Hamburg. Die aus Tatort und Polizeiruf bekannten Belton-Zwillinge drehen mit ihren Freunden „Intimate“. Heute laden sie eine neue Folge hoch.

Morgens, halb zehn in Deutschland. Niemand isst Knoppers, in der Kaifu-Lodge in Eimsbüttel gibt es Eiweißshakes und grüne Smoothies. „Lass noch schnell eine rauchen, bevor wir hier einbrechen.“ Ganz normale Hamburger Jungs haben sich in dem Fitnessstudio versammelt, um eine Straftat zu begehen – natürlich nur für die Kamera.

Die Crew der YouTube-Serie „Intimate“ dreht eine Szene für die nächste Folge (wird am heutigen Dienstag um 17 Uhr hochgeladen) und hat wie immer keinen großen Plan. „Wir besprechen meistens, was wir reden könnten, und dann werfen wir das wieder über Bord“, erklärt Bruno Alexander, und sein Kumpel Emil Belton ergänzt: „Das Beste entsteht aus der Improvisation.“

Die fünf kennen sich vom Gymnasium

Mit dabei sind außerdem Emils Zwillingsbruder Oskar, Leonard Fuchs und Max Mattis. Die fünf kennen sich vom Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium. In der Pause am Kiosk rumgehangen, sich gelangweilt, eine Idee gehabt, umgesetzt.

Jetzt sind sie alle Hauptdarsteller, Regisseure, Autoren, Kameramänner, Tontechniker, Cutter und Beleuchter ihrer eigenen Serie „Intimate“. Alle tun alles, Hauptsache, sie machen es selbst -- Budget null. Und nebenbei musste man blöderweise noch für das Abitur lernen. „Bis eine Folge fertig ist, dauert es deshalb ein bisschen länger als bei normalen Filmproduktionen“, sagt Oskar Belton, doch dafür ist das Produkt garantiert „erwachsenenfrei“.

Es geht um Träume, Ängste, Beziehungen, Partys

In der Serie geht es sehr selbstironisch um die Träume, Ängste, Beziehungen, Partys, Lebensentwürfe von 18- bis 20-Jährigen. Ein erschreckend ehrlicher Einblick in das Seelenleben junger Männer. Das gibt es nur selten und scheint daher so erfolgreich zu sein: 1,5 Millionen Klicks bisher. Pro Folge erreichen sie bis zu 193.000 Menschen. Til Schweiger, Milan Peschel, Emma Schweiger, Lea Voss, Katja Danowski und Corny Littmann haben schon mitgespielt, natürlich ohne Gage.

In der neuen Folge wird Jan Josef Liefers auftreten. „Einfach gefragt, das läuft dann schon“, sagt Max Mattis. „Auch die Hamburger Polizei konnten wir aktiv bei ,Intimate‘ einspannen,“ fügt Bruno Alexander hinzu. „Einfach mal fragen“ funktioniert deshalb so gut, weil die meisten aus dem Team regelmäßig für professionelle Produktionen (ARD, ZDF, BBC one, Amazon) engagiert sind. Der 20-jährige Bruno hat beispielsweise seit 2019 eine Ensemblehauptrolle bei der Amazon­Prime-Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, und in der BBC-Serie „World on ­Fire“ stand er neben Helen Hunt vor der Kamera. „Ich wusste während der Dreharbeiten noch gar nicht, wer dabei ist und war dann total überrascht, als ich eine Szene mit einer Oscar-Gewinnerin spielen durfte. Sie war so sympathisch.“

Die Haare schön, die Sneaker weiß, die Manieren tadellos

Echte Schwiegermutter-Qualitäten haben die Boys. Die Haare schön, die Sneaker weiß, die Manieren tadellos, die Fanbase groß. Wüssten sie noch, was ein „Bravo“-Starschnitt ist beziehungsweise war, sollte man es ihnen vorschlagen. Auf Instagram folgen den Hamburgern je zwischen 12.000 und 15.000 Personen, die nächste Folge wird bereits heiß erwartet.

Die Beltons: Zwei Brüder mischen Tatort und Polizeiruf auf

„Feedback tut uns sehr gut“, findet Max. Feuertaufe einer jeden Folge ist die Abnahme seitens der Eltern. Das verläuft teilweise nicht ohne Peinlichkeit, denn zu erfahren, dass die eigenen Kinder im Puff waren, bei einem irren Drogendealer in der Küche saßen oder versucht haben, Viagra zu besorgen für einen Freund, weil der sich beim ersten Mal nicht vor Aufregung blamieren wollte, das erfordert Gelassenheit. „Viele Dinge stellen wir überspitzt dar, aber wir kennen die Leute in unserem Alter und wissen genau, was sie bewegt“, sagt Oskar. Der ständige „Struggle“ (Kampf) mit den Mädchen etwa. „Wir tun immer so krass, aber eigentlich haben wir Angst vor den Girls“, sagt Emil, aber vielleicht war es auch sein Bruder Oskar. Die Zwillinge kann man unmöglich auseinanderhalten.

Sie verstehen sich nicht als YouTuber

Da schrieb der eine auch schon mal die Mathearbeit des anderen, und ein Wunsch der beiden ist, irgendwann einmal Sets zu tauschen. Ihr bislang größter Erfolg war das Mitwirken in „Unter dem Sand“, der Film wurde für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Also ruft Hollywood? „Waren wir doch schon!“ Die Jungs lachen. Tatsächlich verbrachten sie für eine Folge mal zwei Monate in Los Angeles.

Veröffentlicht haben sie die Folgen auf YouTube, weil sie dadurch die größte Reichweite bekommen. „Wir verstehen uns aber nicht als ,YouTuber‘, weil es uns nicht um Selbstdarstellung geht, sondern um unterhaltsame Geschichten, wir haben uns auch gegen Werbung entschieden“, sagt Bruno. Wollen sie denn ihren Erfolg nicht irgendwann monetarisieren? „Nee, lieber frei bleiben“, da sind sich alle fünf einig. Um aber zumindest das Geld für ein neues Mikrofon und die Reisekosten hereinzubekommen, wollen sie nun Pullis mit dem „Intimate“-Logo entwerfen. Vielleicht kauft die ja jemand.

Der viel größere Wunsch wäre aber, dass einmal einer ihrer zwei großen Vorbilder Christian Ulmen und Fahri Yardim mitspielen würde. Deren TV-Serie „Jerks“ könnte als großer Bruder von „Intimate“ bezeichnet werden. Emil (oder Oskar?) bittet: „Christian, du bist ein Gott! Bitte spiel einmal mit!“

„Intimate“, Folge 15: „Freddy“, Dienstag, 17 Uhr, bei YouTube