Hamburg. Der gebürtige Hamburger Stefan Stoppok lebt nach fünf Jahrzehnten wieder in seiner Heimat. Auftritt in der Markthalle.

Einer wie er ist viel herumgekommen in der Weltgeschichte. Wie das eben so ist als Musiker. Anfang dieses Jahrzehnts war Stefan Stoppok einmal regelrecht umschwärmt und von Fans umlagert. Im indischen Kalkutta war das. Im westbengalischen Fernsehen hatte Stoppok – sein Nachname ist auch sein Künstlername – zuvor sein bisher ungewöhnlichstes Projekt vorgestellt: das Album „Tagore & We“, das er mit den indischen Künstlern Soumyojit & Sourendro sowie Srabani Sen aufgenommen hatte. Bis heute sein einziges Nummer-eins-Album.

Dabei hat Stoppok in seiner gut 40 Jahre langen Laufbahn insgesamt mehr als 20 Alben herausgebracht. Von Karriere zu sprechen, das verbietet sich bei ihm fast – trotz seines Liedes „Da bin ich Fan von“. Eine echte Marke ist Stoppok mit seinen Wurzeln im Blues, Rock und Folk dennoch. Und das nicht erst, seit der gebürtige Hamburger – für ihn selbst überraschend – 2015 den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Lied/Musik/Chanson erhielt. „Wir pilgern mit unserem Müll nach La Compostela“, hieß einer seiner Songs.

Stimme des Ruhrgebiets

Inzwischen lebt und arbeitet der Sänger und Multi-Instrumentalist wieder in Hamburg. Im beschaulichen Volksdorf am Stadtrand. „Ich habe ein Händchen, Plätze zu finden, an denen eine gute Energie herrscht“, hat Stoppok, bekannt für seine Brillen mit orange­farben getönten Gläsern und bunten Anzüge, in den Wanderjahren erkannt. In sein gemietetes Haus im Hamburger Norden hat der 63-Jährige sein Tonstudio integriert. Sein neues Album, das Stoppok mit der ihm eigenen Ironie „Jubel“ genannt hat, erscheint am 7. Fe­bruar, es ist das erste komplett in Hamburg produzierte.

Und sein Konzert am 12. Dezember in der Markthalle ist nicht bloß Teil seiner alljährlichen Vor­weihnachtstournee. Dort, wie auch in der Fabrik oder im Polittbüro, hatte Stoppok gewissermaßen immer schon Heimspiele. Als er fünf war, hatten seine Eltern mit ihm und dem großen Bruder Hamburg verlassen und waren nach Essen gezogen. Jahrzehntelang galt Stoppok, der als 14-Jähriger das Pop und Blues Festival in der Essener Grugahalle besucht hatte, als Stimme des Ruhrgebiets. Eine Verortung, die gewiss auch am nöligen Timbre und dem schnoddrigen Tonfall liegt.

Ironische Note

Seine vom Alltag geprägten Texte prägten stets eine ironische Note. Auf dem neuen Album „Jubel“ setzt sich der unabhängige Liedermacher mit den Fragen der Zeit auseinander. In „Verjubeln“, einem druckvoll nach vorn gehenden Rock-Pop-Song, liefert Stoppok mit Zeilen wie „Haben alles vergeigt, was nur irgendwie geht/Ein Wunder, dass die Erde sich immer noch dreht“ seinen kritischen Beitrag zur Klimadebatte. Geschichten erzählen und dabei Alltagssprache zur Poesie werden lassen, dafür steht Stoppok.

Und wie man gegenüber Rechtspopulismus, Nationalismus und Abschottung Haltung zeigen kann, ohne in populistischen Kitsch abzudriften, zeigt er mit „Lass sie rein“. Der sanfte, fast fünf Minuten lange Blues bleibt im Ohr: „Hast du Angst, dass dir hier irgendwer was nimmt?/Kann schon sein, dass das vielleicht auch stimmt/Doch das, was du hast, gehört dir nicht allein/Du hast kein Recht darauf/Das bildest du dir die ganze Zeit nur ein“, singt er in der letzten Strophe. In nicht einmal zwei Stunden habe er das Lied geschrieben, erzählt Stoppok. Auch eine Gabe und seine Art von bewegender Weltmusik.

Lob von Lindenberg

Elf neue Songs hat der Hamburger Musiker auf seinem „Jubel“-Album vereint, von Blues über Rock und Funk bis zu Chanson: „Bei den Aufnahmen drang sogar Vogelgezwitscher durchs Fernster“, erinnert er sich an die Produktion im Spätsommer und Frühherbst in Volksdorf. „Es ist total lauschig hier und richtig malerisch mit den alten Baumbeständen." Nicht nur deshalb kamen für die Aufnahmen außer seiner dreiköpfigen Band zahlreiche Gastmusikerinnen gern im Studio vorbei. Aino Löwenmark und Hanmari Spiegel, besser bekannt als Folk-Pop-Duo Fjarill, ebenso wie Hamburgs US-Soul-Röhre Love Newkirk. Stoppoks Name hat in der Musikszene einen guten Klang.

Auch beim lebenden Hamburger Gesamtkunstwerk Udo Lindenberg. Dass Stoppok (bisher) nicht der Durchbruch gelang, könne Udo überhaupt nicht verstehen, erfuhr Stoppok kürzlich von Tine Acke, seit 20 Jahren Lindenbergs Muse. Sie hat die Fotos für Stoppoks neues Album gemacht. „So einer wie du kommt immer an. Du bist eigentlich einer für die großen Bühnen“, ließ Lindenberg via Tina Acke an Stoppok ausrichten. Auch ein Kompliment.

Bekenntnis zu musikalischen Wurzeln

Und was sagt Stoppok selbst? „Ich bin zufrieden.“ Er bekennt sich zu seinen musikalischen Wurzeln: „Ich vergleiche mich gern mit einem Einzelhändler in der City. Einer, der nicht aufgibt, sich schon lange hält und sich trotz der großen Ketten nicht verdrängen lässt.“

Passend zu seinem Credo hat Stoppok erst kürzlich seine Gitarre zu solch einem Fachhändler in der Hamburger Innenstadt zur Reparatur gebracht. Und von seiner neuen Heimat aus kann er am Donnerstag bis zur Station Steinstraße direkt zur Markthalle durchfahren. Auch ein Luxus für einen weit gereisten Musiker wie ihn.

Stoppok – solo Do 12.12., 20.00, Markthalle (U Steinstraße), Klosterwall 9-11; Karten zu 28,50 im Vvk; www.stoppok.com