Hamburg. Die Komikerin hat einen Roman veröffentlicht. Im Interview spricht sie über ihr Soloprogramm, Versagensängste – und Zierfische.

Ende Januar 2018 trat sie in quietschgrünen Leggins erstmals auf die Bühne des ausverkauften Schmidts Tivoli, wirkte schüchtern, erzählte jedoch beim Finale des Hamburger Comedy-Pokals frech und freimütig aus ihrem unbefriedigendem (Liebes-)Leben. Helene Bockhorst gewann damit als erste Künstlerin den größten Kleinkunstwettbewerb Deutschlands.

Erst ein halbes Jahr zuvor hatte die Einser-Abiturientin (Note: 1,0) aus Neu Wulmstorf, Master-Studentin der Kommunikationswissenschaft und Hobby-Poetry-Slammerin ihren Redakteurs-Job bei einer Immobilien-Fachzeitschrift gekündigt.

Die Hamburger Comedienne startet mit Soloprogramm durch

Mit ihrem ersten Soloprogramm „Die fabelhafte Welt der Therapie“ startete die Hamburger Comedienne anschließend in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch. Anstatt aber – wie vor zwei Jahren noch geplant – ein Buch mit den 30 besten Texten ihrer fast 100 Poetry-Slams herauszubringen, hat die inzwischen 32-Jährige kürzlich ihren ersten Roman veröffentlicht.

„Die beste Depression der Welt“ handelt von der suizidgefährdeten Vera. Die soll zum Umgang mit der Krankheit einen Ratgeber schreiben, hegt aber große Selbstzweifell. Eine tragikomische Geschichte, die Fragen aufwirft, ebenso wie die aktuelle Situation der Autorin selbst.

Hamburger Abendblatt: Wie sehr ähnelt die Erzählerin und Protagonistin Vera im Roman Ihrer eigenen Person?

Helene Bockhorst: Vera ist eine ausgedachte Figur mit einer erfundenen Lebensgeschichte, aber natürlich gibt es Gemeinsamkeiten. Genau wie Vera bin auch ich von Depressionen betroffen. Das ist ja eine Krankheit mit vielen Gesichtern, und ich habe meine eigene Wahrnehmung, meine Gedanken und Gefühle beim Schreiben des Buches einfließen lassen. Und rein zufällig empfindet Vera, genau wie ich, eine große Liebe zu Zierfischen und bewundert den Begründer der Natur-Aquaristik, Takashi Amano ...

Im Epilog Ihres Buches danken Sie außer zwei Comedy-Kollegen ausdrücklich Ihrer Therapeutin. Hätten Sie ohne deren Hilfe womöglich gar keine künstlerische Laufbahn eingeschlagen und wären noch immer Redakteurin einer Immobilien-Zeitschrift?

Bockhorst: Ich weiß gar nicht, ob ich unbedingt noch am Leben wäre, wenn ich mir nicht rechtzeitig professionelle Hilfe gesucht hätte. Insofern würde ich sagen, ohne Therapie wäre ich wahrscheinlich weder Künstlerin noch Redakteurin.

Bereits in Ihrem Soloprogramm „Die fabelhafte Welt der Therapie“ dreht sich wie im Roman viel um mangelndes Selbstwertgefühl und miserablen Sex. Es wirkt nun, als sei Ihre Sprache auf Papier noch drastischer als auf der Bühne und als kämen die Männer noch schlechter weg ...?

Bockhorst: Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor, tatsächlich mag ich persönlich Männer sehr gerne und sehe sexuell gesehen wenig Alternativen. Welche Aussagen man über andere trifft, sagt ja am Ende immer mehr über einen selbst als über das Gegenüber. Und Komik entsteht für mich zu einem großen Teil aus menschlichen Unzulänglichkeiten.

Gleichzeitig nennen Sie im Buch „Humor einen Bewältigungs-Mechanismus“. Ihre ehemalige Hamburger Comedy-Kollegin, die Romanautorin Käthe Lachmann, hat 2018 ein unterhaltsames Sachbuch („Keine Panik, liebe Angst“) geschrieben, tritt aber aufgrund ihrer darin beschriebenen Angststörung nicht mehr auf. Sind Ihnen Panik oder Versagensängste fremd?

Bockhorst: Wie die meisten Künstler habe auch ich starke Versagensängste und hatte schon öfter mit Panikattacken zu kämpfen. Trotzdem zieht es mich immer wieder auf die Bühne. Ich habe übrigens gelesen, dass für viele Menschen der Hauptgrund, warum sie in die Sauna gehen, nicht ist, dass sie gerne in der Sauna sind, sondern, dass es so ein angenehmes Gefühl ist, aus der Sauna herauszukommen.

Vor der Corona-Krise sind Sie mit Ihrem Soloprogramm im gesamten deutschsprachigen Raum auf Tour gewesen. Wie sehr fehlt Ihnen diese wöchentliche und tägliche Struktur?

Bockhorst: Es fehlt mir sehr, auf Tour zu sein. Neben der Tatsache, dass die Auftritte an manchen Tagen mein einziger Grund waren, aufzustehen und etwas anderes als einen Schlafanzug anzuziehen, spielt auch der zwischenmenschliche Aspekt eine Rolle: Ich vermisse das Lachen, die Gespräche mit den Fans und sogar die dummen Kommentare, die betrunkene Zuschauer gerne mal dazwischenrufen.

Sind in diesen ungewissen Zeiten Ihre Selbstzweifel und finanziellen Nöte wegen der Zwangspause gewachsen? Und was machen Sie jetzt stattdessen?

Bockhorst: Dadurch, dass sehr viele ausverkaufte Shows abgesagt werden mussten, habe ich natürlich hohe Einbußen. Selbstzweifel habe ich allerdings nicht deswegen, denn ich bin mir relativ sicher, dass ich die Pandemie nicht verursacht habe ... Ich habe mit einem zweiten Roman angefangen und Videos für verschiedene Fernsehsender und für meine Facebook-Seite gedreht. Und weil ich ja im Moment keine Signierstunden anbieten kann, habe ich für die ersten Käufer meines Buchs handgeschriebene Widmungskärtchen zum Einkleben gebastelt, die ich auf Wunsch verschicke, mit Glitzerstickern und allem drum und dran.

Hamburger Ersatztermine für „Die fabelhafte Welt der Therapie“: 5.10. + 7.12.2020 im Schmidtchen; Infos: www.helene.bockhorst.com​