Hamburg. Die Hamburgische Kulturstiftung hat eine konzertierte Aktion ins Leben gerufen – 465.000 Euro sind bereits zusammen gekommen
„Vollbremsung“ oder „Stillstand“, das wären viel zu harmlosere Umschreibungen für den unverschuldeten Zustand der Hamburger Kulturlandschaft. „Katastrophe“ ist jetzt die einzig passende Größe. Doch da Hamburg traditionell eine Stiftungs-Hauptstadt ist und zudem seit einigen Jahren noch mehr Kulturmetropole als je zuvor, will nun eine konzertierte Aktion akut Not leidende freie Künstlerinnen und Künstler aller Genres unterstützen - so viel, so gut, vor allem: so schnell es geht.
Die Hamburgische Kulturstiftung hat dazu unter dem Motto „Kunst kennt keinen Shutdown“ einen Hilfsfonds ins Leben gerufen. Bereits jetzt, innerhalb von nur wenigen Tagen, sind Zusagen für 465.000 Euro zusammengekommen. Beteiligt haben sich nicht nur Stiftungen, sondern auch Unternehmen und Privatpersonen, darunter etliche bekannte, schon vor der Coronakrise chronisch hilfreiche Namen und Adressen wie die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., die Claussen-Simon-Stiftung, die Rudolf Augstein Stiftung, die Dorit Alexander Otto Stiftung, die Fischer Stiftung Hamburg, die Körber-Stiftung, die Klaus und Lore Rating Stiftung, die Gabriele Fink Stiftung, die Mara und Holger Cassens Stiftung, die Stiftung Hamburger Hilfsspende, die Martha Pulvermacher Stiftung, Quantum sowie Susanne und Michael Liebelt, Berit und Rainer Baumgarten oder Carolin und Nikolaus Ditting.
Freie Nachwuchskünstler durch Coronakrise in Existenz bedroht
Die Vergabemodalitäten für den Hilfsfonds werden gerade erarbeitet, teilte die Kulturstiftung mit. Ziel sei es, vor allem freien Nachwuchskünstlerinnen und -künstlern durch unbürokratische Förderung die Fortsetzung ihrer Arbeit zu ermöglichen. Von den langfristig noch nicht abzusehenden Auswirkungen des Coronavirus sind viele von ihnen schon jetzt existenziell betroffen: Durch die Absage von Veranstaltungen und Schließung von Kultureinrichtungen ist ihnen von einem Tag auf den anderen ihr Einkommen weggebrochen. Weitere Aufträge? Die Rückkehr zu etwas, was sich wieder normaler anfühlen würde - aber bei vielen dennoch prekär bliebe? Niemand weiß, wann und wie das der Fall sein wird.
„Ich bin platt und glücklich über diese spontane, großartige Zusammenarbeit“, erklärte Kulturstiftungs-Chefin Gesa Engelschall, so schnell wie in den vergangenen Tagen sei die Spendenakquise noch nie gelaufen. „Die Künstlerinnen und Künstler sind in Not und brauchen unsere Unterstützung. Nicht nur um die Lebenskosten für sich und ihre Familien zu decken, sondern auch um weiter künstlerisch arbeiten zu können. Das tun sie ohnehin meist schon unter Bedingungen, die sich in dieser schwierigen Situation als existenzbedrohend erweisen. Umso ermutigender ist der Einfallsreichtum vieler Kunstschaffender, die uns jetzt zeigen: Die Kunst findet ihren Weg, auch wenn die Menschen zuhause bleiben. In dieser zutiefst verstörenden Zeit brauchen wir Kultur mehr denn je.“
Spenden kommen Kinder- und Jugendkultur zugute
Kultursenator Carsten Brosda ist sehr dankbar für die Initiative: „Die Spenden kommen direkt Projekten der jungen Kunst und der Kinder- und Jugendkultur zugute und ergänzen sinnvoll die Maßnahmen des Schutzschirms, den der Hamburger Senat aufgespannt hat. Ich freue mich in dieser schwierigen Zeit besonders, dass die Hamburger Stiftungen mit vielen Privatpersonen Verantwortung für unser Gemeinwesen übernehmen und eine lange Tradition des bürgerschaftlichen Engagements fortsetzen. Es ist an uns allen, dafür Sorge zu tragen, dass die Kulturlandschaft unserer Stadt in dieser schwierigen Zeit in ihrer Vielfalt erhalten bleibt.“
Claus-G. Budelmann, einer der bekanntesten Mäzene Hamburgs und auch bei dieser Aktion mit im Boot, betonte: „Ich bin positiv eingestellt, dass wir das packen. Die Kulturstiftung ist dafür ideal, Gesa Engelschall hat das großartig initiiert. Das Wichtigste ist: Wir müssen sicherstellen, dass die armen Künstlerinnen und Künstler nicht hintenrüber fallen. Jetzt liegt in der Ruhe die Kraft“, sagt er, „wir müssen auch abwarten, wie die Regierung agiert, wie weit deren Maßnahmen greifen. Dann können wir aktiv werden.“
Claussen-Simon-Stiftung hilft bereits mit 400.000 Euro für zwei Förderfonds
Über den Gemeinschaftssinn der hiesigen Kulturschaffenden berichtete Budelmann: „Alle Institutionen arbeiten wie die Wahnsinnigen, der Zusammenhalt ist großartig. Die Bereitschaft in der Stadt bei denen, die sich für Kultur interessieren und sie lieben, ist gegeben. Viele sind bereit, jetzt etwas zu tun. Wir vermissen die Kultur so!“
Nachdem die Claussen-Simon-Stiftung bereits 400.000 Euro für zwei Förderfonds bereitgestellt hat, um Kunstschaffende, Schulen und Hochschulen zu unterstützen, beteiligt sie sich nun auch bei dieser Hilfsaktion. „Wenn man in Zeiten wie diesen helfen kann, sollte man das auch tun“, sagte Vorstand Regina Back.
Ansgar Wimmer, Vorstandsvorsitzender der Toepfer-Stiftung, forderte weitere Akteure zum Mitmachen auf, „nach ihren Möglichkeiten mitzutun“, es gelte jetzt, „sich tatkräftig mit den Menschen solidarisch zu zeigen, die unsere Kulturlandschaft in Hamburg so reich machen. Es kann nicht schnell genug gehen. Und ganz wichtig: Dass die Menschen auch weiterhin die kulturelle Infrastruktur – von den Clubs bis zum Musikunterricht – finanzieren. Das ist die wichtigste gesellschaftliche Solidarität.“