Hamburg. Seit 40 Jahren entstehen in Hamburg die „Die drei ???“-Hörspiele. Ein Rückblick zum Tourstart der Live-Show in der Barclaycard Arena.
Im Oktober 1979 erschienen die ersten sechs Folgen der „Die drei ???“-Hörspiele. Mittlerweile sind 201 Folgen mit den Abenteuern der drei Teenager-Detektive Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews erschienen, und neben den Büchern, Hörbüchern, Filmen und diversen Ablegern haben besonders die im Tonstudio Heikedine Körting an der Rothenbaumchaussee produzierten Hörspiele ein Imperium begründet: Über 50 Millionen Mal landeten die rätselhaften Fälle aus Rocky Beach, Kalifornien, als Kassette, Schallplatte, CD, Download und Streaminglink bei Hörern aller Altersstufen. Damit sind „Die drei ???“ die erfolgreichste Hörspielreihe der Welt – obwohl sie nur hierzulande ein so ungelöstes wie spannendes Kulturphänomen ist. Deutschland ist Hörspielland, bereits in den 30er-Jahren beklagten Kritiker einen Hörspiel-Überfluss im Rundfunk. Der dritte Abendblatt-Detektiv ?, wie Bob Andrews zuständig für Recherchen und Archiv, stellte dieses Dossier zusammen.
Der Ursprung: die Bücher
1963 entwarf der US-Krimi- und Mystery-Autor und Journalist Robert Arthur (1909–1969) angelehnt an erfolgreiche Jugendkrimi-Reihen wie „Hardy Boys“ sein eigenes Konzept „The Three Investigators“. Sein persönlicher Bekannter Alfred Hitchcock (1899–1980) sagte seine Schirmherrschaft, sprich seinen Namen und Konterfei zu, sodass 1964 der erste Band „Alfred Hitchcock and The Three Investigators: The Secret of Terror Castle“ erscheinen konnte. Nach dem elften Band und Arthurs Tod übernahmen Autorenteams die Serie, bis 1990 veröffentlichte der Random House Verlag 56 Bücher. Deutlich größeren Erfolg hatten allerdings die Übersetzungen von Leonore Puschert in Deutschland, beginnend 1968 mit „Die drei ??? … und das Gespensterschloss“ im Kosmos-Verlag. Nach dem Ende für die US-Originalfassungen wird die Reihe seit 1993 mit dem Band „Tatort Zirkus“ eigenständig in Deutschland fortgeführt, im September 2019 erschien Band 206 „Die drei ??? ... und die falschen Detektive“. Derzeit entwickeln sieben Autoren, hauptsächlich André Marx, Marco Sonnleitner und Ben Nevis neue Geschichten. Dazu kommen diverse Sonderbände, Neuauflagen, Sammlereditionen, Sachbücher, Spiele und Apps mit einer Gesamtauflage von über 17 Millionen. Ironie der Geschichte: Über 20 deutsche Folgen wurden auch ins Englische übersetzt.
Goldgrube: Hörspiele und Hörbücher
Die Bücher sind beliebt, aber eigentlich sind sie nur Grundlage für die noch viel erfolgreicheren Hörspielfassungen von Europa (Sony) – in Deutschland. Anderswo, in Großbritannien und in der Schweiz haben sich „Die drei ???“ nicht durchsetzen können. Seit dem 12. Oktober 1979 werden die Handlungen der Bücher mit Musik, Geräuschen, Erzähler und einzelnen Sprechrollen nachgespielt. Oliver Rohrbeck als Justus Jonas, Jens Wawrczeck als Peter Shaw und Andreas Fröhlich als Bob Andrews sind seit Anfang an dabei, Karin Lieneweg als Tante Mathilda seit Folge 2. Axel Milberg ist der aktuelle Erzähler. Im Laufe der Zeit wurden einige Rollen neu besetzt, auch weil Sprecher gestorben sind, und die Musik wurde aktuellen Hörgewohnheiten angepasst. Neben den Hörspielen erscheinen ausgewählte Folgen auch als Hörbücher, in denen ein Sprecher das Buch vorliest, so wählte sich Bastian Pastewka „Die drei ??? … und der grüne Geist“ aus, Anna Thalbach sprach „Die drei ??? … und die Geisterinsel“.
Der Hype: „Die drei ???“ auf der Bühne
Seit 2003 gingen Sprecher und Geräuschemacher auf vier große Tourneen, bei der sie eine Folge live auf der Bühne auch mit visuellen Effekten zum Hörspielleben erweckten. Die aktuelle Jubiläumstour mit dem Programm „Die drei ??? und der dunkle Taipan“ begann am Freitag in Berlin und gastiert am 16. und 17. November in der Hamburger Barclaycard Arena (Restkarten) und am 21. Februar in der ausverkauften Elbphilharmonie. In kleineren, aber in Hamburg ebenfalls gefüllten Hallen ist auch seit über 20 Jahren das Wuppertaler Vollplayback-Theater zu erleben, das „Die drei ???“ und andere Reihen auf der Bühne zu den vom Band kommenden Dialogen mitspielt. 1999 feierte die Theateradaption „Die drei ??? … und der schreiende Wecker“ Uraufführung am Thalia, und wo immer es weitere szenische Lesungen, Release-Partys oder Shows wie im Hamburger Planetarium gibt, sind volle Häuser garantiert. Zum Beispiel in den Kammerspielen, wo man ein Herz für die Kleinen mit gelungenen Inszenierungen von „Die drei ??? Kids“ hat. Am 23. Dezember ist die Premiere von „Die drei ??? Kids – Der Weihnachtsdieb“.
