Hamburg. Kulturbehörde will jetzt auch Bühnen unterstützen, die sonst kaum oder keine Subventionen erhalten.

Still ist es im Parkett des Allee-Theaters in Altona, eine schwarze Katze streift so selbstverständlich um die mit Samt bezogenen Stühle, als sei sie hier die eigentliche Gastgeberin. Nebenan, im üppig verglasten Wintergarten-Foyer, riecht es nach frisch gebrühtem Kaffee, die Vormittagssonne strahlt auf die leeren Cafétische und wärmt so sanft den Raum. Zum Glück, denn die Heizung stellt hier seit Wochen keiner mehr an. Für wen auch.

„Eigentlich wäre der Lärmpegel hier gerade ziemlich hoch“, sagt Marius Adam und muss kurz auflachen. „Wir hätten hier genau jetzt die Schulklassen in der ,Kleinen Zauberflöte’.“ Pause, hilfloses Schulterzucken. „Alle Vorstellungen waren ausverkauft.“ Jetzt sitzen im Foyer stattdessen – jeweils an einem eigenen Tisch, damit der Abstand gewahrt bleibt – nicht nur der Intendant des Hauses, sondern auch Kultursenator Carsten Brosda und seine Mitarbeiterin Elke Westphal, die sich in der Behörde seit vielen Jahren um die Privattheater kümmert. Alle Kulturinstitutionen fallen unter die Allgemeinverfügung zur Eindämmung des Coronavirus, die geschlossenen Privattheater aber trifft es zum Teil besonders hart.

„Viele dort wissen ohnehin, was Arbeiten unter prekären Umständen bedeutet“, sagt Carsten Brosda. „Vor allem jene Theater, die bisher kaum oder gar nicht gefördert werden, haben es nicht leicht“, ergänzt Elke Westphal. Die Voraussetzungen sind an den Häusern jeweils unterschiedlich, die Eigenertragsquote allerdings ist in jedem Privattheater hoch. Alle großen und mittleren Bühnen – also zum Beispiel Ernst Deutsch Theater, Ohnsorg-Theater, Kammerspiele oder Altonaer Theater – haben Kurzarbeit angemeldet. „In Ein-Mann-Betrieben macht Kurzarbeit aber wenig Sinn“, erklärt Elke Westphal, „weil da jetzt so viel zu regeln ist.“

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Allee Theater ist täglich besetzt

Auch das Allee Theater, in dem sowohl die Kammeroper als auch das Theater für Kinder zu Hause sind, ist seit der Schließung täglich besetzt, der Intendant kümmert sich um die nötigen Anträge bei der Kulturbehörde und beim Bund, sein kaufmännischer Leiter sitzt an der Kasse, beantwortet Mails, Anrufe und die Post. Vor allem um die Rückgabe von Theaterkarten gehe es dabei, erzählt Marius Adam. „Es gibt wunderbare Gespräche, aber auch sehr traurige Emails.“ Die meisten Zuschauer seien „wahnsinnig nett“, sehr viele wollten ihr Geld gar nicht zurück, sondern später wieder kommen, nach der Krise. „Die anderen setzen oft sofort eine Frist und drohen mit rechtlichen Schritten.“

Adam kümmert sich nun um die eigenen Angestellten, die ebenfalls in Kurzarbeit sind, aber versucht auch mit Hilfe der Behörde und den Rettungsgeldern des Hilfspakets den freien Sängerinnen und Sängern eine Perspektive aufzuzeigen. „Es gibt Kollegen, die haben drei Kinder, beide Eltern sind Sänger, alle Vorstellungen brechen weg. Und Rücklagen haben da die wenigsten.“

Mittel für freischaffende Künstler von der Behörde

Freischaffende Künstler können sich um die Soforthilfe für Solo-Selbstständige (2500 Euro auf drei Monate gerechnet) bemühen, weitere 9000 Euro dürfen für betriebliche Ausgaben geltend gemacht werden, etwa wenn ein Musiker einen Instrumentenkredit abzahlen muss oder eine Sängerin einen festen Proberaum gemietet hat. Und aus dem Hamburger Hilfspaket Kultur in Höhe von insgesamt 25 Millionen Euro stehen nun „mindestens zwei Millionen für die Privattheater“ zur Verfügung.

