Hamburg. Die Schau „68. Pop und Protest“ ist eine aufwendig inszenierte Ausstellung über ein spannendes Jahr(zehnt).

Was hat die Menschen 1968 bewegt – in Hamburg, Deutschland und der Welt? Da gab es die Mondlandung des Amerikaners Neil Armstrong, die 500 Millionen Menschen an den Fernsehbildschirmen verfolgten. Anti-Schah-Demonstrationen in West-Berlin. Dürrekatastrophe und Hungersnöte in der Sahelzone. Den Napalmangriff südvietnamesischer Flugzeuge nahe Saigon.

Fotografien, die sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben, rollen als eine Art Druckwelle am Eingang der MKG-Ausstellung auf den Betrachter zu und spülen ihn, einen Raum weiter, in eine knallbunte Welt aus Courrèges-Minikleidern, transportablen Plastik-Schreibmaschinen und lauschigen Lounge-Möbeln.

Und natürlich kommt auch die rein räumlich größte Pop-Ikone Hamburgs noch einmal ordentlich zur Geltung: „Die Spiegel-Kantine von Verner Panton hat uns zur Ausstellung ,68. Pop und Protest‘ inspiriert“, sagt Direktorin Sabine Schulze, dem Thema entsprechend in einen hellblauen Breitcord-Hosenanzug mit ausgestellten Beinen gekleidet.

Ausstellung ist kein sentimentaler Rückblick

In der letzten Ausstellung, die unter ihrer Ägide stattfindet, lässt es die bis Ende des Jahres amtierende Chefin des Museums für Kunst und Gewerbe noch einmal krachen. Für die 68er-Schau sind ganze sechs Kuratoren tätig ge­worden, um dieses politisch, gesellschaftlich, kulturell wie modisch spannende Jahr(zehnt) zu präsentieren. Diese Art von Teamwork charakterisiert Sabine Schulzes Wirken. Insofern ist diese letzte Schau ein passender Schlusspunkt.

Ein „Campaign Dress“
Ein „Campaign Dress“ © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

„Ich bin die Älteste im Team und habe meine Kollegen ganz schön genervt mit meinen Jugenderinnerungen. Damals war ich 14 und habe die 68er-Bewegung natürlich nicht mitgeprägt, aber doch eine ganze Menge an Zeitgeist mitbekommen. Hätte es 1968 nicht in dieser Form gegeben, hätte sich die Welt anders entwickelt, und auch ich hätte mich anders entwickelt“, so die Direktorin, die auch kräftig mitkuratiert hat.

Viele Chancen seien damals erkämpft worden. „Nicht alles ist richtig gemacht worden. Aber die Diskussionsfreudigkeit und die Bereitschaft, die Dinge und sich selber infrage zu stellen, halte ich für sehr wichtig. Insofern versteht sich diese Ausstellung nicht als sentimentaler Rückblick, sondern als eine Ausstellung, die man mit dem Blick von heute betrachten und seine Schlüsse daraus ziehen sollte.“

Medial angelegte Schau

Eine sehr breite, dokumentarisch und medial angelegte Schau wird da in vier Räumen gezeigt. „Die Straße als Massenmedium“ präsentiert auf einer ganzen Wand Plakate der Pariser Arbeiter- und Studentenbewegung, die politische Reformen und internationalen Zusammenhalt propagieren. Natürlich darf auch das legendäre Spruchband „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ nicht fehlen, mit dem Ende 1967 an der Universität Hamburg Reformen des Hochschulsystems gefordert wurden. Einige Exemplare der sogenannten Anti-Schah-Tüten sind zu sehen, mit denen sich Demonstranten im damaligen West-Berlin maskierten.

Der Sessel „Sunball“, entworfen von Günter F. Ris und Herbert Selldorf, um sich von der Welt zurückzuziehen.
Der Sessel „Sunball“, entworfen von Günter F. Ris und Herbert Selldorf, um sich von der Welt zurückzuziehen. © Eigentum der Stiftung Ham

„Mode als Statement“ lautet ein weiteres Segment: 1968 trägt frau nicht einfach ein Kleid, sondern eine politische Botschaft. Und die lautet: Protest. Gegen überholte Geschlechterrollen und sexuelle Ausbeutung. Die berühmten Modedesigner André Courrèges und Pierre Cardin greifen den Zeitgeist in Minikleidern, extravaganten Mänteln und Kostümen auf.

Fortschritts- und Technikglaube

Neben diesen ästhetischen Positionen gebe es auch „viel Sperriges“, zum Beispiel werden Werke der Filmregisseure Fassbinder und Godard gezeigt, die sich mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinandersetzten und die Leinwand – ebenso wie ihre Kollegen vom Theater – als „Bühne der Revolte“ etablierten.

Der unbedingte Fortschritts- und Technikglaube dieser Zeit manifestiert sich schließlich in der Waren- und Werbewelt, die in den 1960er-Jahren ihre Blüte erlebte und uns den heute so ungeliebten Kunststoff bescherte. Aber das kümmerte eine Gesellschaft im Rausch nur wenig.

Eine Anti-Schah-Tüte für den Gebrauch auf Demonstrationen.
Eine Anti-Schah-Tüte für den Gebrauch auf Demonstrationen. © MKG

Je nach Vorliebe können die Besucher zwischen den Bereichen umherstreifen; Chronologie ist nicht angestrebt. Vielmehr ergeben diese vielen unterschiedlichen Facetten das Kaleidoskop einer faszinierenden Epoche.

Bleibt am Ende nur noch, wie einst die Woodstock-Besucher auf einer Liegewiese zu lümmeln, Jimi Hendrix zu lauschen und sich in den vielen psychedelisch gestalteten Plattencovern um einen herum zu verlieren. Alles so schön bunt hier.

„68. Pop und Protest“ 18.10.–17.3.2019 im Museum für Kunst und Gewerbe (U/S Hauptbahnhof), Steintorplatz, Di–So 10.00–18.00, Do 10.00–21.00, Eintritt 12,- (erm. 8,-), www.mkg-hamburg.de