Hamburg. Eine unglaublich konzentrierte Inszenierung von Bastian Kraft zum Abschluss. Bilanz der Veranstaltung kann sich sehen lassen.

Als Arthur Miller 1949 seinen „Tod eines Handlungsreisenden“ veröffentlichte und dafür im selben Jahr den Pulitzer-Preis für Theater erhielt, war Donald Trump unschuldige drei Jahre alt und Harry S. Truman US-Präsident. Fast 70 Jahre später kommt Millers Stück über einen abstürzenden Handelsvertreter, dem es nach einem harten Arbeitsleben nicht einmal mehr gelingt, den Kühlschrank abzubezahlen, in erschreckend zeitgemäßer Dringlichkeit daher. So einer wie Willy Loman, betrogen um seinen amerikanischen Traum, demzufolge jeder alles werden kann, wenn er sich nur tüchtig anstrengt, so einer wäre vielleicht heute Trump-Wähler. Ein Abgehängter, der in seiner Einfältigkeit belächelt wird, der wütet, ungerecht ist, aber auch hilflos, und der für sich feststellt: „Die Bevölkerung ist außer Kontrolle geraten.“

Die radikale Glaubhaftigkeit, mit der der fantastische Ulrich Matthes in einer unglaublich konzentrierten Inszenierung von Bastian Kraft diesen hier auch körperlich im Wortsinn erniedrigten Willy Loman spielt, ist beklemmend. Das Finale des Hamburger Theaterfestivals zeigt als Gastspiel des Deutschen Theaters aus Berlin am Thalia Theater einen graugesichtigen Suizidgefährdeten mit Existenzangst und ­Burn-out (eine Diagnose, die bei der Stückentstehung noch niemand hätte benennen können), den kein Kündigungsschutz und kein Mindestlohn vor dem freien Fall bewahren.

Überdurchschnittlicher Jahrgang

Das schwarze Loch, in das er stürzt, nimmt die Bühne (Ben Baur) gleich im ersten Bild vorweg. In der Folge geistern Schatten über die Rückwand, Willys Dämonen. Sein Kampf jedoch ist aussichtslos, nichts als Schattenboxen (Video: Stefan Bischoff, Licht: Cornelia Gloth), die Zukunft kein Versprechen mehr, das Leben ein Scheitern, allerdings in diesem Fall ein hochästhetisches. Inhaltlich also ein deprimierender Abend am Thalia Theater, das übrigens einen eigenen „Handlungs­-reisenden“ im Repertoire hat (in der Regie von Sebastian Nübling), künstlerisch freilich ein absoluter Genuss. Nicht allein wegen Matthes, aber doch vor allem seinetwegen. Die Söhne Biff und Happy (Benjamin Lillie, Camill Jammal), die alles ertragende Ehefrau (Olivia Grigolli) oder Moritz Grove als empathiefreier Chef verstärken das Leid der tragischen Hauptfigur.

Für das diesjährige Hamburger Theaterfestival ist Bastian Krafts „Tod eines Handlungsreisenden“ ein starkes Finale, das den ohnehin überdurchschnittlichen Jahrgang würdig abschließt. Neun Produktionen aus Berlin, München, Düsseldorf, Wien und Zürich, 16 Aufführungen innerhalb von etwas mehr als zwei Monaten, 11.600 Zuschauer – diese Bilanz, eine Auslastung von 99 Prozent, kann sich im Jubiläumsjahr sehen lassen.