Hamburg. Teil 1: Machen Künstler Ferien? Bestsellerautorin Isabel Bogdan vom Schreiben auf Helgoland, Lesen an Bord und Kollegen am See.

Die Hitze macht mir gar nichts, ich bin ein absoluter Sommermensch. Man wird zwar ein bisschen weich in der Birne und alles wird langsamer, aber ich finde das herrlich! Letztes Jahr war ich noch im Oktober enttäuscht, dass der Sommer zu Ende war ...

In meiner Kindheit sind wir im Sommer immer verreist. Wir waren vier Kinder, meine Mutter war Französischlehrerin, also sind wir immer alle mit dem Zelt nach Frankreich gefahren. Heute fahre ich auch gern zum Schreiben weg. Zwei- oder dreimal war ich mit zwei befreundeten Autorinnen für eine Woche an der Ostsee, wir schreiben da wirklich den ganzen Tag. Ich mag das, wenn neben mir noch jemand sitzt und auch mit der Tastatur klappert.

Auf Helgoland bin ich auch regelmäßig, aber meistens allein. Helgoland ist ideal, man dreht einmal am Tag eine Runde ums Oberland - ansonsten ist da nix. Man kann nicht ausgehen oder so. Also setze ich mich hin und schreibe und gucke aufs Meer. Schön ist das. „Mein“ Hotel auf Helgoland ist ein Literaturhotel, in dem die Zimmer nach Autorinnen und Autoren benannt sind, die eine Verbindung zu der Insel haben. Es gibt ein James-Krüss-Zimmer, ein Franz-Kafka-Zimmer und tatsächlich auch ein Isabel-Bogdan-Zimmer. Mit Meerblick!

Schreibcamp an der Mecklenburgischen Seenplatte

Letztes Jahr sind wir mit ein paar Autoren das erste Mal in ein Schreibcamp gefahren, das werden wir in diesem Sommer wieder tun. Meine Freundin, die Krimiautorin Simone Buchholz, hatte eine Mail an acht oder zehn befreundete Kollegen geschrieben: Wollen wir uns nicht mal zusammen ein schönes Häuschen mieten und ein paar Tage nur übers Schreiben reden? Wir sitzen ja sonst immer allein an unseren Schreibtischen, aber wenn man mal übers Schreiben spricht, ist es immer gewinnbringend und inspirierend und motivierend. Es hat kaum zwei Wochen gedauert, da hatten wir zehn Leute beisammen und diesen fantastisch renovierten Gutshof an der Mecklenburgischen Seenplatte gemietet.

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© Frank Hasse

Wir haben uns am ersten Abend zusammen gesetzt, wie so richtige Erwachsene, und Post-Its an die Küchenwand gehängt: Wer hat welchen Bedarf, wer will über was reden, was sind unsere Themen. Und dann haben wir über alles Mögliche gesprochen: Dialogeschreiben, Verträge, Scheitern, Sex und Gewalt. Es waren viele Krimiautorinnen dabei.

Eine von ihnen, Romy Fölck, wusste schon, dass in ihrem nächsten Roman ein Boxer vorkommt, und Eric Niemann hat seine Handschuhe mitgebracht, um ihr ein bisschen was zu zeigen. Also haben wir einen Nachmittag auf der Terrasse geboxt. Zwischendurch hat jeder für sich gearbeitet, ist mal in den See gesprungen, abends haben wir gekocht, furchtbar viel gekichert und tatsächlich Flaschendrehen gespielt.

Frank Spilker macht morgens Rührei für alle

Es ist fantastisch, mit Leuten zu reden, die das gleiche machen, und die alle da sind, weil sie Lust drauf haben. Es hat kein Verlag bezahlt, niemand musste irgendetwas. Morgens hat Frank Spilker Rührei für alle gemacht, mit Kräutern aus dem Garten, und Till Raether hatte ein Boot dabei. Es war fast ein bisschen kitschig. Wir sind ganz beglückt nach Hause gefahren und haben sofort für dieses Jahr wieder gebucht, diesmal fahren wir in leicht veränderter Besetzung, weil nicht alle konnten. Ich freue mich wahnsinnig darauf, auch weil ich gerade gestern die letzte Korrekturfahne an den Verlag zurückgeschickt habe – jetzt bin ich endlich wirklich fertig mit meinem neuen Roman, im September erscheint er.

Und ich hab da schon eine lose Idee für das nächste Buch. Die ist noch sehr klein, aber vielleicht wächst sie ja im Schreibcamp. Mir hilft es einfach total, mit Leuten darüber zu sprechen. Weil ich oft selbst gar nicht merke, was wirklich eine Idee ist. Die Idee, die ich jetzt habe, ist aus etwas ganz Kleinem entstanden, das ich mal geschrieben habe, und jemand sagte zu mir: Das ist doch ein Buch! Und ich dachte: Oh! Stimmt. Es gibt diesen Aufsatz von Kleist über „Die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“, und genau so geht es mir auch: Man kriegt die Gedanken am besten fertig, wenn man gezwungen ist, sie zu formulieren.

Ein Sommerloch kenne ich eigentlich nicht. Im Gegenteil: Mein Mann ist Lehrer, das heißt, wir sind an die Schulferien gebunden, daher habe ich immer versucht, mir in den großen Ferien ein Sommerloch zu schaffen. Dieses Jahr fahren wir nach Ligurien. Oft genug muss ich dann doch ein bisschen Arbeit mit den Urlaub nehmen, aber das ist nicht schlimm. Ich arbeite dort oft konzentrierter und schaffe in zwei Stunden wirklich was weg, während ich im Alltag viel im Internet herumlungere und prokrastiniere.

