Hamburg. Nach zuletzt sechs Preisträgerinnen in Folge ist der Schriftsteller wieder der erste Mann, der den wichtigen Debütpreis erhält.
Der Leiter des Literaturhauses war in tierischen Gefilden unterwegs, und das war in Ordnung, denn es war der schöne Teil seiner kurzen Rede. Rainer Moritz dankte also der Kulturbehörde dafür, dass sie die verhältnismäßig kleine Kulturinstitution Literaturhaus auch im vergangenen Jahr finanziell am Laufen hielt. Die Behörde wisse, so Moritz, „dass selbst eine schwere Schwalbe wie die Elbphilharmonie noch keinen kulturellen Sommer macht“. Nach ihm trat dann der Chef ebenjener Kulturbehörde ans Mikrofon.
Carsten Brosda („In den Räumlichkeiten des Literaturhauses waren früher gefallene Mädchen untergebracht“) brachte am Schwanenwik zwar den „leichten Schwan“ augenzwinkernd als Pendant zur „schweren Schwalbe“ ins Gespräch. Wollte aber, siehe „gefallene Mädchen“, die ornithologische Metapher ausdrücklich nicht vertiefen. Dann wurde er ähnlich ernst wie Moritz an diesem Saisoneröffnungsabend.
Preis mit 15.000 Euro dotiert
Inoffiziell ist die Verleihung des Mara Cassens Preises das ja. Und weil Literatur gesellschaftliche Belange behandelt, wollten Moritz und Brosda gleichermaßen nicht schweigen. Erst sprach der Literaturhaus-Chef über die Diskussionsunkultur im Internet, dann der Senator über die „Verständigungsfähigkeit“, die wiederhergestellt werden müsse. „Wir müssen dahin kommen, dass das Eingeständnis möglich ist, der andere kann auch recht haben“, sagte Brosda.
Verständigungsfähig waren vorher die Jurymitglieder und alle anderen an diesem Abend im Hinblick auf die Hauptperson Emanuel Maeß. Der erhielt den Mara Cassens Preis 2019. Und das im 50. Jahr des Bestehens des Preises. Das wird erst im Herbst groß gefeiert, weshalb diesmal noch, verdientermaßen, Maeß allein im Mittelpunkt des Interesses stand. Nach zuletzt sechs Preisträgerinnen in Folge ist der von einer Laienjury gewählte (ist sie das wirklich, nur weil keine Kritiker oder Lektoren in ihr sitzen?) Schriftsteller wieder der erste Mann, der den mit 15.000 Euro dotierten wichtigsten Debütpreis im deutschsprachigen Raum erhält.
Ein Fan von Proust, Jean Paul und Rilke
Sein erster Roman ist eine eigenwillige Mischung aus Ostiade, Bildungs- und Liebesroman. Ein mit Sprachlust und romantischer Naturfreude geschriebenes Werk, das unter erheblichen Geburtswehen zur Welt kam. Satte acht Jahre suchte Maeß einen Verlag, wie er dem Publikum freimütig erklärte, ehe „Die Gelenke des Lichts“ im vergangenen dann bei Wallstein in Göttingen erschien. Es wäre ihm und dem Autor noch viel mehr zu wünschen, dass auf diesen ersten Erfolg – der gebürtige Jenaer Maeß stand mit „Die Gelenke des Lichts“ auch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises – manche weiteren folgen mögen. In einer Mischung aus staubtrockener Selbstironie und tiefem Ernst umriss Maeß eigentlich wenig verkaufsfördernd („Es hat die typischen Mängel eines Debüts“) sein Werk auch gleich noch selbst. Es war ganz herrlich.
Die Literaturkritikerin Wiebke Hüster hob in ihrer Laudatio auf die intertextuell reichlich (Goethe, Shakespeare, Nabokov ...) verwertbaren Mond-Bezüge in „Die Gelenke des Lichts“ ab, was einem Autor, der Literatur-VIPs wie Jean Paul, Rilke und Marcel Proust zu seinen Säulenheiligen zählt, sicher gut gefallen haben dürfte. Hüster wies pointiert darauf hin, dass Emanuel Maeß „das Abenteuer der Innerlichkeit im 21. Jahrhundert“ verhandele. Und damit war man wieder am Anfang der Veranstaltung. Weniger auf Facebook pöbeln und über Sachen schreiben, von denen man keine Ahnung hat, mehr den Mond anjaulen, das wär’s.