Hamburg. Der Doppelabend “Brahms/Balanchine“ in der Staatsoper begann spannungsarm, steigerte sich aber zu einem prachtvollen Finale.

Die Ballette von Georges Balanchine zählen zur obersten Liga der Tanzpartituren. Der Doppelabend „Brahms/Balanchine“ versprach da ein erbaulicher Jahresausklang von John Neumeiers Hamburg Ballett in der Staatsoper zu werden. Die „Liebeslieder Walzer“ des Hamburger Komponisten Johannes Brahms op. 52 und op 65 nach Gedichten von Georg Friedrich Daumer variieren im Charakter zwischen Kunst- und Volkslied. Mariana Popova und Burkhard Kehring spielen sie am Flügel sitzend mit dem Rücken zu den Zuschauern, vor ihnen aufgereiht das Sängerquartett. Bald zirkelt sich der Dreivierteltakt der Musik in immer neuen Kreisen empor, „O die Frauen, o die Frauen“.

Das klassische Bühnenbild von Heinrich Tröger gibt den Blick auf einen feinen Salon frei. Aristokratisch ist das Interieur. Von klassischer Eleganz sind auch die langen, allerdings sperrigen Roben der vier walzenden Tanzpaare. Unter einem Lüster drehen sie ihre Runden, mal gemeinsam, mal im Duett. Man muss schon genau hinschauen, um in Nuancen die dezenten Verschiebungen innerhalb der Dynamik der Paare wahrzunehmen. Das kann eine Geste des Arms sein oder auch nur eine Kopfdrehung, ein Blick. Die Tänzerinnen geben die ersten 18 Walzer nicht auf Spitze. Anna Laudere und Edvin Revazov zeigen ein subtiles Spiel aus Anziehung, Loslösung und Versöhnung. Sehr harmonisch bewegen sich auch Patricia Friza und Carsten Jung sowie Sara Ezzell und Matias Oberlin. Silvia Azzoni und Alexandre Riabko finden in der Bewegung zum stärksten, intimsten Ausdruck, wenn sie verschiedene Zustände der Liebe zwischen Nähe und Distanz durchspielen.

Die Spannungsarmut wirkt auf manche schlaffördernd

Für einige Besucher wirkt das kaum sich entwickelnde Stück, das keiner Erzählung folgt, sondern der reinen Schönheit und Freude an der Bewegung frönt, tiefenentspannend bis schlaffördernd. Was allerdings auch etwas über die Spannungsarmut des ersten Teils aussagt. In der zweiten Runde mit 14 weiteren Walzern wird der Tanz – diesmal auch auf Spitze - ausladender, seelenvoller. Durch die Fenster scheint eine sternenhelle Nacht herein. „Nein, Geliebter, setze dich/mir so nahe nicht! Starre nicht so brünstiglich/mir ins Angesicht!“, heißt es in einem der „Neuen Liebeslieder“ op 65. Hier treten die Paare häufiger getrennt auf, um über elegante Hebe- und Drehfiguren doch wieder zusammenzufinden.

Unter den Sängerinnen und Sängern überzeugen Sebastian Kohlhepp (Tenor), Benjamin Appl (Bariton) und auch Sophie Harmsen (Alt), Johanna Winkels Sopran gerät an vielen Stellen zu zittrig und schrill.

Ein prachtvolles Finale, ein letzter Bühnen-Triumph

Nach der Pause ist der Salon verschwunden, ein einfacher Vorhang ist am Bühnenhimmel drapiert. Mit dem „Brahms-Schoenberg-Quartet“ schuf Balanchine das erste sinfonische Ballett für das New York State Theater auf Basis des Klavierquartetts Nr. 1 von Johannes Brahms, orchestriert von Arnold Schönberg 1937. Auch seine vier Sätze, hier geboten vom Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter Markus Lehtinen, stehen für sich allein, lösen sich aber aus der Schwere des 19. Jahrhundert-Dekors hin zu Offenheit und befreitem Tanz. Schwungvoll geht es mit dem Paar Laudere/Revazov, flankiert von der fabelhaften Lucia Rios mit dem Allegro los, umgeben vom großen Corps de Ballet. Ein Fest an Ausdruck und Hingabe ist das Andante mit Hélène Bouchet und Alexandr Trusch. Bouchets weiche Drehungen und sanften Sprünge sind von verzaubernder Magie.

Am Schluss dreht die Choreografie zu einem prachtvollen Finale auf. Die unvergleichlich mühelos schwebende Madoka Sugai tanzt sich gemeinsam mit Karen Azatyan zu einem weiteren Bühnen-Triumph. Das „Rondo alla Zingarese“ kommt als schwungvoller, folkloristischer Tanz daher, den das Duo, gesäumt von einem eindrucksvoll ebenfalls in feuriges Rot-Weiß gekleideten Corps de Ballet, grandios darbietet und den Abend zu einem versöhnlichen Schluss führt.

Balanchine gilt als Begründer der Neoklassik

Der Choreograf George Balanchine - 1904 in St. Petersburg geboren, 1983 in New York City gestorben - gilt als Begründer der Neoklassik. Er schrieb etliche Partituren für das New York City Ballett. Ihm ein Denkmal zu setzen, ist überaus ehrenwert. Und für eine Company mit so herausragenden Tanz-Charakteren wie das Hamburg Ballett ist das auch technisch eine willkommene Herausforderung. Nicht jede Company darf Balanchine tanzen. Die Reglementierungen und Vorschriften sind streng. Im ersten Teil hätte man sich dennoch weniger Ausstattungs-Verliebtheit gewünscht – und mehr reines Ballett.

„Brahms/Balanchine“ 10.12., 13.12., 14.12., 16.12., 18.12. 19.30 Uhr, 16.12., 19.00 Uhr, 16.1.2019, 17.1.2019, 19.30 Uhr, Hamburgische Staatsoper, Karten unter T. 35 68 68