Hamburg. Polarisierende Kabarettistin liest nach der Posse um das Harbour Front Festival aus ihrem Roman “Omama“. Spitzen des Moderators.

Da stiefelte sie also elegant in den großbürgerlichen Festsaal. Die Frau, die unverschuldet ein paar ansonsten nachrichtenarme Sommertage lang den Kulturbetrieb in Atem gehalten hatte. Lisa Eckhart, schwarzes Schuhwerk, goldenes Kleid, vielleicht ja wirklich Versace, auf jeden Fall schick und korrespondierend mit der Farbe des Haars; sie war nun doch und gleichzeitig genau wie geplant nach Hamburg zu einer Lesung gekommen.

Nachdem man sie im manchmal anscheinend merkwürdigen Hamburg von einer zusätzlich anberaumten Lesung zunächst aus-, dann wieder eingeladen hatte. Da wollte sie dann aber nicht mehr hin. Angeblich hätte, deswegen sagte das veranstaltende Harbour Front Festival die Lesung zwischenzeitlich lieber ab, Krawall von links gedroht, der mindestens politisch unkorrekten Bühnenprogramme Eckharts wegen. Sie ist ja ein heißes Ticket im aktuellen Kabarettgeschäft, provokativ und wie andere auch eher an heftigen Detonationen als kaum merklichen Druckwellen interessiert.

Moderator drischt auf Hamburger Kulturleben ein

Im Literaturhaus stellte sie nun am Donnerstagabend ihren Debütroman „Omama“ vor. Dass dessen Leiter Rainer Moritz Eckhart früh und unabhängig vom Festival nach Hamburg eingeladen hatte, erwies sich freilich erst nach der insgesamt erhellenden Posse um das Einknicken vor einem Feind, der vielleicht ganz woanders stand als irrtümlich angenommen, als echter Coup.

Und obwohl der an diesem Abend nicht nur als Gastgeber, sondern auch als Moderator auftretende Moritz („Wie haben Sie es eigentlich am schwarzen Block vorbei hierhin geschafft?“) darauf verwies, dass es an diesem Abend nicht um Kunstfreiheit, Antisemitismusvorwürfe und derlei Dinge, sondern um den reinen Text gehen sollte, drosch er fröhlich und schmerzbefreit auf die noch nicht geschlossene, wunde Stelle des Hamburger Kulturlebens ein. So schnell wird hier jedenfalls keine Veranstaltung voreilig abgesagt werden. Wobei die Dinge ja manchmal vielleicht auch einfach komplizierter sind, als sie Unbeteiligten erscheinen.

Lisa Eckhart liest in paradoxem Setting

Paradox war jedenfalls das Setting, das sich Pandemie-bedingt jetzt darbot: Eine Künstlerin, die zuletzt sicher an Bekanntheit noch mal gewonnen hat, trat vor kümmerlichen 40 Leuten auf. Um bei denen dann allerdings vollumfänglich für Erheiterung zu sorgen. Über die gesamte Dauer der Veranstaltung hinweg, was ungefähr der Schlagzahl des Buches entspricht.

„Omama“ ist ein stellenweise verblüffendes Pointengewitter allerherrlichster Bösartigkeit, dessen sprachlicher Furor bei einer Lesung wenig überraschend stark an zusätzlicher Qualität dazugewinnt. Wie das halt so ist im Falle einer Bühnenkünstlerin, die vom Zu-Markte-Tragen der eigenen, nicht geringen Fähigkeiten lebt. „Omama“ ist das Werk einer Live-Unterhalterin, die ihren Witz, der vom scharfen Blick auf die humanen Schwachheiten lebt, in ein Bühnenprogramm in Romanform gegossen hat.