Auf der MS Europa liest Bogdan aus der „Der Pfau“

Danach gehe ich auf Kreuzfahrt, mit der MS Europa um Großbritannien herum, als Teil des Bordprogramms. Ich bin das Entertainment! Ich bin zwölf Tage unterwegs und lese einmal aus meinem Roman „Der Pfau“, der in Schottland spielt, und einmal aus Jane Gardams Romanen, die ich übersetzt habe. Den Rest der Zeit kreuzfahre ich.

Seit dem „Pfau“ hat sich in meinem Arbeitsalltag vieles verändert. Zwanzig Jahre lang habe ich zu Hause einfach so vor mich hin übersetzt, größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dann ist der „Pfau“ durch die Decke gegangen, ich hatte wahnsinnig viele Lesungen und plötzlich ein Publikum. Das ist toll. Weil ich eigentlich gar nicht für so einen einsamen Job geeignet bin, ich habe viel zu gern Leute um mich herum. Als ich so viel auf Lesereise war, hatte ich lange das Gefühl, ich komme überhaupt nicht mehr zum Arbeiten vor lauter Lesereise – bis ich kapiert habe: Das ist jetzt meine Arbeit! Ich muss gar nicht immer nur Text produzieren, ich muss nicht, wenn ich im Zug zwischen zwei Lesungen sitze, da auch noch übersetzen.

Es ist allerdings auch anstrengend, jeden Tag unterwegs zu sein, jede Nacht in einem anderen Bett, und es sind auch nicht immer hübsche Hotels, in denen man untergebracht ist. Bei der Lesung ist man dann wie angeknipst, macht seine Show, und dann kommt man zurück in ein mehr oder weniger trostloses Hotelzimmer, hat mit ein bisschen Pech vergessen, sich was zu trinken zu kaufen und sitzt da mit einem Glas Leitungswasser. Am nächsten Morgen klappt man den Koffer wieder zu und fährt in die nächste Kleinstadt.

Neuer Roman ist schnell und atemlos

Grundsätzlich kann ich bei Übersetzungen besser planen, wie lange ich brauche, als beim Schreiben eines Romans. Beim Schreiben ist die emotionale Beteiligung viel höher und die Angst viel größer, da verbringe ich auch viel Zeit damit, mich zu fürchten. Ich habe eine tief sitzende Überzeugung, dass mir sowieso nichts einfällt und dass ich nichts kann und dass es niemand lesen will. Das volle Programm!

Beim ersten Buch war ich noch irgendwie unschuldiger, da hat niemand etwas von mir erwartet. Das ist jetzt natürlich anders, wenn seit Jahren jede Buchhändlerin fragt: Wann kommt denn etwas Neues? Jetzt sind da also Erwartungen, die ich inhaltlich schon mal überhaupt nicht erfülle, weil das zweite Buch so krass anders ist als das erste. Für mich war aber von Anfang an klar, dass ich mich nicht in eine bestimmte Schublade begeben möchte. Als Übersetzerin war ich anfangs in der Schublade mit den „Lustigen Frauenromanen“, da hatte ich irgendwann überhaupt keine Lust mehr drauf, aber es war nicht so einfach, da herauszukommen.

Beim Schreiben war für mich von Anfang an klar, dass ich etwas Neues ausprobieren will, jetzt bin ich gespannt, was passiert. „Laufen“, so heißt mein neues Buch, ist ein 200 Seiten langer innerer Monolog einer Frau beim Laufen, die eine schwere Erfahrung zu verarbeiten hat. „Der Pfau“ war eine Komödie, „Laufen“ so gar nicht. Der Roman ist schnell, atemlos, hat viele Kommas, wenig Punkte. Ich mag den Sound sehr, diesen Lauf-Ton, diesen Rhythmus.

Jetzt ist das Manuskript also abgegeben. Und ich bin in Gedanken schon im Schreibcamp am See. Der Plan für dort ist: Ein bisschen über einen neuen Roman nachdenken. Ein bisschen übersetzen. Und ansonsten viel essen, viel baden, viel schlafen. Und loslassen.

  • Isabel Bogdan, Jahrgang 1968, ist Übersetzerin, Schriftstellerin, und Bloggerin (isabelbogdan.de).
  • Ihren literarischen Durchbruch hatte sie 2016 mit der in Schottland spielenden Komödie „Der Pfau“ (Kiepenheuer & Witsch, 256 Seiten, 18,99 Euro). Ihr Roman- debüt stand wochenlang in den Bestsellerlisten.
  • Bei Rowohlt war zuvor bereits „Sachen machen. Was ich immer schon tun wollte“ erschienen, zudem ist Bogdan eine gut beschäftigte Literaturübersetzerin, die unter anderem Werke von Jonathan Safran Foer, Megan Abbott, Sophie Kinsella und der Bestsellerautorin Jane Gardam aus dem Englischen ins Deutsche übertrug.
  • Sie studierte Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokio und erhielt sowohl den Hamburger Förderpreis für Literatur (2011) als auch für Übersetzung (2006).
  • Mitte September erscheint ihr neuer Roman „Laufen“ bei Kiepenheuer & Witsch (224 Seiten, 20 Euro), den die Autorin im Herbst im Literaturhaus vorstellen wird. Isabel Bogdan lebt mit ihrem Mann in Hamburg-Hohenfelde.