Diese Mittel werden über die Behörde vergeben, auch, weil es wichtig und richtig sei, „die gewachsenen Bindungen an die Kulturinstitutionen zu belassen“, betont Kultursenator Brosda. In Berlin haben in dieser Woche mehrere Privattheater in einem offenen Brief vor einem „massiven Theatersterben“ in der Hauptstadt gewarnt; in Hamburg scheint das Vertrauen in die Behörde größer.

Gutscheinlösung für bereits gekaufte Tickets umstritten

Vor zwei Wochen habe auch er schlaflose Nächte gehabt, sagt Marius Adam, der von seiner Wohnung aus jeden Tag auf das leere Theater blickt. „Mittlerweile weiß ich, dass es Hilfe gibt und ich bin sehr, sehr dankbar dafür.“ Elke Westphal, eine bis zu den Schließungen unermüdliche Premierenbesucherin, lächelt. Sie wird nicht nur am Allee Theater hoch geschätzt, manche ihrer Telefonate hatten in den vergangenen Tagen einen fast seelsorgerischen Anteil: „Ja, es gab auch schon Tränen“, sagt sie. Die Unterstützung aber komme jetzt schnell an. „Das war für manchen erst kaum zu glauben.“ Bis Ende Juni werde es gehen, schätzt Adam, irgendwie. „Dann wird es schwierig.“

Brosda nickt. Das jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Vorhaben, statt einer Rückzahlung eine Gutscheinlösung für bereits gekaufte Tickets einzuführen, um die Liquidität von Veranstaltern und Kultureinrichtungen zu sichern, hält er für eine kluge zusätzliche Idee. Im Senat gibt es da unterschiedliche Auffassungen: Mehrere grüne Justizminister, unter ihnen der Hamburger Justizsenator Till Steffen, haben das Gutscheinvorhaben als „unausgewogen, unfair und europarechtswidrig“ kritisiert. Verbraucherinnen und Verbraucher würden so „ungewünscht zum Darlehensgeber“. Tatsächlich wären die Gutscheine bis Ende 2021 befristet; werden sie nicht eingelöst, muss der Kulturveranstalter den Wert erstatten. Aber eben erst dann. „Das hilft dabei, dass die Orte auch noch da sind, wenn diese Krise vorbei ist“, so sieht es Brosda.

Jährliche Projektfördermittel in Höhe von 224.000 Euro vergeben

Unabhängig von der Corona-Hilfe, die akut die Einnahmeverluste abfedern soll, hat die Kulturbehörde nun außerdem die jährlichen Projektfördermittel in einer Gesamthöhe von 224.000 Euro vergeben, die an das Polittbüro, das Opernloft, das MuT Theater, den Lichthof, das HoheLuftschiff und das Hamburger Sprechwerk gehen. Auch das Allee Theater erhält 40.000 Euro aus diesem Topf – für den eigentlich geplanten zweiten Teil der „Zauberflöte“. Der erste Teil konnte nur eine Woche lang vor Publikum gezeigt werden, bis es zur Schließung kam. „Wir wollen die ,Zauberflöte’ für die Erwachsenen und ,Die kleine Zauberflöte’ auch in der kommenden Saison unbedingt wiederholen“, verspricht Marius Adam.

Carsten Brosda freut das. „Theatersäle haben eine ganz eigene Faszination, wenn sie leer sind“, findet er. „Wenn die Leere zum Normalzustand wird, wird es aber unerträglich.“ Die Förderung sei „für die erste Strecke“ gedacht, wobei auch er nicht weiß, wie lange diese Strecke sich ziehen könnte. Lieber zitiert der Senator seine Vorgängerin Barbara Kisseler: „Wir lösen die Probleme in der Reihenfolge ihres Auftretens.“