Hamburg. Immer mehr Künstler wie Bob Dylan schließen sich dem Verbots-Trend an und setzen dabei auch auf ungewöhnliche Maßnahmen.
Bei der Sicherheitskontrolle am Eingang der Barclaycard Arena die ersten irritierten Blicke: Für das Konzert von Bob Dylan gelte ein absolutes Handy-Verbot, heißt es auf einem Hinweisschild. Wer dies auf dem Weg zu seinem Sitzplatz, der an diesem Abend komplett bestuhlten Halle wieder vergessen haben sollte, wird von einer lauten Saaldurchsage kurz vor Konzertbeginn erneut erinnert: Keine Fotos, keine Videos!
Hier und da ungläubiges tuscheln, den einen oder anderen juckt es dennoch in den Fingern – einmal kurz das Smartphone zücken, merkt schon keiner. Doch sofort eilen Ordner herbei und leuchten die Regelbrecher mit der Taschenlampe an.
Ein ganzes Konzert von Bob Dylan – ohne Handys
Und dann betritt er, der bei seinem Auftritt keinerlei Fotos oder Videos gestattet, fast nebenbei die Bühne: Bob Dylan. Bei gedimmtem Arenalicht, ganz ohne Spezialeffekte oder Leinwände, lauschen die rund 7000 Besucher andächtig ihrem Idol. Die Handys? Bleiben in der Tasche. Was für ein Genuss! Und vor allem was für ein ungewohntes Bild, das sich an diesem Abend bietet.
Ein komplettes Konzert, bei dem der Blick nicht ein einziges Mal durch das sich emporreckende Smartphone-Display eines anderen Besuchers gestört wird. Nur ganz zum Schluss, bei der Zugabe, wagen sich ein paar Fans aus der Deckung. Sanktionen gibt es so kurz vor Ende jedoch keine mehr.
Doch wie lassen sich die von vielen Konzertbesuchern ersehnten Handy-Verbote – laut einer Umfrage des Ticketportals Eventbrite sind 40 Prozent dafür – überhaupt durchsetzen? „Bei Künstlern wie Bob Dylan ist es bekannt, dass nicht fotografiert werden darf, dementsprechend halten sich alle daran“, sagt Frehn Hawel, Sprecher des Konzertveranstalters Karsten Jahnke.
Handy-Verbot ist schwierig zu kontrollieren
„Grundsätzlich ist es aber extrem schwer, das zu kontrollieren.“ Denn: Bis sich das Sicherheitspersonal zu den Heimlichfilmern im Publikum durchgearbeitet hat, kann es ganz schön lange dauern.
Dabei ist Bob Dylan längst nicht der einzige Musiker, der bei seinen Konzerten auf ein Film- und Fotografierverbot pocht. Immer mehr Künstler sind von der Dauerhandynutzung während ihrer Auftritte genervt. So ist auch die britische Progressive-Rock-Gruppe King Crimson für ihr striktes Smartphone-Verbot bekannt. „Welcome to the show – Please refrain from taking any pictures – or you may be asked to leave“, stand bei ihrem jüngsten Auftritt in Berlin auf einer großen auf der Bühne platzierten Staffelei. Bitte keine Fotos – wer sich nicht daran hält, muss gehen. An diesem Abend blieb es jedoch bei Verwarnungen.
Mehr als 60 Besucher aus der Halle geworfen
Die US-Rockband A Perfect Circle hat bei einem ihrer Auftritte hingegen ernst gemacht und ließ mehr als 60 Besucher, die sich über das zuvor kommunizierte Foto-Verbot hinweggesetzt hatten, aus der Halle weisen.
Verwarnungen bis hin zum Rausschmiss sind also mögliche Sanktionen. Es geht aber auch anders. So macht der ehemalige White-Stripes-Frontmann Jack White bei seinen Shows mittlerweile von einer Erfindung des amerikanischen Start-ups Yondr Gebrauch.
Das Unternehmen hat verschließbare Handyhüllen entwickelt – ein denkbar einfaches Prinzip. Beim Einlass bekommt jeder Konzert-Besucher eine Neopren-Hülle, in die das Smartphone eingeschlossen wird. Innerhalb der Veranstaltungshalle lässt sich das Schloss dann nicht mehr ohne weiteres öffnen.
Nur in gesonderten Bereichen außerhalb des Konzertareals kann es an sogenannten Unlocking-Stations entsperrt werden – das ähnelt der Diebstahlsicherung einzelner Artikel zum Beispiel in Bekleidungsgeschäften.
Handys in Neopren-Hüllen eingeschlossen
„Phone-free show“ lautet das Motto der Künstler, die davon Gebrauch machen. Damit Besucher sich rechtzeitig darauf einstellen können, ist ein Hinweis darauf bereits in den Konzert-Ankündigungen im Vorfeld zu lesen.
„Ziel ist es, sich für eine begrenzte Zeit von all seinen technischen Spielzeugen zu trennen und Musik im ursprünglichen Sinne persönlich zu erleben“, hieß es etwa in der Facebook-Ankündigung der Berliner Verti Music Hall für ein Jack-White-Konzert.
Auch bei Konzerten von Guns N’ Roses und Alicia Keys mussten Besucher ihr Handy bereits in Yondr-Taschen stecken. Beim Konzertveranstalter Karsten Jahnke wurde damit noch nicht gearbeitet: „Das wäre ein erheblicher Mehraufwand“, sagt Sprecher Frehn Hawel.
Manche Künstler würden jedoch vor Konzertbeginn Ansagen abspielen lassen, in denen darum gebeten wird, nicht die gesamte Zeit zu filmen oder es gleich ganz sein zu lassen. „Wir appellieren damit an die Vernunft der Besucher und setzen darauf, dass das Publikum sich gegenseitig reguliert“, sagt Hawel und fügt hinzu: „Das Gros der Leute hält sich daran.“
Wird junges Publikum durch Handy-Verbot vergrauelt?
Vor allem für junge oder unbekannte Künstler erscheint es hingegen gar nicht sinnvoll, auf strikte Handy-Verbote zu pochen. Zum einen verdanken viele ihre Popularität den unzähligen Postings in Sozialen Netzwerken, zum anderen würden sie dadurch Gefahr laufen, ihr meist junges, mit Smartphones sozialisiertes Publikum, zu vergraulen. „Und warum sollte man etwas verbieten, das einen groß gemacht hat?“, gibt Frehn Hawel zu Bedenken.
Es muss ja auch nicht gleich ein ganzes Konzert ohne Handy sein. Manchmal reicht es schon, wenn die Fans von Künstlern darum gebeten werden, wenigstens für die Dauer eines einzigen Songs ihre Telefone beiseite zu legen, so wie es die britische Sängerin Florence Welch mit ihrer Band The Machine bei ihrem Auftritt in der Barclaycard Arena im vergangenen März praktiziert hat. „It feels strange, but we are going to share an experience“ – eine gemeinsame Erfahrung, die sich zunächst ungewohnt, anfühlen mag, aber umso lohnenswerter ist.
Und was machen Konzertbesucher, denen die Handy-Nutzung während des Auftritts untersagt war, auf dem Weg nach Hause? Über das gerade Erlebte reden, statt schweigend die verwackelten Mitschnitte anzugucken – auch ein positiver Effekt.