Krisen und Kritik
Mehrfach standen „Die drei ???“ vor dem Aus. Die Einstellung der Reihe in den USA 1990 oder das Geschacher um Urheberrechte und Lizenzen, Wortmarken, Anteile und Tantiemen zwischen Labels, Verlagen und Robert Arthurs Erben sorgten vor allem zwischen 2005 und 2008 dafür, dass das Imperium „Die drei ???“ eher an eine Staffel „Game Of Thrones“ erinnerte. Wie bei jeder extrem lang laufenden Reihe gibt es auch immer wieder Unruhe und Fankritik an einzelnen Folgen, schon ein Fehlen des bei den Liveshows frenetisch bejubelten Standardsatzes „Dürfen wir Ihnen unsere Karte zeigen?“ (Ein Running Gag auch bei den Einlasskontrollen der Liveshows) sorgt für mittelstarke Aufstände. Unantastbar scheint nur die „Klassische Phase“ der ersten 39 Hörspielfolgen bis 1986 zu sein. Trotzdem würde kein Fan zugeben, dass „Die drei ???“ eine ziemlich unzeitgemäße Würstchenparty sind: Bis auf Justus Jonas’ Tante Mathilda und die clevere Jelena Charkova gibt es keine bemerkenswerten Frauenfiguren. Die bisher aufgetauchten Freundinnen der drei Detektive wie Peter Shaws Liebste Kelly Madigan kamen bei der Hörerschaft ungefähr so gut an wie Yoko Ono.
Der Flop: die Filme
2007 kam „Die drei ??? – Das Geheimnis der Geisterinsel“ ins Kino, gefolgt 2009 von „Die drei ??? – Das verfluchte Schloss“. Produziert wurden die Filme von Studio Hamburg mit internationaler Besetzung und Gastauftritten der Hörspielsprecher. Nicht nur bei Kritikern, sondern auch an den Kassen hielt sich der Zuspruch verglichen zum Beispiel mit den „Bibi & Tina“-Filmen in Grenzen. Auf einen ursprünglich geplanten dritten Teil wartet man bis heute.
Ableger & „Konkurrenz“
Seit 1999 (Bücher) bzw. 2009 (Hörspiele) erzählt die Reihe „Die drei ??? Kids“ Abenteuer der drei Detektive in jüngeren Jahren für ein entsprechendes Zielpublikum. In der Hauptserie sind „Die drei ???“ um die 16 Jahre alt, im Ableger sechs Jahre jünger. Seit 2006 gibt es auch als Buch, Hörspiel und Kinofilm „Die drei !!! – Detektivgeschichten für clevere Mädchen“ mit drei deutschen Jungdetektivinnen. Hier lösen Kim, Franziska und Marie Fälle wie „Mission Pferdeshow“, „Hochzeitsfieber!“, „Das geheime Parfüm“ oder „Legende der Einhörner“ – aber erst nach dem Shoppen. Die 50er haben angerufen und wollen ihre Geschlechterklischees zurück, wobei auch „TKKG“ früher schon geradezu reaktionär war. Mehr drauf hatte „Bibi Blocksberg“, bis sie zum „Bibi & Tina“-Pferdemädchen wurde. Enid Blytons 1942 erdachte „Fünf Freunde“ sind eine weitere Legende als Buch, TV-Serie und Europa-Hörspiel (Folge 134 erscheint im November), aber auch hier ist das Mädchen Anne in der Gruppe die Vernünftige, die Abenteuer hasst. Es gibt übrigens auch erwachsene „Fünf Freunde“-Abenteuer: „Fünf Freunde essen glutenfrei“, „Fünf Freunde werden Helikoptereltern“ und „Fünf Freunde machen Schluss mit Alkohol“. Aber „Die drei ???“ waren und sind der Platzhirsch mit über 40 Prozent Anteil am deutschen Hörspielmarkt. Und bei fast allen Produktionen haben Europa und Produzentin Heikedine Körting die Fäden in der Hand. Wer wissen möchte, was es noch gibt, kann immer im September die Hörspielmesse „Hörmich“ in Hannover besuchen. Das Hamburger Pendant „Die Hörspiel“ wurde 2010 nach drei Versuchen eingestellt.
Erfolg für die Ewigkeit
Justus, Peter und Bob werden einfach nicht älter. Drei Generationen lesen, hören und erleben bereits „Die drei ???“, reichen die berühmte Visitenkarte mit ihren Kassetten, CDs, Schallplatten, Büchern und Streaming-Benutzerdaten an die Nachfolgenden weiter. Die im Vergleich mit „Fünf Freunde“ oder „TKKG“ deutlich düstereren und daher spannenderen Geschichten sind für Kinder ein prickelnder Thriller und bleiben auch für Erwachsene interessant – ein hervorragend vermarktbarer (Retro)-Kult, der sich ähnlich wie der „Tatort“ irgendwann verselbstständigt hat. Wie bewährt und doch zeitlos die Idee „Junge Menschen lösen neben ihrem ganz normalen Alltag düstere, geheimnisvolle Rätsel“ bleibt, sah man zuletzt beim riesigen Erfolg der Netflix-Serie „Stranger Things“.