Hamburg. Der NDR-Chor macht nun auch online Front gegen die Sparpläne des Senders. Ensemble sieht sich existenziell bedroht.
„Der NDR Chor gehört zu den international führenden professionellen Kammerchören“, so ist es stolz auf der Homepage des Ensembles zu lesen. Das letzte Bearbeitungs-Datum, der 15. Mai 2020, lag aber noch vor den ersten Berichten über das stramme 300-Millionen-Euro-Einsparprogramm, das sich der Sender für die nächsten vier Jahre verordnet hat. Pünktlich zur Jubiläums-Saison des Orchesters, in der 2021 auch der 75. Geburtstag dieses Chors gefeiert werden soll.
Nach Feiern und fröhlichem Liedgut ist allerdings gerade niemandem, im Gegenteil, die Vorzeichen klingen eher nach Streichkonzert. Deswegen organisierte die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) Anfang August ein erstes Protest-Happening auf dem Freiplatz vor der Elbphilharmonie, jenem Konzerthaus, in dem der NDR einen Residenzorchester-Status hat.
Auftakt zu mehrwöchigen Protestaktionen
Es war, kurz vor Saisonstart, der Auftakt zu mehrwöchigen Protestaktionen im NDR-Sendegebiet. Denn dem renommierten Chor, so die DOV, drohe die „kalte Abwicklung“, eine grundsätzliche Veränderung der Substanz: die Umwandlung in eine – jederzeit auflösbare – GmbH, die Nichtbesetzung frei werdender Stellen, stattdessen nur projektweises, günstiges Engagieren freier Sängerinnen und Sänger.
Derzeit hat der Chor 27 Stellen (23 sind momentan besetzt). Um diese Sollstärke zu zeigen, waren es es neun Chor-Mitglieder in schwarzer Dienstkleidung und 18 Gesangsstudierende, die sich auf der Treppe einfanden, um eine Bearbeitung des Final-Chors aus Beethovens Neunter zu singen. Sollte es kommen wie vom DOV befürchtet, würde die Tätigkeit des Chors stark reduziert. Eine gewachsene Klangkultur mit immer wieder neuen Stimmen nicht möglich.
Am 25. September berät der NDR-Rundfunkrat das Thema
Außerdem steht zu befürchten, dass der NDR mit dieser Methode Vorbild für weitere Sender sein wird, die anders, aber ähnlich unter Spardruck stehen. Die Forderung des DOV ist schnell erzählt: „Der NDR Chor bleibt mit voller Mannschaft in Hamburg vor Anker!“ DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens beklagt: „Der NDR will ein herausragendes Ensemble zerstören“, den „einzigen professionellen Konzertchor für den ganzen Norden zwischen Flensburg, Köln und Berlin“. Am 25. September berät der NDR-Rundfunkrat das Thema.
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In einer NDR-Stellungnahme hieß es, man wolle nicht allein den Bestand der Ensembles (zwei Orchester, Chor, Bigband) sichern, sondern auch deren „exzellente künstlerische Qualität“. Der O-Ton von Klangkörper-Manager Achim Dobschall: „Für den Chor arbeiten wir gemeinsam an einem Konzept, das den künstlerischen Markenkern erhält, die Exzellenz dauerhaft gewährleistet und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung trägt. Nur wenn wir alle drei Kriterien erfüllen, kann der Chor zukunftsfähig sein.“ Klar sei: „Keine Sängerin, kein Sänger mit derzeitiger Festanstellung wird den Arbeitsplatz verlieren oder auf Teilzeit reduziert.“
Mit einem Mitte August publizierten Protestvideo legt der DOV nach: "Halber Chor – halb so wild?"
Infos: www.dov.org/ndrchor.