Hamburg. Deutschlands größte Veranstaltungsreihe mit Chinabezug: „Inky Bytes. Tuschespuren im Digitalzeitalter“ startet Sonntag.
„Pulse of the City“, also der Pulsschlag der Stadt, lautet der Titel der China Time, die heute in Hamburg beginnt und an vielen Orten der Stadt zelebriert wird. Auch im Museum für Kunst und Gewerbe. Die für die ostasiatische Sammlung zuständige Kuratorin Wibke Schrape war gerade zwei Wochen im Amt, als die Vorbereitungen für Deutschlands größte Veranstaltungsreihe mit Chinabezug starteten. „Für mich war klar, dass ich etwas mit Tusche machen möchte, denn für die chinesische Malerei und Kalligrafie, für Steinabreibungen und Holzdruck ist sie unentbehrlich“, so Schrape.
Wie aber diese Technik mit den diesjährigen Themen Urbanisierung und Digitalisierung in Verbindung bringen? „Ich stieß bei meinen Recherchen auf das ,Print the Landscape Art Project‘ des Zhejiang Art Museum in Hangzhou“, berichtet die Kuratorin. Das rund 1500 Jahre alte Reproduktionsverfahren der Steinabreibung wird dort genutzt, um Oberflächen von berühmten Felsen, Stelen und der Vegetation am Westsee abzudrucken.
Düstere Bilder
Auf Einladung des Museums für Kunst und Gewerbe setzten chinesische und lokale Künstler dieses Projekt in Hamburg fort: Sie machten Abreibungen von den Wandfliesen im St.-Pauli-Elbtunnel, von Flutmarkierungen in Övelgönne und von Bäumen an der Großen Moorweide. Dazu wird gut angefeuchtetes Reispapier auf die Fläche gelegt und die Tusche mit breiten Pinseln aufgetragen. Nach dem Trocknen wird sie mit Handreiben abgeklopft. Auf diese Weise entstehen die signifikanten, in ihrer Einfarbigkeit düsteren Bilder.
Der Titel der daraus entwickelten Ausstellung „Inky Bytes. Tuschespuren im Digitalzeitalter“ bezieht sich also nicht nur auf Tusche, sondern meint auch das Düstere (Inky) daran. Und auch Bytes hat eine doppelte Bedeutung: zum einen Computerbytes und zum anderen Bisse, nämlich in die bestehende Sammlung. Die neu geschaffenen Kunstwerke werden als Dialogpartner zu den Beständen arrangiert.
Erinnerungskultur ein zentrales Anliegen
Die Abreibungen wurden mit einer 360-Grad-Kamera gefilmt; dieses Video ist neben anderen digitalen Arbeiten in der Ausstellung zu sehen. Der chinesischen Porzellankunst widmet sich die Hamburgerin Dagmar Rauwald: Ihre gelb-rosa-grünen Tuschespuren in und auf den Glasvitrinen machen deutlich, wie die Farbe überhaupt so kunstvoll auf Schalen, Vasen und Tassen gelangt.
Besonders beeindruckt waren Shan Fan, Liu Ding, Yang Yongliang und Zhou Fei von Stolpersteinen und den durch Bomben beschädigten Mauern des Mahnmals St. Nikolai. Erinnerungskultur ist auch im heutigen China ein zentrales Anliegen. Tusche- und Schriftkultur drohen durch den digitalen Wandel zu verschwinden. Deshalb setzen viele Künstler gerade jetzt wieder auf traditionelle Arbeitsweisen und Motive wie Bambuszweige, Orchideen und den berühmten Senfkorngarten.
„Inky Bytes.Tuschespuren im Digitalzeitalter“ 2.9.–13.1.2019 Museum für Kunst und Gewerbe (U Hauptbahnhof), Steintorplatz, Di–So 10.00–18.00, Do 10.00–21.00, Eintritt 12,- (erm. 8,-), www.mkg-hamburg.de