Hamburg. Der gefragte Musical-Darsteller feiert in „Pretty Woman“ am 29. September im Stage Theater an der Elbe gleich doppelt Premiere.

Die Welt des Musicals ist groß, vielfältig und dreht sich immer schneller. Nicht nur in den Metropolen New York, London und – mit Verlaub – Hamburg. Da kann es durchaus mal sein, dass in Zeiten der Globalisierung China dazu- und dazwischenkommt, mit 1,4 Milliarden Menschen auch auf diesem Sektor der mutmaßlich größte Markt der Erde. Und während Klima-Banausen mal eben für ein verlängertes Wochenende zum Shoppen in den „Big Apple“ oder an die Themse jetten, hat es Mark Seibert dieser Tage von Hamburg zu einem Kurz-Trip nach Shanghai verschlagen. Dienstlich versteht sich, zum Singen. Dort absolviert er unter dem Titel „Music Of Kunze & Levay In Concert“ so nebenbei sechs Shows an vier Tagen.

Dabei soll Seibert doch Hamburgs Richard Gere werden. Im Stage Theater an der Elbe feiert er am 29. September in der Rolle des Geschäftsmannes Edward Lewis mit „Pretty Woman“ Europa-Premiere. Das Musical, das auf dem Kino-Welterfolg von 1990 mit Gere und Julia Roberts als der Prostituierten Vivian fußt, spielt seit einem Jahr am New Yorker Broadway. Für Seibert ist die deutsche Version gleichzeitig sein Hamburg-Debüt – erst jetzt, im Herbst 2019.

2017 war Seibert „Beliebtester Musicaldarsteller“

Erstaunlich und zugleich nachvollziehbar, denn Mark Seibert ist einer der gefragtesten und populärsten Darsteller im Musical-Geschäft des gesamten deutschsprachigen Raumes. Und manchmal eben auch darüber hinaus – siehe Shanghai. In Hamburgs Partnerstadt hatte Seibert bereits einmal gastiert, auf Tournee als der Tod in „Elisabeth“. Nur eine von fast 20 verschiedenen Rollen, die Seibert in den vergangenen gut 15 Jahren ausgefüllt hat. Bei der Publikumswahl zum „Beliebtesten Musicaldarsteller“ landete Seibert seit 2015 immer unter den ersten drei, gewann sie 2017, nachdem er im Jahr zuvor den österreichischen Musiktheaterpreis für die Darstellung des Colloredo in „Mozart“ erhalten hatte.

Was womöglich auch daran liegt, dass der gebürtige Frankfurter seit Jahren in Wien – als Musical-Stadt gewiss auch eine europäische Größe – wohnt und arbeitet. Am dortigen Raimund Theater hatte Seibert schon 2004 in „Barbarella“ sein erstes längerfristiges Engagement. Doch ganz so linear, wie man denken könnte, verlief seine Karriere anfangs nicht.

Fortbildung bei Lee Strasberg in New York

Zwar hatte er bereits zu Schulzeiten Tanzunterricht. Danach studierte Seibert am Bankenplatz Frankfurt am Main zunächst Betriebswirtschaftslehre, wechselte aber alsbald an die Universität für Musik und Darstellende Künste, brach auch dieses Studium ab, ehe er nach vier Jahren am Konservatorium der Stadt Wien seinen Abschluss mit Auszeichnung machte und nebenbei noch ein Fernstudium in BWL beendete. Zwischendurch bildete er sich am Lee Strasberg Theatre Institute New York schauspielerisch fort.

Seit Mitte August nun übt Mark Seibert – wenn er nicht gerade auf Asien-Abstecher ist – im Stage Theater an der Elbe für „Pretty Woman“. Text, Mimik, Gestik, Tanzschritte und die Lieder. Ein straffes Pensum, das er hier mit seinen 28 Darsteller-Kollegen zu meistern hat. Und doch wirkt Seibert in Probenpausen inmitten des Trubels sehr entspannt. Ein Musical-Profi. „Ich bin genauso alt wie Richard Gere, als er den Film gedreht hat“, sagt der 40-Jährige mit einem gewinnenden, fast schelmischen Lächeln. Knapp 1,90 Meter groß, schlank, blond, grüne Augen, Stimmlage Tenor – da kann die Pretty Woman kommen.

Seiberts vierte Arbeit mit Patricia Meeden

Dass diese von Patricia Meeden (33) gespielt wird, erleichtert Seibert die Arbeit. Die gebürtige Berlinerin, eine echte Frohnatur, unterschrieb wie Seibert im März den Vertrag mit Stage Entertainment für die Hauptrolle. „Als ich die Rollenausschreibung für Vivian gesehen habe, habe ich gleich gedacht, das muss Patrica machen“, verteilt er auch abseits der Bühne Komplimente. Die beiden arbeiten bereits zum vierten Mal in einer Musical-Produktion zusammen, seit sie 2006 erstmals mit Elton Johns und Tim Rices ­„Aida“ tourten.

Mit Meeden wird er sich im 1850-Plätze-Theater in der großen Schaukastenbühne zwischen Hollywood Boulevard und Penthouse bewegen. Die Rolle Richard Geres zu übernehmen sieht Seibert indes nicht als Bürde – im Gegenteil: „Es beflügelt.“ Den Liebesfilm, in dem Julia Roberts und Richard Gere Anfang der 90er populär wurden, habe er damals natürlich gesehen. „Ich konnte die Dialoge fast mitsprechen“, erinnert sich Seibert schmunzelnd. Das Stück orientiere sich an der Filmfassung, räumt er ein.

Rockstar Bryan Adamas komponierte 22 neue Songs

Im Vorfeld habe er es sich jedoch selbst verboten, den Film noch mal zu gucken. Er will keine Gere-Kopie sein. Die Unterschiede zwischen Kino und Musical hat Seibert bei den Proben ausgemacht: „Wir sind auf der Bühne, wir sind live, wir haben keine Schnitte.“ Dazu kommen die neuen Lieder, durchweg auf Deutsch.

Komponiert haben die 22 Songs der kanadische Musiker Bryan Adams und Kollege Jim Vallance. Sie changieren zwischen Rock und Pop, auch mit Balladen und Duetten. Bei „Du und ich“ und beim gemeinsamen Opernbesuch („La Traviata“) des ungleichen Paares fängt’s an zu knistern.

„Tanz der Vampire“ gab Seibert auch in St. Petersburg

Dass Seibert sowohl das Romantische als auch das Rockige liegt, hatte er als Galileo im Queen-Musical „We Will Rock You“ in Berlin und Stuttgart gezeigt. Dort sowie danach in Wien und St. Petersburg glänzte er auch als Graf von Krolock in „Tanz der Vampire“. „Nach Hamburg bin ich wegen des tollen Angebots in ,Pretty Woman’ gekommen“, sagt Seibert, der die Stadt zuvor nur mal für ein Wochenende besucht hatte.

Vermutlich locken er und „Pretty Woman“ bald die eine oder den anderen für zwei Tage an die Elbe. Musikalische Referenzen hat der auch als Konzertsänger tätige Seibert ja reichlich.