Hamburg. Das Maritime Museum zeigt erstmalig den persönlichen Nachlass und damit eine neue Seite des Hamburger Reeders.

Mit welchem Schatz sie Tag für Tag gelebt hatten, wurde Ingrid und Heinz Hueber erst bewusst, als sie Besuch von einem Hamburger Dokumentarfilmer bekamen. „Fast 1000 ­Kilometer von Hamburg entfernt trat ich ein in die private Welt Albert Ballins. Ich aß Tafelspitz mit seinem Silber­besteck, sah die Taufschale seiner Tochter auf dem Schrank stehen, daneben die Büste Kaiser Wilhelm II., und wusste: Danach würde sich jedes Hamburger Museum die Finger lecken.“ So ­beschreibt Klaus Eichler (53) seinen ersten Besuch im österreichischen Gutau nahe Linz.

Ursprünglich hatte er für einen Spielfilm über den berühmten Reeder Kontakt zu Ballins Nachfahren geknüpft und war sofort „mit herzlicher Gastfreundschaft“ empfangen worden. Welch große Bedeutung sein Urgroß­vater haben könnte, war Heinz Hueber (71) lange nicht bewusst. „Wir haben einfach mit Albert Ballin gelebt.“

Nachlass jahrzehntelang in Österreich

Denn was bis dato kaum jemand wusste: Der private Nachlass, bestehend aus Möbeln, Kleidung, Schmuck, etlichen Briefen und Fotos, war jahrzehntelang in Österreich aufbewahrt worden. 1944 zunächst per Güterzug von Hamburg nach Innsbruck gelangt, lagerte er bis 1984 auf dem Dachboden von Ursula Hueber, der Enkelin Albert Ballins. Nach dem Tod beider Eheleute ging das Erbe anteilig an die Söhne Heinz und Harald.

Während eines vierwöchigen Kuraufenthalts habe er Lust verspürt, sich mit dem großen Hamburger näher zu beschäftigen. „Wir sichteten Koffer für Koffer, lasen Biografien und ärgerten uns so manches Mal über die einseitige, manchmal auch falsche oder gar bösartige Darstellung eines Mannes, der nicht nur enge Beziehungen zum Kaiser und zu Max Warburg pflegte, sondern sich auch frühzeitig Gedanken über die Versorgung von Auswanderern und der Bevölkerung im Fall eines Krieges ­gemacht hatte“, so Hueber.

Ballin als privater Mensch

Zusammen mit dem Filmemacher entschloss sich das Ehepaar, einen Teil des Nachlasses an das Internationale Maritime Museum Hamburg (IMMH) zu geben. Anlässlich des 100. Todes­tages des Reeders läuft dort nun die Sonderausstellung „Albert Ballin. Vater, Unternehmer, Visionär“. Und eben dieses Alltägliche ist es, das den berühmten Reeder so anfassbar, nahbar macht. Denn nicht die großen wirtschaftlichen Erfolge als General­direktor der Hapag stehen im Fokus, sondern Albert Ballin als privater Mensch, der sich, zu seiner Zeit nicht selbstverständlich, liebevoll um seine Adoptivtochter Irmgard („Peterchen“) und seine Enkelkinder kümmerte.

Dem zukünftigen Ehemann seiner Tochter, Heinz Bielfeld, schickte Ballin eine genaue Wegbeschreibung zum Anwesen in Hamfelde bei Trittau („Abfahrt ab Hauptbahnhof um 9.08 Uhr“), als dieser um die Hand anhalten will – „Ihr morgiger Besuch wird uns sehr ­angenehm sein ...“ Neben einem Glückwunschtelegramm, das der Kaiser zu Irmgards Hochzeit an die Eheleute ­Albert und Marianne schickte, ist eine humorige „Traueranzeige“ des Vaters zu sehen. Darin fragt er sie, ob ihr Mann noch gut zu ihr sei. Falls nicht, könne Irmgard jederzeit zu ihrem Vater ­zurückkehren.

Er konnte nur auf hoher See ruhig schlafen

Auf einer Litfaßsäule ist die Schlagzeile „Der Kaiser dankt ab!“ zu lesen. Es ist der 9. November 1918. Dies ist auch der Tag, an dem Albert Ballin 61-jährig in Hamburg stirbt. Auf dem Totenschein ist die Ursache – Magenblutung nach ­erhöhter Einnahme eines Schlafmittels – zu lesen. Der durch Unternehmertum Getriebene konnte nur auf hoher See ruhig schlafen. Das Gemälde „Meeresbrandung am Strand von Sylt“ des Zeitgenossen Hans Bohrdt bildet den symbolischen Schlusspunkt der Ausstellung. „Es soll ausdrücken, dass das Erbe Albert Ballins weiterlebt“, so Kurator Gerrit Menzel.

Lange bleiben die Eheleute Hueber, die in ihrer Heimat mehrere Kinos ­betreiben und für die ballinsche Festspielwoche in die Hansestadt gereist sind, noch vor einem massiven Holzschreibtisch, der dem Original Ballins ähnlich sein soll, stehen. Unter Glas: der typische Zwicker sowie ein Porträt von Ballins Frau Marianne. Sie trägt Perlenohrringe; einen davon hat Heinz Hueber seiner Frau zum Kettenanhänger ­umarbeiten lassen. Beim Anblick des großen Reeder-Porträts in Öl, das über dem Tisch angebracht ist, sagt Ingrid Hueber (68): „Er fehlt uns in unserer Wohnung. Immer, wenn wir abends müde von der Arbeit heimkommen, schaut er uns besonders gütig an.“ Und ergänzt auf schönstem Österreichisch, was man nicht übersetzen muss: „Der geht mich an, der Albert.“


„Albert Ballin. Vater, Unternehmer, Visionär“
bis 30. April 2019 im Internationalen Maritimen Museum Hamburg, Deck 1 (U Überseequartier), Koreastr. 1, täglich 10.00–18.00, Eintritt 13,- (erm. 9,50 Euro).

Zur Ausstellung erscheint das gleichnamige Buch von Klaus Eichler im Koehler Verlag.