Hamburg. MARKK und MKG würdigen Frauen in kreativen Berufen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Biografien von 21 Frauen.

Frauen erobern die Museen: Tate Britain zeigt das ganze Jahr über ausschließlich Werke von Künstlerinnen, die Sommerausstellung in den Museen Böttcherstraße und dem Gerhard-Marcks-Haus in Bremen dreht sich um die vermeintlich seltene Spezies der „Bildhauerinnen“. Nach „Frau Architekt“ im Architekturmuseum Frankfurt am Main ist an der Schirn gerade die große Schau über „Fantastische Frauen“ und ihre Bedeutung für den Surrealismus in Vorbereitung.

Auch in Hamburg rücken nun zeitgleich zwei große Museen das kreative Schaffen von Frauen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Vordergrund: Das MARKK (Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt) präsentiert „Ausgezeichnet: Künstlerinnen des Inventars“, das Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) zeigt „Gegen die Unsichtbarkeit. Designerinnen der Deutschen Werkstätten Hellerau 1998 bis 1938“.

Die MKG-Direktorin hat mit der aktuellen Ausstellung ein Herzensprojekt aus ihrer früheren Wirkungsstätte in Dresden mitgebracht: Das Erfolgsunternehmen Deutsche Werkstätten in Hellerau, gegründet von Karl Schmidt, um ansprechendes Design zu erschwinglichen Preisen anzubieten, beschäftigte neben 100 Männern auch rund 50 Frauen.

Frauen wurden ausgestellt und gewannen Preise

„Sie entwarfen Textilien, Spielzeug, Mode, Möbel, wurden ausgestellt, gewannen Preise, machten Karriere, was nicht ohne Hindernisse möglich war. Und doch gerieten sie in Vergessenheit, während viele ihrer männlichen Kollegen als Helden der Gestaltung in die Geschichte eingingen“, so Tulga Beyerle.

Ein ähnliches Schicksal teilten auch die jungen Frauen, die ab 1907 im damaligen Museum für Völkerkunde als technische Hilfskräfte beschäftigt waren. Es waren überwiegend Töchter aus bürgerlichem Hause, die an Gewerbeschulen eine kunsthandwerkliche Ausbildung als Vorbereitung auf den Lehrerinnenberuf genossen hatten und für die Direktor Georg Thilenius einen eigenen Berufsstand gründete – als erstes Museum deutschlandweit.

Um die stetig wachsende Sammlung überblicken zu können, fertigten sie detailgenaue und maßstabsgetreue Zeichnungen der Objekte auf Inventarkarten an – „eine bis heute wichtige Grundlage, um die Objekte vergleichen und wissenschaftlich erschließen zu können“, so Direktorin Barbara Plankensteiner.

Kuratorin war fasziniert von den Zeichnungen

Doch nicht nur diese Form der Darstellung wurde von der Fotografie abgelöst und schließlich durch die Digitalisierung ersetzt; auch die Urheberinnen spielten bislang in der Museumsgeschichte keine Rolle. „Ich war fasziniert von den Zeichnungen, die für mich ebenso Werkstatus besitzen wie die dargestellten Objekte. Ich wollte wissen, wer diese Frauen waren“, erzählt Rahel Wille, Kuratorin und bis vor Kurzem Leiterin des Inventurprogramms.

Sie sichtete Hunderte Inventarkarten, las – soweit vorhanden – Personalakten und rekon­struierte auf diese Weise die Biografien von 21 Frauen. Sie bilden das Hauptwerk der Ausstellung, die durch Objekte, Aquarell- und Federzeichnungen sowie historische Fotografien ergänzt wird.

Die Kommode Modell „Nr. 11674“ aus dem Jahr 1913 entwarf Else Wenz-Viëtor für die Deutschen Werkstätten.
Die Kommode Modell „Nr. 11674“ aus dem Jahr 1913 entwarf Else Wenz-Viëtor für die Deutschen Werkstätten. © ROBERT VANIS/© SKD.

Die MKG-Schau zeigt darüber hinaus die große Bandbreite an Produkten, die von den Designerinnen nicht nur für die Werkstätten, sondern auch als selbstständige Künstlerinnen entworfen wurden: mit Intarsien verzierte Holzschränke, Reformkleider im Empire-Stil, Tapeten und Glasdekor bis hin zu riesigen Wandteppichen für Kreuzfahrtschiffe. Eine der bekanntesten Gestalterinnen war Else Wenz-Viëtor, die sich auch als Illustratorin für Kinderbücher etablierte.

Werkstätten waren so modern wie das Bauhaus

Im Gegensatz zu den Zeichnerinnen, die nur einen Bruchteil von dem verdienten, was ein männlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter erhielt, wurden Frauen und Männer in Hellerau gleichermaßen am Erlös beteiligt. „So modern wie das Bauhaus und verkaufsmäßig weitaus erfolgreicher. Doch fehlten den Werkstätten ikonische Stücke, um genauso berühmt zu werden“, urteilt Tulga Beyerle. „Gegen die Unsichtbarkeit“ arbeitet sowohl die Unternehmens- wie auch die Frauengeschichte auf.

Warum die Künstlerinnen vergessen wurden, wird in beiden Ausstellungen nicht beantwortet. Zwei Weltkriege beendeten Karrieren beiderlei Geschlechts. Doch vor allem die nationalsozialistische Ideologie sorgte wohl dafür, dass Frauen aus ihren Berufen zurück in den familiären Bereich gedrängt wurden. Und tatsächlich endeten viele weibliche Laufbahnen mit der Eheschließung, so etwa der Zeichnerin Nora Witt. Sie heiratete den Amerikanisten Franz Termer, der nach Thilenius Direktor am Museum für Völkerkunde wurde – eine Anstellung der Frau war damit ausgeschlossen.

Die Zeiten, in denen ausschließlich Männern ein kreativer Genius zugeschrieben wird, sind längst passé. Es ist also an der Zeit, dass weibliche Akteure wiederentdeckt werden. Und dass gegenwärtige und künftige Künstlerinnen gar nicht erst in Vergessenheit geraten, unsichtbar werden.

„Ausgezeichnet: Künstlerinnen des Inventars“ bis auf Weiteres im MARKK (Rothenbaumchaussee 64)

„Gegen die Unsichtbarkeit. Designerinnen der Werkstätten Hellerau 1898 bis 1938“ 17.5. bis 18.8. im MKG (Steintorplatz)