Hamburg. Nach der wegen befürchteter Tumulte abgesagten Lesung bemühen sich die Veranstalter um eine neuerliche Wende.
In den Verkaufscharts eines großen Internetkaufhauses machte „Omama“ zuletzt einen ordentlichen Sprung. Das Debüt von Kabarettistin Lisa Eckhart erscheint am 17. August. Das wissen jetzt, nach den Hamburger Vorgängen um eine abgesagte Lesung im Rahmen des Harbour Front Festivals auf St. Pauli, definitiv mehr Menschen als vorher. Ein Auftritt Eckharts erschien den Veranstaltern mit Blick auf mögliche linke Proteste als zu gefährlich.
Eckhart war im Mai dieses Jahres aufgrund eines satirischen Fernsehauftritts, in dem sie sich mit der #MeToo-Bewegung beschäftigte („Es ist ja wohl nur gut und recht, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen. Mit Geld ist ja nichts gutzumachen“), Antisemitismus und das Befeuern von Vorurteilen vorgeworfen worden. Dessen ungeachtet bemüht man sich derzeit, Lisa Eckharts Teilnahme am Format „Debütantensalon“, für das sie nominiert war, dennoch möglich zu machen. Dem Vernehmen nach laufen derzeit von Festivalseite aus entsprechende Gespräche mit ihrem Management.
Eckharts Auftritt: Aktionen von Autonomen befürchtet
Für diese Festivalleitung, die sich den Sicherheitsbedenken der Verantwortlichen des Nochtspeichers – dort sollte die Lesung stattfinden, dort fürchtete man Aktionen von Autonomen – beugte, sei nach eigenem Bekunden immer klar gewesen, wie ungern sie auf Eckharts Auftritt verzichten würde. Und auch im Hinblick auf die Jury der Debütantensalons, an deren Ende der mit 10.000 Euro dotierte Klaus-Michael-Kühne-Preis vergeben wird, würde es einen sehr wundern, sollte es dort nicht zumindest eine gewisse Unzufriedenheit darüber geben, dass eine der Finalistinnen aufgrund völlig außerliterarischer Kriterien nicht mehr zur Wahl steht.
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So oder so ist es wie immer in diesen Fällen: Es gibt eine schöne Aufmerksamkeitssteigerung. Das schadet nicht in coronabewegten Zeiten, wo Kulturveranstaltungen generell auf der Kippe stehen. Wobei man genauso gut sagen könnte, dass der aktuelle Zwist auch als ein leider gutes Beispiel für die durch Corona noch vertiefte Spaltung der Gesellschaft herhalten könnte.
Harald Martensteins Lesung wurde 2016 von Aktivisten boykottiert
Dem Festival schlug zwar im Netz für angeblich vorauseilenden Gehorsam gegenüber der autonomen Szene weitaus mehr Kritik als Zustimmung entgegen: Im Gespräch ist das Harbour Front Literaturfestival jetzt dennoch. Und gesprochen wird auch, zumindest bei den Betreibern des Nochtspeichers, über die Fragwürdigkeit der derzeit grassierenden „Cancel-Kultur“, in der Personen, die sich in irgendeiner Form diskriminierend oder nicht politisch korrekt geäußert haben, boykottiert werden. In seiner Stellungnahme erinnerte der Nochtspeicher an eine von Aktivisten gestörte Lesung Harald Martensteins im Jahr 2016. Martenstein wurde Frauenfeindlichkeit vorgeworfen.
Bleibt die Frage, ob Lisa Eckhart, die polarisierende und, wie es ihrem Metier entspricht, bisweilen forsch-provokative Bühnenkünstlerin, die sich um die Detonationen ihrer Sprengarbeiten nur insoweit schert, als dass sie eben stattfinden sollen, überhaupt noch Lust hat, in Hamburg aufzutreten. Brauchen tut sie den Auftritt sicher nicht mehr.
In einem Gespräch machte laut Abendblatt-Informationen Kultursenator Carsten Brosda deutlich, dass die Freiheit der Kunst in keiner Weise eingeschränkt werden dürfe. "Die Veranstalter haben zugesagt, dass sie zusammen mit der Jury des Klaus-Michael-Kühne-Preises, Lisa Eckhart und Ihrem Verlag einen Weg suchen, auf dem die Autorin am Wettbewerb teilnehmen wird", heißt es aus der Kulturbehörde.