Hamburg. Lesen und lesen lassen am Schwanenwik: Das Literaturhaus feierte seinen Geburtstag mit prominenten Gästen und einer Auktion.
Über die Qualität der neu installierten Klimaanlage gingen die Meinungen an diesem sonst meist einhelligen Abend durchaus auseinander. Und selbst wenn die bisweilen berühmt stickige Luft im Festsaal des Literaturhaus immer noch nicht auffrischbar sein sollte, ist das doch eh alles relativ. Denn zumindest ideell hat es dem Literaturhaus nie an sauerstoffhaltiger Luft, gar am Wind gefehlt, den Bücher zu machen imstande sind. Seit 30 Jahren wird in der Stadtvilla am Schwanenwik Literatur inszeniert, um genau zu sein: seit dem 12. September 1989.
Das Jubiläum wurde mit einer kleinen Feier begangen, auf der die auf ebendiesen Feiern unerlässlichen Grußworte entrichtet wurden. Und wenn nicht alles täuschte, waren jene Grußworte diesmal besonders launig. Michael Göring, der Chef der „Zeit“-Stiftung, der das Gebäude an der Außenalster gehört, betonte etwa, dass der neue Lift – „Er braucht tatsächlich genau 75 Sekunden für nur drei Stockwerke, wir tun damit das, was wir am besten können, wir stiften Zeit“ – seinen Sinn in jederlei Hinsicht erfülle.
Räume für das Nachdenken schaffen, das ist eine der ureigentlichen Aufgaben der literarischen Renommier-Einrichtung. Sie hat eine gesellschaftliche Funktion, sie ist der Ort für auch politische Interventionen. Und wer wollte, so sagte es Kultursenator Carsten Brosda (SPD), konnte mit einem Besuch des Literaturhauses „immer auch schlauer werden“. Brosda erinnerte an die vielen namhaften Autoren, die zu Gast waren und an den kürzlich verstorbenen Publizisten Michael Jürgs, der viele Jahre im Vorstand des Literaturhaus-Vereins war.
Auktion von Fotos aus 30 Jahren Literaturhaus
Für letzteren sprach die Vorsitzende Konstanze Görres-Ohde. Sie erwähnte die „vielen Väter und Mütter“ des Literaturhauses, das ja einst in der Tat in einer personell und zeitlich nicht mehr exakt auseinander zu dividierenden Gemeinschaftsaktion entstand. Oder, wie Brosda sagte, „in einer typischen Hamburger Melange“ gegründet wurde – „mit ein paar Leuten aus der Kultur, ein paar aus dem Bürgertum und dann noch ein paar aus der Politik“.
Die ehemalige Literaturhaus-Leiterin Ursula Müller, die von 1992 bis 2005 am Schwanenwik wirkte, war zur Feier gekommen und durfte wie alle anderen die im Hintergrund über die Leinwand wandernden Fotos aus drei Jahrzehnten bewundern. Was das angeht: Eine Versteigerung der visuellen Beweise, dass Jonathan Franzen, Peter Rühmkorf und Günter Grass nicht nur Behauptungen des Text-Archivs sind und tatsächlich dort zu Gast waren, brachte der Literaturhaus-Kasse einige Extra-Euro.
Bevor es zur Auktion mit angeschlossenem lockerem Beisammensein mit DJ-Set kam, lud der seit anderthalb Jahrzehnten amtierende aktuelle Literaturhaus-Chef Rainer Moritz (Görres-Ohde: „Er gab dem Haus einen Kick“) zur hochtourigen 45-Minuten-Diskussion. In der sprachen der Journalist Georg Mascolo, der Literaturkritiker und Präsident der Freien Akademie der Künste Ulrich Greiner und die Autorin Ines Geipel über das, was gesellschaftlich seit 1989 prägend war – und kamen dabei frei flottierend vom Epochenwandel zur Tagespolitik, vom Internet zur AfD und von Boris Becker zu Angela Merkel.
Maximalgrundsätzlich ist das der Horizont, vor dem sich drei Jahrzehnte Literaturhaus abspielten. Der Festsaal heißt künftig, wie jetzt auch eine Plakette verrät, übrigens Eddy-Lübbert-Saal, nach dem Bremerhavener Mäzen, der die Einrichtung großzügig unterstützte. Zur Geschichte des Literaturhauses, in dieser Stadt der Pfeffersäcke, zählen prominent auch die, denen die Literatur tatsächlich auch materiell etwas wert war.