Hamburg . Chanson-Star Tim Fischer gibt den Conférencier im legendären Musical. Das denkmalgeschützte Haus erweitert sein Programm.

Der Hauptdarsteller in spe fühlte sich sichtlich wohl auf dem Podium – nicht nur, weil das drei mal zwei Meter große Plakat mit seinem Konterfei bereits hinter ihm hing. Es sprudelte nur so aus Tim Fischer heraus, dabei wollten Ulrich Waller und Thomas Collien ihn eigentlich bloß erst mal begrüßen, als es um das künftige Programm des Hansa Theaters ging. Eines der ältesten Varietés in Deutschland, seit zehn Jahren betrieben von den beiden Leitern des St. Pauli Theaters, weckt eben auch bei einem jung gebliebenen Mittvierziger und Wahlberliner wie Fischer Begeisterung und Erinnerungen.

Die Hamburgensie Hansa lebt, und sie wird weiterleben. Dafür soll auch Fischer sorgen, der deutsche Chanson-Star schlechthin. In der Spielzeit 2019/20 wird der Sänger und Schauspieler den Conférencier im legendären Musical „Cabaret“ geben. Das auch als Film bekannte Stück läuft vom 13. Februar bis 26. April 2020 als Neuproduktion im Theater in St. Georg. Es soll den ersten Höhepunkt im neuen Hansa-Programm mit dem Schwerpunkt Musiktheater markieren; die Stücke sollen jeweils zum Ambiente des Hauses passen.

Erst Anfang März hatte das Hansa sein 125. Jubiläum als Varieté gefeiert. Dies wird es in den Herbst- und Wintermonaten weiterhin geben. Wenn jedoch am 31. März die elfte Spielzeit seit der Wiedereröffnung 2009 endet, soll das Traditionshaus am Steindamm fit für die Zukunft gemacht werden: Das Mobiliar des seit 1953 unveränderten 491-Plätze-Saals mit integriertem Restaurant bleibt in seiner rotgoldenen Pracht, das Haus bekommt bis zum Sommer jedoch eine neue Licht- und Tontechnik.

Hansa will Theater für St. Georg sein

Denn Collien und Waller, die das Haus am Steindamm auf Initiative von Vivian Hecker, Leiterin Marketing & Events beim Hamburger Abendblatt, seit Januar 2009 mit Varieté bespielen, haben noch mehr vor. Weil sich die Erbengemeinschaft nicht einigen konnte, war das Theater zunächst zwangsversteigert worden. Die Stadt Hamburg stellte das traditionsreiche Haus unter Denkmalschutz, Collien und Waller unterzeichneten dann einen Mietvertrags über zehn Jahre plus fünf Jahre Option mit den neuen Besitzern, den Brüdern Schommartz – die Voraussetzung für eine weitere Bespielung.

„Die Idee des Hansa-Konzepts ist, dass wir ein Theater für den ganzen Stadtteil St. Georg werden wollen“, sagte Uli Waller. „Im Bermuda-Dreieck zwischen Ohnsorg, Schauspielhaus und Polittbüro kommt das Hansa Theater hinzu“, so der künstlerische Leiter. „Aber ohne dass wir untergehen“, fügte sein Kompagnon Collien scherzend hinzu.

Und so beginnt schon Ende August die Reihe „St. George Club“ mit Konzerten von Jazz-Musiker Nils Wülker (28.8.), Neo-Soul-Sängerin Miu (29.8.) und Celine Rudolph (30.8.). Liederabend-Schöpfer Franz Wittenbrink plant für 2021 außer dem Singspiel „Im weißen Rößl“ noch ein neues Stück, das sich St. Georg widmet.

Udo Lindenberg hat eine Stammloge

In dem Viertel wurde schließlich Hans Albers geboren, heute leben hier Stars wie Ina Müller, Udo Lindenberg und Gustav Peter Wöhler. Und die könnten, schwebt Waller vor, mittelfristig auch im Hansa auftreten. Lindenberg mag das Haus und hat – für sich und seine Entourage – schon eine Stammloge.

In den Sommermonaten ab April/Mai 2020 soll unter dem Motto „Hansa Reloaded“ zunächst ein neues Unterhaltungs- und Varieté-Format starten. „Eine Pop-Disco-Varieté-Show für die junge Generation“, wie Thomas Collien sagte. „Eine heiße Geschichte“, nannte es Collien doppeldeutig beim Gedanken an drohende Sauna-Temperaturen im Saal während des Sommers.

Tim Fischer freute sich indes auf seinen Part als Conférencier. „Ich hatte die Rolle von anderen schon fünf- oder sechsmal angeboten bekommen, erst jetzt fühle ich mich reif dafür.“ Das Musical „Cabaret“ spielte vor zwölf Jahren schon mal im St. Pauli Theater, nun aber folgt in Wallers Regie eine Neu-Inszenierung – mit vom Kiez gut bekannten Schauspielern wie Anneke Schwabe, Anne Weber, Angela Winkler oder Peter Franke. Sie und die Zuschauer will Fischer in den Kit-Katt-Club des Berlin der 20er-Jahre holen. „Hier wird richtige Cabaret-Atmosphäre herrschen, hier kann ich das Publikum miteinbeziehen“, sagte Fischer. Dafür werde zwischenzeitlich der Saal umgestaltet, so Waller.

"Willkommen! Bienvenue! Welcome!“

Und dass Fischer, der schon mit 17 Jahren als Jung-Chansonnier im alten Schmidt Theater reüssiert hatte, auch Musical kann, hat er ebenfalls in Hamburg gezeigt – im neuen Schmidt: In der Regie des Wiener Autors Georg Kreisler erspielte er sich in dem Einpersonenstück „Adam Schaf hat Angst“ den Rolf-Mares-Preis 2007. In der Hansestadt bis heute unvergessen.

Ebenso wie weltweit der Film „Cabaret“. „Willkommen! Bienvenue! Welcome!“, wie Joel Grey als Conférencier im Film von 1972, stimmte Fischer im Foyer am Donnerstag für eine NDR-Hörfunk-Kollegin schon mal an. Kurz, aber ausgesprochen gut und markant.