Hamburg. Der Kölner Intendant Stefan Bachmann probt am Thalia Theater „Rom“, einen großen Shakespeare-Abend.

Der Theaterregisseur Stefan Bachmann ist in Hamburg kein Unbekannter, er hat in der Vergangenheit mehrfach an beiden großen Stadttheatern inszeniert. Mittlerweile seit 2013 Intendant am Schauspiel Köln, bereitet der Schweizer nach 11 Jahren Hamburg-Pause jetzt „Rom“ nach William Shakespeare für die Premiere am 23. März im Thalia Theater vor.

Hamburger Abendblatt: Sie haben ja früher am Schauspielhaus gearbeitet und dort vor 20 Jahren „Jeff Koons“ gezeigt, später inszenierten Sie drei Mal am Thalia Theater, darunter „Das Leben ein Traum“ im Zelt. Mögen Sie Hamburg?

Stefan Bachmann: Ich habe jedes Mal gerne hier gearbeitet und fand die Ergebnisse immer recht ordentlich. Ich habe so eine Hamburgverliebtheit. Man spürt so eine wohltuende Weltläufigkeit.

War es Ihre Idee, die drei Shakespeare-Dramen „Coriolanus“, „Julius Cäsar“ und „Antonius und Cleopatra“ zu einem Abend mit dem Titel „Rom“ zusammenzubinden?

Bachmann: Nicht direkt. Das war ein Vorschlag aus dem Thalia Theater. Und dann habe ich leichtsinnigerweise zugesagt.

Das ist ja ein wahnsinnig umfassender Stoff und verspricht auf der Bühne einen ziemlichen Riemen. Sie haben ja schon die „Bibel“ bühnentauglich bekommen. Wie wollen Sie das bei „Rom“ schaffen?

Bachmann: Indem ich den umgekehrten Weg gehe, den der Reduktion. „Julius Cäsar“ ist noch das süffigste der drei Stücke. Eher abwegig ist heute „Coriolanus“. Und eine richtige Herausforderung im Sinne einer Mount-Everest-Besteigung ist im Original „Antonius und Cleopatra“, weil es so delirierend komplex und ausufernd ist. In der Fassung von John von Düffel sind die drei Stücke stark gekürzt. Diese haben wir nochmal bearbeitet und eingekocht. Wir versuchen, jeweils die Essenz aus diesen Stücken herauszuquetschen, damit die miteinander kombiniert ein neues Stück ergeben. Wie drei Akte eines Ganzen.

Wie muss man sich das dann auf der Bühne vorstellen. Sieht jeder Akt unterschiedlich aus?

Bachmann: Es gibt ein Einheitsbühnenbild, aber verschiedene Ästhetiken und Spielweisen. Die Frage der Macht stellt sich drei Mal auf unterschiedliche Weise aus drei verschiedenen Perspektiven. Wie wird sie errungen, verspielt, ausgeübt und wer kontrolliert das eigentlich?

Was interessiert Sie inhaltlich an diesen selten gespielten Shakespeare-Werken?

Bachmann: Die Form der Trilogie bietet die Möglichkeit, ihnen überhaupt einmal zu begegnen. Sie sind es wert, weil sie es in sich haben. „Coriolanus“ ist schon ganz schön sperrig. Da geht es um einen Kriegshelden, der aufgrund seiner militärischen Erfolge einen antidemokratischen Alleinherrschaftsanspruch erhebt, zugleich aber von unverschämter, unerschrockener Ehrlichkeit ist. Eine Kriegsmaschine, die an der eigenen Unfähigkeit, sich verstellen zu können, zugrunde geht. Sehr ambivalent. In „Julius Cäsar“ geht es um das Mord-Komplott, das Attentat an Cäsar und die Folgen. Das letzte Stück handelt von Octavian, der aus dem Triumvirat am Ende als Sieger hervorgeht.

Der Abend dreht sich also eigentlich um die Frage nach der richtigen Staatsform?

Bachmann:Cäsar erhebt einen Anspruch auf Alleinherrschaft, was zur Abschaffung der Republik führen würde. Dann gibt es eine kleine verschworene Gemeinschaft um Brutus herum, die nicht zulassen will, dass die Republik verraten wird. Ein Mord ist dann schnell geplant, aber was passiert nach der Revolte? Da gibt es wieder andere Herrschertypen, die sich vorbeischieben. Letztlich kreist „Rom“ um die Frage des Philosophen Georg Christoph Lichtenberg: ob es besser wird, wenn es anders wird, konnte er nicht sagen, er konnte nur sagen, dass es anders werden muss, damit es besser wird.

Laut Umfragen will ja auch ein Viertel der Deutschen angeblich einen starken Mann an der Spitze. Welche Antwort hätte Shakespeare wohl auf unsere aktuelle politische Lage?

Bachmann: Der Dichter Dante war der Ansicht, dass Cäsar eine neue Weltordnung erschaffen hätte, ein goldenes Zeitalter ähnlich wie Jesus. Das ist die Sichtweise der frühen Renaissance. Bei Shakespeare ist ja alles von unendlicher Menschenkenntnis geprägt, deswegen gibt es keine klare politische Positionierung, Er kennt die Menschen zu gut in ihrer Ambivalenz.

Was ist das Delirierende an „Antonius und Cleopatra“?

Bachmann: Da verlagert sich die ganze Politik ins Private. Das ist alles sehr stark erotisch aufgeladen. Oft wie im Drogenrausch. Die Menschen sind Gefangene ihrer Triebe und ihrer Abgründe. Bei mir erhält Cleopatra, von einem männlichen Schauspieler gespielt, eine schillernde Sexualität. Damit stellt sich das Problem stereotyper Frauenzeichnung nicht.

Am Schauspiel Köln gibt es Turbulenzen, was die Intendanz nach ihrem freiwilligen Weggang 2021 betrifft. Ein Nachfolger warf nur eine Woche nach seiner Ernennung hin. Wie geht es weiter?

Bachmann: Das liegt nicht mehr bei mir. Ich bin bis 2021 da. Dann war ich acht Jahre Intendant. Das ist eine gute und lange Zeit.

Stichwort Macht. An den Theatern werden Machtverhältnisse offener als früher diskutiert. Auch ihr Haus ist da im vergangenen Jahr in den Fokus gerückt. Wie denken Sie heute darüber?

Bachmann: Das hat mich überrascht. Inzwischen hat es sich stark beruhigt. Das Schauspiel Köln ist sehr gut aufgestellt und wir können alle sehr gut miteinander arbeiten.

Wie stark sind die Auswirkungen der „Metoo“-Debatte auf das Theater?

Bachmann: Das feudalistische System, das man dem Theater immer vorwirft, bröckelt längst. Und das Theater tut gut daran, sich in den Arbeitsformen zu modernisieren. Diese Prozesse finden auch an meinem Haus statt. Umgekehrt gibt es aber auch eine Tendenz vorschneller Schuldzuweisung. Da ist schon manchmal stark daneben gegriffen worden.

„Rom“ Premiere Sa 23.3., 19.00, Thalia Theater, Alstertor, Karten unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de