Hamburg. Museen sowie die Staats- und Universiätsbibliothek gedenken Ida und Richard Dehmel. Mehr zum Paar und den Events.
Sie lud die renommiertesten Künstler in ihren Salon, gründete 1926 die Galerie Gedok in Hamburg, um Künstlerinnen Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen. Sie mischte auch politisch mit, setzte sich für das Frauenwahlrecht ein, bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen und die Deutsch-Jüdin Ida Dehmel aus ihren Ämtern drängten, sie sogar in den Selbstmord trieben.
Muse? Diese Bezeichnung würde einem heute nicht mehr dazu einfallen. Vielmehr: Anstifterin, Netzwerkerin, Powerfrau. Doch wie so viele talentierte Frauen wurde auch Ida Dehmel (1870– 1942) von der Geschichtsschreibung übersehen. Und so kennt man eher ihren Mann, den von vielen Komponisten vertonten, vor 100 Jahren gestorbenen Dichter Richard Dehmel (1863–1920).
Hamburg gedenkt Ida und Richard Dehmel
Hamburg erinnert in diesem Jahr vielerorts an das schillernde Künstlerpaar des 20. Jahrhunderts. In der Staats- und Universitätsbibliothek, in dem das Dehmel-Archiv mit mehr als 40.000 Dokumenten und Objekten lagert, zeigt die Ausstellung „Zwei Menschen“ ab heute ihren Kosmos aus unterschiedlichen Perspektiven. Ausgangspunkt ist Richard Dehmels Romanze „Zwei Menschen“.
„Die ausgestellten Briefe zeigen die einzelnen Entstehungsstufen des Romans und die gute Vernetzung der Dehmels“, erklärt Kurator Marc Emanuel Amtstätter. Auch die Selbstinszenierung sei für das Blankeneser Paar von großer Bedeutung gewesen. Mit ungewöhnlicher Kleidung und auffallendem Schmuck, der von ihrem Mann selbst gefertigt wurde, stellte sich Ida Dehmel gern als Dichtergattin zur Schau – das Leben als Gesamtkunstwerk.
Podiumsdiskussion zu 150. Geburtstag
Anlässlich des 150. Geburtstags von Ida Dehmel lud die Galerie Gedok zur Podiumsdiskussion „Wie politisch muss und darf Kunst sein?“. Vorstand Sabine Rheinhold sieht die Veranstaltung als Fortsetzung der „Hamburger Erklärung der Vielen“, die im vergangenen Jahr von zahlreichen Kulturinstitutionen unterzeichnet wurde: „Unser Bestreben, für die Freiheit der Kunst einzustehen, darf nicht abebben, nur weil wir uns derzeit in einer komfortablen Situation wähnen.“
Kann Kunst heute überhaupt unpolitisch sein angesichts von Krisen weltweit? In Deutschland und insbesondere in Hamburg seien Demokratie-Anfeindungen durch linke oder rechte Gruppen „kaum spürbar“, erwiderte Gabriele Dobusch (SPD), Vorsitzende des Kulturausschusses und Sprecherin für Gleichstellung. Dennoch sei es auch hier wichtig, dass Künstler Haltung zu gesellschaftlichen Fragen zeigen, um von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Das gelte besonders für Frauen. „Die Politik darf nicht beeinflussen, aber sie kann ihren Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit bei der Besetzung der Jurys von Preisen und Stipendien leisten.“
Dehmel-Ausstellung auch im MARKK
Dass es nicht nur an den Künstlern selbst ist, ein Statement zu geben, sondern auch Kuratoren und Museumsdirektoren in der Verantwortung stehen, zeigte sich an einem Ausstellungsschwerpunkt 2019, als MARKK, Museum der Arbeit und Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) fast zeitgleich Frauen als Architektinnen und Designerinnen vorstellten. „Davon würde ich gern mehr sehen“, sagte die SPD-Politikerin.
Gefragt nach der Beeinflussung durch Geldgeber antwortete MKG-Direktorin Tulga Beyerle, „Ich sehe mich völlig frei in meiner Entscheidung, welche Ausstellung ich mache.“ Neben dem städtischen Etat („der größer sein könnte“) gebe es große Stiftungen und Förderer. Das sei im Vergleich zu ihrem Heimatland Österreich eine sehr „luxuriöse Situation“. Dass auch Design politisch ist, Auswirkungen auf unser tägliches Leben hat, zeigte sich zuletzt bei der großen „Social Design“-Schau. Künftig will das Haus vermehrt Besucher in die aktive Museumsarbeit einbinden, etwa nach dem Vorbild der „Open Access“- und „Mein Blick“-Ausstellungen der Kunsthalle, bei denen verschiedene Bevölkerungsgruppen kuratieren durften.
„Zwei Menschen. Richard und Ida Dehmel in Hamburg“ bis 22.3., Staats- und Universitätsbibliothek, Von-Melle-Park 3 (Bus 4, 5), Mo–Fr 9.00–24.00, Sa/So 10.00– 24.00, Eintritt frei; www.sub.uni-hamburg.de