Hamburg. Serien-Teil 2: Macht Kreativität Pause? Tulga Beyerle, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe, erzählt von ihren Plänen.

Es ist mein erster Sommer als Direktorin in Hamburg. Ich weiß also gar nicht, wie die Hamburger diese Jahreszeit verbringen. Aber ich merke, dass nicht nur im Museum, sondern in der ganzen Stadt das Tempo rausgenommen wird. Die Termine werden weniger, alles läuft etwas langsamer, man kann loslassen. Das gibt mir in erster Linie die Möglichkeit, in Ruhe nachzudenken. Das war in den vergangenen Monaten kaum möglich. Wir sind gerade sehr intensiv am Arbeiten, haben im Stakkato Ausstellungen eröffnet. Jeder hier im Haus kann eine Pause davon gebrauchen. Im Juli werden noch die letzten Förderanträge auf den Weg gebracht, das ist noch einmal eine anstrengende Zeit, aber danach kann man auch wirklich abschließen.

Leider habe ich es bisher noch nicht geschafft, die weitere Umgebung zu erkunden. Ich war noch nicht an der Ostsee oder Nordsee, und ich habe mir auch noch keines der vielen schönen Schlösser wie etwa Ludwigslust angesehen. Mich allein zu einem Ausflug aufzuraffen fällt mir schwer, obwohl ich ansonsten gern allein bin. Wenn ich an den Sommer denke, dann glaube ich nicht, dass ich so riesige Aktivitäten in der Umgebung veranstalten, sondern mich eher auf die Stadt konzentrieren werde. Ich freue mich darauf, am Abend etwas früher das Museum verlassen zu können, um an die Elbe zu fahren oder mir einen schönen Platz an der Außenalster zu suchen.

Überhaupt die Alster! Morgens und abends dort mit dem Fahrrad zu fahren ist wie ein kleiner Urlaub für mich. Das Radeln und das damit verbundene Gefühl von Freiheit habe ich erst hier für mich entdeckt. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Stadt aufblüht, wie grün sie ist. Ich bekomme auch Lust, mal wieder segeln zu gehen. Durch den leichten Wind und die Kühle hat man mehr Lust, etwas zu unternehmen, aktiv zu sein. In meiner Heimatstadt Wien ist es dafür oft zu heiß (obwohl ich die Hitze sehr mag).

Tulga Beyerle verbringt ihren Urlaub zu Hause in Österreich

Wenn mich Leute am Anfang gefragt haben, ob ich angekommen sei, habe ich diese Frage zunächst gar nicht verstanden. Ich weiß, wo der Altglascontainer steht – ist das angekommen? Nein, es ist vielmehr ein Gefühl: hier zu sein und sich nicht per se fremd zu fühlen. Leute wiederzuerkennen, denen man morgens im Bus begegnet. Auf dem Weg zur Arbeit mit den Hamburgern im gleichen Tempo zu fahren, ohne abgedrängt zu werden, ist für mich ein Zeichen, dass ich wirklich angekommen bin in dieser Stadt. Freundschaften wie in Dresden, für fünf Jahre ja auch meine Heimat, habe ich zwar noch nicht geknüpft, aber ich fühle mich hier sehr willkommen.

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© Frank Hasse

Am meisten freue ich mich auf zu Hause in Österreich. Dort werde ich meinen Urlaub verbringen, zunächst in Wien und danach im südlichen Burgenland, wo ich mir gerade ein Ferienhaus gekauft habe. Ich mag diese Gegend so gerne, weil sie überhaupt nicht touristisch ist. Sie ist nicht so spektakulär wie Südtirol oder die Steiermark, aber nicht minder schön und umso ruhiger, die Menschen sind angenehm. Einige Freunde haben dort Häuser, man trifft sich, es ist unkompliziert. Die meiste Zeit werde ich also damit verbringen, das Haus herzurichten.

Vielleicht werde ich ein paar Konzerte bei den Salzburger Festspielen besuchen oder einen Kultur-Trip ins benachbarte Slowenien machen. Ljubljana ist immer eine Reise wert, und in Maribor war ich noch nie. Von meinem Haus ist es nicht weit bis nach Triest, auch ein wunderschöner Ort. Natürlich würden mich auch Ausstellungen reizen: Gerade hat mir eine Freundin von der neuen Dauerausstellung im Seattle Art Museum erzählt. Dafür hätte ich gerne eine Zeitmaschine.

Beyerle möchte im Urlaub eine Distanz zum Alltag haben

Urlaub bedeutet für mich nicht, unbedingt möglichst weit wegzureisen, vielmehr: Distanz zum Alltag bekommen, Dinge tun, die nichts mit dem Museum zu tun haben, den Tag ungeplant auf sich zukommen lassen. Sich ein Sommerkleid überwerfen, barfuß in den Garten gehen, mit einer Tasse Tee im Liegestuhl liegen und viele gute Bücher lesen. Als mein Sohn noch kleiner war, haben wir oft für den Urlaub ein Haus mit Freunden gemietet. Im Grunde bestand der Tag darin aufzustehen, zu frühstücken und ans Meer zu gehen. Kein großartiges Programm, nur ab und zu ein Spaziergang oder ein Abendessen. Punkt.

Auch in meiner Kindheit haben wir die Ferien meist nur an einem Ort verbracht: Mein Vater war als Musiker viel unterwegs, und so ist meine Mutter mit uns entweder zu Verwandten an den Bodensee oder zu Freunden ins Salzkammergut gefahren. Das Schöne am Kindheitssommer war doch, dass man zu Beginn der acht Wochen dachte, dass diese Zeit nie zu Ende geht. Sich treiben zu lassen ist die hohe Kunst der Erholung; dafür brauche ich mindestens drei Wochen Zeit, das hat mich die Erfahrung gelehrt. Zum Glück weiß ich das Museum gut aufgestellt, sodass ich im August ruhigen Gewissens fort sein kann.

Danach hoffe ich auf einen schönen Altweibersommer für unsere geplante Aktion „Vorne ist hinten“: Im September wollen wir zu den Gleisen hin eine kleine Außenfläche bespielen, die Ideen reichen vom Laufsteg über ein Boulefeld bis zur Milonga-Tanzfläche. Damit wollen wir das Haus öffnen, es durchlässiger machen. Und vielleicht die Sommerzeit ein bisschen verlängern.

  • Tulga Beyerle wurde 1964 in Wien geboren. Nach einer Tischlerlehre studierte sie Industriedesign und unterrichtete anschließend sieben Jahre lang an der Wiener Universität für angewandte Kunst.
  • 2006 gründete sie die Vienna Design Week und war bis 2013 eine ihrer Leiterinnen. Als selbstständige Kuratorin arbeitete sie in Wien und Glasgow.
  • Von 2014 bis 2018 war Tulga Beyerle Direktorin des Kunstgewerbemuseums Dresden, Schloss Pillnitz, und zugleich Mitglied der Geschäftsführung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Zum 1. Dezember 2018 wechselte sie nach Hamburg und übernahm die künstlerische und wissenschaftliche Leitung des Museums für Kunst und Gewerbe. Tulga Beyerle trat damit die Nachfolge von Sabine Schulze an, die das MKG mehr als zehn Jahre lang geleitet hatte.