Zungenfertiges Punchlinemonster: Lisa Eckhart lieferte am Schwanenwik ein Pointengewitter.
Zungenfertiges Punchlinemonster: Lisa Eckhart lieferte am Schwanenwik ein Pointengewitter. © dpa

Eckhart erfreut mit knüppelharter Komikprosa

Deswegen wunderte man sich durchaus, als sie behauptete, die letzten fünf Jahre Poetry Slam und Kabarett nur deswegen gemacht zu haben, um bekannt genug zu werden, dass die Verlage um ein Buch von ihr zu betteln. Wie das nun offensichtlich geschehen ist. Die intendierte Affektiertheit ihres immer österreichisch gefärbten Vortrags verfehlte auch am Schwanenwik seine Wirkung nicht. Das als gesetzt geltende Publikum des Literaturhauses war dankbar für die knüppelharte Komikprosa Eckharts („Mein Publikum muss das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit an der Garderobe abgeben“) und hatte sich wahrscheinlich vereinzelt oder kollektiv auch vorher schon auf den Radikalhumor der 27-Jährigen eingegroovt.

Lesen Sie auch:

Die sich auf die Selbstinszenierung als harsche Drillinstrukteurin vom Dienst verstehende Eckhart kokettierte, von Moritz meist zielgenau und nur selten zu eilfertig (schwere Übung: einem zungenfertigen Punchlinemonster selbst mit Witz zu kommen) angepiekst, über ihr Alter („Kant war mit 27 schon Professor“), plauderte über ihre Anti-Thomas-Bernhard-Agenda („Der hatte Anfälle von Rührseligkeit, wenn es um seinen Großvater ging; ich wollte jeden Sentimentalismus fernhalten im Hinblick auf meine Großmutter“), die Emotionalität in Bezug auf Kinder („Die Großmutterliebe zum Kind ist noch ein Spur perverser als die der Mutter, sie ist die obszönste Liebe von allen“), über ihre französischen Jahre („Paris ist zu schön für Menschen, ich musste da weg“) und über literarische Camouflage trotz einer Erzählerin namens Lisa Eckhart.

Lisa Eckharts Komik: Zweifel an der Spontaneität

Als sie von den Ressentiments der Österreicher gegenüber Deutschen sprach, glaubte man am stärksten zu merken, dass ihre Komik auf der Bühne vielfach einstudiert ist. Formulierungen wie „Ich bemühe mich sehr um intraeuropäischen Rassismus“ fallen ihr sicher nicht unbedingt spontan ein.

Sie las übrigens, wie man so schön sagt, genau die richtigen Stellen, an denen die galoppierenden Ausweichmanöver vor dem, was sprachlich und gedanklich schicklich ist, besonders schön zum Tragen kommen. Den Romananfang, als die gefürchteten Russen in die steiermärkische Provinz kommen; und viel später, 1989!, im Roman dann die auf absurd getrimmte Szene, in der eine Rentnertour – die „geriatrische Armada“ – zur Fleischbeschaffung nach Ungarn fährt und bei der Rückkehr auch ein toter Mensch im Bus abhängt.

Eckhart bleibt für den Kühne-Preis nominiert

Der Erfolg Lisa Eckharts, das wird an Abenden wie diesem deutlich, sollte niemanden verwundern. Von der Poetry-Slam-Bühne in eine heilige Halle der Hochkultur, das war eine Geschichte, die hier zu einem vorläufigen Abschluss kam. Die andere Geschichte ist aber immer noch die mit der „Cancel Culture“, auf die Moderator Moritz ganz am Ende eines amüsanten Abends, der halbwegs ernsthaft enden sollte, noch einmal zu sprechen kam.

Ob sie denn an ihre Chancen beim Kühne-Preis glaube? Mit ihrer Ausladung war sie ja auch von dem eigentlich ausgeschlossen worden – dank der Beharrlichkeit der Jury bleibt sie aber auch trotz Nicht-Erscheinen beim Wettbewerb in der Verlosung. Eckharts Erklärung, sie hoffe auf die Vergabe an jemand anderen als sie („Sollte ich gewinnen, wäre das eine Entscheidung aus Trotz, wenn denn Hamburg schon brennen muss, dann kriegt sie auch den Preis“) war beinah ernst und das, was sie außerdem sagte, sogar richtig ernst: Sie wisse schließlich auch nicht, was für ihren aktuellen Platz auf der Bestsellerliste verantwortlich sei, sie und ihr Buch selbst oder die Aufregung, die um beides zuletzt geherrscht habe. Da sprach dann eine, die nicht provozieren, sondern für ihr Tun gerecht belohnt werden will.