Hamburg. Beim Leseclubfestival treffen sich Menschen, die alle das gleiche Buch gelesen haben. Und es noch einen ganz besonderen Clou.

Es gibt sie schon ewig, die Zusammenkünfte von Literaturenthusiasten, „Lesekreise“ genannt. Man liest allein ein Buch und redet gemeinsam drüber, im Unterschied zur Schule muss man danach aber keinen Aufsatz darüber schreiben. In Hamburg wird aus dem „Lesekreis“ nun ein „Leseclubfestival“. Sechs Veranstaltungen am Abend des 6. April mit sechs Autorinnen und Autoren: Es werden literarisch neue Wege beschritten. Das Abendblatt sprach mit Veranstalter Daniel Beskos.

Hamburger Abendblatt: Überraschung! Im April liest Feridun Zaimoglu in einer Privatwohnung im Grindel-Viertel aus seinem neuen Buch. Und Sie haben damit zu tun, Herr Beskos. Erzählen Sie.

Daniel Beskos: Genau. Das ist eine der Veranstaltungen im Rahmen des Hamburger Leseclubfestivals, das 2019 zum ersten Mal stattfinden wird. Aber genaugenommen wird er nicht aus dem Buch lesen, sondern er wird - und das ist das Besondere an diesem Festival - mit den Gästen, die das Buch bereits alle in den Wochen zuvor gelesen haben, nur über das Buch sprechen. Ein echter Leseclub eben, mit dem schönen Zusatz, dass der Autor auch mit dabei sein wird.

Wie kamen Sie auf die Idee, eine Art Lesekreis inklusive Autor als literarische Veranstaltung in den Mittelpunkt zu rücken? Gab’s das schon einmal und wenn: Wie erfolgreich war das?

Wir haben das Format in den Niederlanden kennengelernt - ein junger, innovativer Verlag namens DAS MAG veranstaltet dort regelmäßig Leseclubs mit Autorinnen und Autoren, und seit einigen Jahren sogar im Festivalformat. Das ist dort überaus erfolgreich, die Veranstaltungen sind immer ruckzuck ausverkauft. Im Sommer vor drei Jahren haben wir dann gemeinsam mit dem Verlag ein solches Festival in Berlin organisiert, mit sechs deutschen und sechs niederländischen Autorinnen und Autoren. Und obwohl es am heißesten Tag des Jahres stattfand, war es ein großer Erfolg. Vor allem war es für die meisten Teilnehmer eine ganz neue Erfahrung.

Es wird sechs Veranstaltungen mit sechs Autoren geben. Jeder Teilnehmer bekommt ein Buch, darf sich an den Snacks laben und zur Abschlussveranstaltung. Wie viele Buchliebhaber können insgesamt mitmachen?

Das Besondere an den Leseclubs ist, dass sie in sehr kleinem Rahmen stattfinden, maximal 20 Tickets werden pro Veranstaltung verkauft, insgesamt also nur 120 Festivalgäste. Von dieser lockeren, persönlichen Atmosphäre erhoffen wir uns Gespräche auf Augenhöhe. Das ist dann, so unsere Hoffnung, ein viel direkterer, intensiverer Austausch, als er bei normalen Lesungen möglich ist, wo ja normalerweise auch noch nicht jeder das Buch gelesen hat, gerade bei Neuerscheinungen. Zur Einleitung ins Gespräch gehört bei uns auch, dass die Moderatoren Quizfragen zum Buch stellen – und wer zuerst die richtige Antwort weiß, bekommt einen Schnaps gereicht. Das lockert die Zungen, glaube ich, und trägt zu einer ebenso lockeren Gesprächsrunde bei. Funktioniert in den Niederlanden prima, wir sind gespannt, wie die deutschen Leserinnen und Leser das finden. Zum Schnapstrinken gezwungen wird hier natürlich niemand.

Die Autoren sind durchaus namhaft. Trotzdem oder gerade deswegen: Können die damit umgehen, dass die Leser, die ja dann das gesamte Buch kennen, Ihnen unter Umständen jenes Buch um die Ohren hauen?

Das stimmt, wir haben einige bekanntere Namen dabei, die vermutlich genauso neugierig auf das neue Format sind wie wir. Und wir hoffen natürlich, dass alle sechs Titel zum Gegenstand spannender Gespräche werden können – wenn Sophie Passmann etwa über „Alte weiße Männer“ schreibt, und Feridun Zaimoglu im Gegenzug dazu über „Die Geschichte der Frau“. Oder Stephan Orths Erlebnisse beim „Couchsurfing in China“ – er hat ja sowieso die Tendenz, in Länder zum Couchsurfing zu reisen, die tendenziell eher ein Imageproblem haben, zuvor war er etwa in Russland und im Iran, diesmal also China, das gibt bestimmt Diskussionen. Aber um die Ohren gehauen kriegen sie ihre Bücher nicht, vermute ich mal. Stichwort hanseatische Höflichkeit.

Viele schauen heute lieber Netflix als zum Buch zu greifen. Wie optimistisch sind Sie, dass Sie mit Veranstaltungen wie dem Leseclubfestival der Literatur eine neue, aufregende Bühne bauen können?

Uns geht es darum, das Buch wieder etwas mehr zum Thema einer Diskussion zu machen. Zum Beispiel ist uns in den letzten Jahren vermehrt aufgefallen, dass man sich auf Partys viel über Serien unterhält, aber kaum noch über Bücher. Vielleicht auch deswegen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Leute gerade das gleiche Buch gelesen haben und sich darüber austauschen können, inzwischen recht klein geworden ist. Genau so eine Situation wollen wir wieder herstellen: Man sitzt in einem Raum mit 20 anderen, und alle haben gerade das gleiche Buch gelesen. Wir würden uns freuen, wenn sich der Leseclub als Format mehr etablieren würde – man kann Leseclubs mit geringem Aufwand ja sogar in Privatwohnungen abhalten. Vielleicht kann dieses Festival da eine Inspiration sein. Und natürlich soll es das öffentliche Gespräch zwischen den Menschen fördern – in einem persönlichen Rahmen in der analogen Welt, von Angesicht zu Angesicht.

Informationen und Anmeldung unter www.leseclubfestival.de