußworten bei den Festivaleröffnungen, dass er sich noch weitere Sponsoren wünsche oder am besten die Stadt als Hauptgeldgeber.

Dass die nun startende Ausgabe unter erheblichen Organisationsschwierigkeiten litt und nur noch halb so viele Veranstaltungen hat wie frühere Festivals, liegt nicht allein an der Corona-Krise. Nachdem die Stiftung 2019 angekündigt hatte, ihr Engagement auf 150.000 Euro zurückzufahren, strich sie von dieser fest zugesagten Summe im Zuge der Corona-Krise weitere 100.000 Euro.

Kühne gibt, Kühne nimmt

Kühne gibt, Kühne nimmt, so könnte man dieses Verhalten nennen. Ohne ihn würde es dieses Festival, das ein allemal lohnenswerterer (und preiswerterer) Beitrag zum Gemeinwohl Hamburgs ist als seine fußballerischen Aktivitäten, nicht geben. Aber mit ihm sollte heute allem Anschein nach die von Corona gebeutelte Hamburger Kultur auch nicht genesen. Am liebsten, so ist zu hören, wäre es Kühne gewesen, das Festival wäre in diesem Jahr ganz abgesagt worden.

So war es die Stadt, die am Ende einsprang und Harbour Front mit einem satten Betrag aus dem Coronahilfenfonds rettete. Kühne, der endgültig das Interesse verloren zu haben scheint, hätte in heiklen Zeiten ein starkes Zeichen setzen können. Die Erklärung der Stiftung, dass auch sie wirtschaftlich schweren Zeiten Tribut zollen müsse, klingt vorgeschoben. Fraglich ist, ob die Stadt im kommenden Jahr noch einmal mit ihrem Etat aushilft.

Ob Sponsor
Klaus-Michael
Kühne im nächsten Jahr dabei ist,
bleibt eine offene
Frage.
Ob Sponsor Klaus-Michael Kühne im nächsten Jahr dabei ist, bleibt eine offene Frage. © picture alliance

Apropos: Die Hamburger Kulturbehörde ist derzeit sowieso nicht gut auf die Harbour-Front-Macher zu sprechen. Das Festival steht nicht allein wegen Kühnes Rückzug am Scheideweg. Mit seinem Programm hat Harbour Front über mehr als ein Jahrzehnt den Kulturkalender Hamburgs geschmückt, aber am meisten Aufmerksamkeit bekam das Festival ironischerweise dank einer Veranstaltung, die gar nicht stattfindet.

So unübersichtlich die Situation um die, nun ja, theoretisch von linken Protesten bedrohte Lesung der umstrittenen Kabarettistin Lisa Eckhart anfangs gewesen sein mag, war das Agieren der Festivalleitung doch insgesamt bemerkenswert ungeschickt. Die Veranstaltung abzusagen war falsch.

Lesen Sie auch:

Das räumten die Organisatoren danach zwar halbwegs souverän ein und suchten das Malheur durch eine letztlich erfolglose Wiedereinladung der Autorin zu kitten. Kultursenator Carsten Brosda selbst war es, nun quasi Harbour-Front-Hauptsponsor, der die Festivalmacher zum Rapport rief und damit die Freiheit der Kunst gegen die verteidigte, die doch eigentlich selbst nichts anderes im Sinn haben, aber in einem schwachen Moment mangelnde Urteilskraft an den Tag legten.

Man könnte nun sagen, dass eine schlechte Öffentlichkeit auch eine Öffentlichkeit ist. So viel wie zuletzt wurde über Harbour Front jedenfalls noch nie geredet. Was durch die Affäre Eckhart aber mehr als deutlich wurde, ist: Gerade in Zeiten, in denen ein Literaturfestival (unverschuldet) mit Widrigkeiten zu kämpfen hat, die es vermutlich an den Rand der Existenzfähigkeit bringen können, ist ein inhaltliches Profil, das gesellschaftliche Konflikte und künstlerische Diskurse nicht nur aushält, sondern im Zweifel auch gewinnbringend begleitet, unerlässlich. Ein Trost: Bereichernd dürften die kommenden Wochen dennoch werden. Weil es um Bücher geht.