Hamburg. Die Spielzeit 2019/20 bietet viel Beethoven und Barockklänge. Außerdem kehrt Jonas Kaufmann zurück – aber nicht in die Elbphilharmonie.

Der eine oder andere seiner Intendanten-Kollegen dürfte sich wünschen, jenen Satz sagen zu können, mit dem Christoph Lieben-Seutter seinen Bescherungs-Sprint durch Hunderte von Konzerten begann: „Was uns ein bisschen ausgeht, sind die Debüts.“ Soll meinen: In der Spielzeit 2019/20 hat es langsam ein Ende mit den Premieren; so ziemlich alles und jeder aus der globalen A-Liga war mittlerweile zu Gast in Elbphilharmonie oder Laeiszhalle. Klassisches Luxusjammern also eher, doch mit dem Kern, dass nun das Feilen am Programmatischen weitergehen darf.

In dieser Hinsicht geht die nächste Saison – wenig überraschend und dennoch voller Aha-Momente beim Blättern im Programmbuch-Wälzer – erneut in die Prallvollen: Rund 730 Konzerte im neuen Konzerthaus, insgesamt mit den Veranstaltungen in der Laeiszhalle etwa 1300 Konzerte, das kündigte der Doppelhausherr an. Und da sind viele Nachzügler für das Musikfest und anderes der zweiten Hälfte noch nicht mitgerechnet.

An Beethoven führt 2020 in der Elbphilharmonie kein Weg vorbei

Stars satt sind sicher, darunter Mariss Jansons mit dem BR und Kirill Petrenko, dann als neuer Chef mit den Berliner Philharmonikern sowie Esa-Pekka Salonen mit dem Philharmonia aus London. Andris Nelsons und die Wiener Philharmoniker, Ivan Fischer mit dem Budapest Festival und Philippe Jordan mit dem Bastille-Orchester. Einer von Dutzenden Leckerbissen: Janaceks Oper „Katja Kabanova“, konzertant.

An Beethoven führe im Jubiläumsjahr 2020 kein Weg vorbei, findet Lieben-Seutter nun auch. Also wird es neben allen Klavierkonzerten mit András Schiff und dem Goldkanten-Neuner der Wiener Philharmoniker einen zweiten Sinfonien-Zyklus geben, und der ist eine große Überraschung: Jordi Savall, vor allem als Konzeptkonzert-Tüftler in der Alten Musik bekannt, wird mit Le Concert des Nations seine Perspektive auf diese Klassiker-Standards in der Laeisz­halle vorstellen. Es kommt also Leben in diesen Teil des Spielplans, ein löbliches Gegengewicht zur Wahrnehmungs-Übermacht des Neubaus an der Elbe.

Die Elbphilharmonie würdigt einen weiteren Jubilaren

Ein weiterer Jubilar des nächsten Jahres ist der Schostakowitsch-Zeitgenosse Mieczyslaw Weinberg, dessen 100. Geburtstag mit einer Aufführung seiner Streichquartette durch das Quatuor ­Danel gewürdigt wird. Neben Gidon Kremer engagiert sich auch die litauische Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla für den Unterschätzten. Da fügt es sich, dass sie, die momentan alle buchen wollen, mit ihrem Orchester aus Birmingham gastiert und vier Termine hat.

Wie man an Elbphilharmonie-Karten kommt

  • Für etliche Konzerte startet der Vorverkauf am 20. Juni – um 10 Uhr an den bekannten Vorverkaufsstellen, um  18 Uhr online unter elbphilharmonie.de.
  • Für die meisten Konzerte von HamburgMusik und dem NDR können Karten bis zum 17. Mai bestellt werden. Die Obergrenze liegt bei vier Tickets pro Konzert und insgesamt bei 20 Karten.
  • Das Deadline-Datum 17. Mai gilt ebenso für die hauseigenen Abonnement-Reihen in den beiden Konzerthäusern. Dort liegen die Abo-Obergrenzen bei vier Plätzen und drei Abo-Reihen.
  • Da auch für die nächste Saison die Nachfrage das Angebot übersteigen dürfte, werden Karten und Abos nach dem Zufallsprinzip vergeben.

Überhaupt, diese Briten: Obwohl angeblich das Land ohne Musik, gibt es doch lässig genügend für einen Themenschwerpunkt her. Auch wenn Lieben-Seutter kein gebürtiger Österreicher wäre, käme er nie um Wien als Musikstadt herum. Das „Ganz Wien“-Festival wird sich aber nicht den Klassikern früherer Jahrhunderte widmen, sondern die leicht verschrobene aktuelle Szene an die Elbe importieren.

Die Akustik des Großen Saals kann sich mit dem Barock vertragen

Zumindest Teilzeit-Hamburger war der junge Händel im Barock. Als Bestätigung dafür, dass sich die Akustik des Großen Saals bei pfleglicher Behandlung bestens mit den klanglichen Gegebenheiten dieser Epoche vertragen kann, stellt ein Händel-Paket dessen Genie ins Scheinwerferlicht; glamourösester Termin dürfte eine konzertante Aufführung des „Giulio Cesare“ von der Scala mit einer All-Star-Besetzung (Bartoli, Mehta, Jaroussky) sein. Marc Minkowski kommt mit „Ariodante“ und Marianne Crebassa.

Nischenbeleuchtung und Trüffelsuche sind zentrale dramaturgische Aufgabenbereiche. Mit einem Klein-Festival für den Avantgarde-Klassiker Yannis Xenakis wird diese Sparte tapfer abgedeckt. Aus der Liste der erwartbaren Gast-Stars sticht der Name von Francois-Xavier Roth heraus, ein Dirigent, der insbesondere beim Repertoire des 19. Jahrhunderts penibel an authentischen Aufführungsmethoden feilt. Und nach dem hier nicht immer glücklichen Wahlhamburger Ligeti in diesem Jahr wird im nächsten mit Sofia Gubaidulina, vor den Toren der Stadt lebend und arbeitend, eine weitere Größe gewürdigt, passend zum spirituellen Tonfall vieler ihrer Arbeiten lautet das Leitmotiv „Glaube“. Nächster Carte-blanche-Empfänger beim Reflektor-Festival ist Manfred Eicher, legendärer Gründer von ECM Records, dessen Ästhetik im Jazz wie in der Avantgarde Maßstäbe setzte und Stile formte.

Jonas Kaufmann kommt zurück – aber nicht in die Elbphilharmonie

Für den Weltmusik-Bereich bedient sich das Haus in allen Himmelsrichtungen, insbesondere ein Blick nach Osten verspricht Spannung, wenn das Seidenstraßen-Festival sich auf den Weg durch Kulturen macht. Bislang wurde als großer Name der Komponist Tan Dun preisgegeben, mit etwas Glück dürfte sich Cellist Yo-Yo Ma mit Ausläufern seines Silk Road Project dazugesellen.

Liederabende? Heikles, ganz heikles Thema, der Tenor Jonas Kaufmann kann nach dem Ärger mit und um seinem Auftritt im Großen Saal der Elbphilharmonie ein Lied davon singen. Das wird er zukünftig in der Laeiszhalle, denn dieses Format findet nun entweder dort statt – weil, so Lieben-Seutters rhetorisch interessante Argumentation, der Kleine Saal der Elbphilharmonie dafür zu klein sei.

Die letzte drollige Pointe gönnte er sich zur Elbphilharmonie-Auslastung: 96 Prozent im Kleinen Saal, 99,7 Prozent im Großen Saal. Aber nur, weil sie es bei einigen Terminen „verschusselt“ hätten, die allerletzten Handvoll Karten rechtzeitig an die belagerten Kassen zu geben.