Hamburg. Mit der gebürtigen Wienerin Tulga Beyerle kommt eine erfahrene Design-Spezialistin an die Hamburger Einrichtung.
Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) hat eine neue Direktorin: Die gebürtige Wienerin Tulga Beyerle tritt am 1. Dezember die Nachfolge von Sabine Schulze an, die das Haus zehn Jahre lang sehr erfolgreich geleitet hat und auf eigenen Wunsch ausscheidet. Sabine Schulze ist mit der Lösung glücklich: „Ich freue mich über diese Wahl. Tulga Beyerle war immer meine Wunschkandidatin! Ihr Engagement für zeitgenössische Gestaltung bewundere ich, ihre Begeisterung ist ansteckend.“
Schulze hat in ihrer Amtszeit die ständige Sammlung abwechslungsreich und zeitgemäß neu präsentiert und dafür viel privates Geld eingeworben, und sie verantwortet zahlreiche kreative, engagierte Ausstellungen, einige von großer gesamtgesellschaftlicher Tragweite. „Mit Tulga Beyerle übernimmt eine erfahrene und zugleich innovative Museumsdirektorin die Leitung des Museums für Kunst und Gewerbe“, sagt Kultursenator Carsten Brosda. Sie sei international anerkannt und stehe für eine moderne und attraktive Museumsentwicklung.
Die Wienerin, Jahrgang 1964, ist beinahe ehrfurchtsvoll: Das MKG mit seinem herausragenden Gründungsdirektor Justus Brinckmann besetze einen der Spitzenplätze. „Eine solche Sammlung ist wahnsinnig aufregend, denn es gibt nur wenig Vergleichbares. Außerdem wurde dort hervorragend weitergesammelt“.
Haus noch stärker vernetzen
Bevor sie ans Museum ging, absolvierte Tulga Beyerle eine Tischlerlehre und studierte Industrie-Design. Sieben Jahre lehrte sie an der Wiener Universität für Angewandte Kunst Designgeschichte und Theorie, sie arbeitete außerdem als freie Kuratorin in Wien (am Museum für Angewandte Kunst) und in Glasgow. 2006 gründete sie die Vienna Design Week, und 2014 ging sie als Direktorin des Kunstgewerbemuseums nach Dresden.
Das Museum im Schloss Pillnitz, das sie derzeit leitet, steht komplett unter Denkmalschutz und ist im Winter geschlossen, weil es nicht beheizbar ist. Die Räume sind stark durch ihre Entstehungszeit geprägt. In diesem historischen Kontext hat Tulga Beyerle mutigerweise viel zeitgenössisches Design ausgestellt und die Besucherzahlen von rund 30.000 auf knapp 45.500 gesteigert. Das recht kleine Haus beherbergt rund 60.000 Objekte, das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe rund eine halbe Million.
Vel Neues eingeführt
Die Wienerin hat viel Neues eingeführt. Von Anfang an bezog sie interessante Designer aus den Nachbarländern Polen und Tschechien in ihr Programm ein, brach die chronologische Präsentation der Sammlung auf und legt Wert auf attraktive Sonderausstellungen. In der Elbmetropole ist man voll des Lobes für die Museumsfrau: „Der Weggang aus Dresden ist für uns schmerzlich, weil wir eine äußerst befähigte Kollegin verlieren, die dem Dresdner Kunstgewerbemuseum starke Impulse für eine international beachtete Neuausrichtung gegeben hat“, sagt Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen. Tulga Beyerle selbst freut sich nun auf „ein großartig aufgestelltes Haus, das sich in den Jahren der Leitung von Sabine Schulze einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat“. In ihre Fußstapfen zu treten sei eine Herausforderung, aber auch eine große Freude und Ehre.
In der Ära von Sabine Schulze wurden eine Reihe von Ausstellungen realisiert, die dezidiert gesellschaftskritisch waren und in der Stadt und weit darüber hinaus intensive Diskussionen in Gang gesetzt haben, etwa die über Plastikmüll, über „Fast Fashion“ und die „Food Revolution“. „Diesen Weg werde ich sicher fortsetzen, es wird aber auch Ausstellungen geben, die einen glücklich machen“, sagt Beyerle lachend. Kunstgewerbemuseen zählen für sie „zu den wichtigsten. Weil wir in einer Zeit, wo die Gestaltung der Welt ein entscheidender Faktor ist, der Ort sind, an dem damit zusammenhängende Themen diskutiert werden.“
„Das Haus durchlässiger machen"
In Hamburg sieht sie neue Aufgaben darin, „das Haus durchlässiger zu machen, sich lokal bis international zu vernetzen und die Forschung zu stärken“. In Dresden interessierte sie sich sehr für Innovationen in der Materialforschung, die sich ja auch auf Gestaltung auswirken. Dass das MKG finanziell am unteren Rand operiert, ist ihr bewusst: „Ich glaube, dass ich für meine Ideen und meine Energie geholt wurde. Ich bin in der Lage, auf städtischer und auf anderen Ebenen wirksam zu sein und Relevanz spürbar zu machen, die dann auch die nötigen Mittel braucht.“
Sie glaube allein schon deshalb an einen Neubeginn, weil in Hamburg gleich drei neue Direktoren angefangen haben – auch in der Kunsthalle und im Völkerkundemuseum. „Da gibt es eine Chance, in der Zusammenarbeit etwas zu bewirken.“ Das MKG sei wahrscheinlich das spannendste Haus für angewandte Kunst in Deutschland und weit darüber hinaus. „Dazu beizutragen, dass zentrale Themen unserer Gegenwart und Zukunft in Hamburg diskutiert werden und das Museum in dieser Diskussion führend ist, ist mein langfristiges Ziel.“