Hamburg. Beim vorletzten Konzert bat die Pianistin mit Familie und Freunden zu Klaviermusik von Brahms und Mendelssohn – und erntete viel Jubel.

Große alte Gebäude eignen sich in diesen heißen Tagen hervorragend als Zufluchtsorte. Die Laeiszhalle jedenfalls war am Sonnabend äußerst angenehm temperiert und auch sehr gut besucht. Wobei das zweite allerdings eindeutig an Martha Argerich lag, die im Rahmen des nach ihr benannten Festivals mit Familie und Freunden zu Klavierkammermusik von Brahms und Mendelssohn in den Großen Saal bat.

Nur ein Stück aus dem Programm passte nicht zu den anderen, um es mal mit der unsterblichen „Sesamstraße“ zu sagen, aber das Buntgemischte ist ja ein Markenzeichen des Festivals. Karin Lechner und Sergio Tiempo entfalteten in der Sonate für zwei Klaviere von Poulenc von 1918 die geballte orchestrale Wucht zweier Steinway-D-Flügel. Fortissimo-Schläge, nebeneinandergestellt wie Stahlträger im Hochbau, wechselten jäh mit Klanggespinsten in zarten impressionistischen Farben. Mal schichteten die Künstler die Klänge übereinander und ließen das Pedal extra lange liegen, dann wieder jagten sie durch maschinengleiche Stakkati – exzellent synchronisiert über die vielen Meter hinweg, die zwischen den beiden lagen – und ließen im nächsten Moment die Musik in scheinbarer Harmlosigkeit im Dreivierteltakt dahinplätschern. Frech und geistreich wirkten diese Wechsel und so unvermittelt wie beim Zappen auf dem heimischen Sofa.

Kleiner besetzte Werke auf Weltklasseniveau

Als nächstes Programm im musikalischen Fernsehabend folgte Brahms’ Klavierquartett in c-Moll, über das der Komponist gesagt haben soll, er habe an einen Menschen gedacht, der als letzten Ausweg aus seiner Verzweiflung nur die Möglichkeit sieht, sich eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Der Cellist Mischa Maisky hatte dafür seine Tochter Lily (Klavier) und Sascha (Violine) mitgebracht, den Bratschenpart übernahm Argerichs Tochter Lyda Chen. Das Ganze hatte den Charme eines Hausmusikabends, Großer Saal hin oder her. Es war nahezu unvermeidlich, dass der Weltstar Mischa Maisky mit seinem markanten süß schwelgenden Ton die anderen gelegentlich an die Wand spielte – aber wie genau die vier aufeinander hörten, wie sie die Stimmungen abmischten und für den Ausdruck ins Risiko gingen, davon ließ sich das Publikum spürbar ergreifen.

Es war eine kluge Idee, die beiden Konzerthälften des Programms kurzfristig zu vertauschen. So folgten nach der Pause die kleiner besetzten Werke, aber das auf Weltklasseniveau. Renaud Capuçon und Nicolas Angelich begaben sich auf eine Seelenreise durch die Violin­sonate G-Dur von Brahms. Unmöglich, sich dem Sog zu widersetzen, den weitgespannten Bögen, der Ruhe und gedanklichen Tiefe, dem seismografischen Zusammenspiel.

Zum Schluss und Höhepunkt erschien auch Argerich auf der Bühne und gab ihr Debüt mit dem Klaviertrio c-Moll von Mendelssohn. Sie verschmolz geradezu mit Capuçon an der Geige und dem blutjungen Cellisten Edgar Moreau. Was für eine Fallhöhe zwischen lyrischem Überschwang und Ernst, welch exquisite Balance. Im Schlusssatz hoben die drei geradezu ab vor Intensität. Und holten für den nicht enden wollenden Jubel noch einmal alle Beteiligten auf die Bühne. So eine Stimmung gibt es nur bei diesem Festival. Chapeau.