Hamburg . Der amerikanische Romancier ist der diesjährige Träger des Siegfried Lenz Preises. Jury: „Ein Menschenforscher“.

Preisverleihungen an Schriftsteller tragen einerseits, dies ist nicht ihre unwichtigste Funktion, zur Wirtschaftlichkeit einer Autorenexistenz bei. Andererseits, und das hängt mit Letzterem durchaus zusammen, sorgen sie in der Gemeinde der Literatur-Interessierten für Das-muss-ich-auch-endlich-mal-(wieder)-Lesen-Momente Um auf den Punkt zu kommen: Wer in Hamburg in diesem Herbst keine Lust hat, Richard Fordzu lesen, dem ist zumindest in literarischer Hinsicht sowieso nicht zu helfen.

Der amerikanische Romancier ist der diesjährige Träger des Siegfried Lenz Preises. Einer Auszeichnung, die, wie Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Freitag im Rathaus zu Recht anmerkte, mit erst drei Preisträgern bereits zu den bedeutendsten Literaturpreisen im deutschsprachigen Raum gehört. Man kann das übrigens leicht an der Dotierung ablesen: 50.000 Euro ist mit die höchste Summe, die landauf, landab einem Gewinner spendiert wird.

Preis wird alle zwei Jahre vergeben

Der Siegfried Lenz Preis wird alle zwei Jahre vergeben, die ersten beiden Gewinner waren Amos Oz und Julian Barnes. Und dass jenen Preis in diesem Jahr der große Richard Ford bekommt, der Romane wie „Unabhängigkeitstag“ und „Kanada“ geschrieben hat, ist seit März bekannt. Jetzt reiste der 74-Jährige mit seiner Frau Christina an, um ihn und die bei so einer Angelegenheit reichlich verteilten, aber auch verdienten Elogen entgegenzunehmen.

Sollte sich Ford nach der Verleihung im Rathaus mit seiner Frau über alle Einzelheiten derselben unterhalten haben, könnten die nordamerikanischen Gäste vielleicht den ein oder anderen Satz („Sie gelten doch als so perfekt und effizient ...“) über die Deutschen im Besonderen und Klischees im Allgemeinen verloren haben. Bei des Bürgermeisters Rede verstand man auch in Reihe eins nämlich nur die Hälfte, wobei Herr und Frau Ford zwar ohnehin kein Deutsch sprechen, aber: Kriegt ja wirklich jeder mit, wenn der Sound miserabel ist und Unruhe aufkommt.

„Sorgfältiger soziologischer Blick“

Dass es der Kultursenator höchstpersönlich war, der sich beim ersten Mal noch konziliant, beim zweiten Mal schon etwas ungeduldiger zur Haustechnik begab und schließlich ein neues Mikrofon organisierte, könnte der Aufmerksamkeit Richard Fords entgangen sein. Senator Carsten Brosda dagegen verdeutlichte einmal mehr, dass er der richtige Mann am richtigen Platz ist.

Zur Person: Richard Ford

So wie Ford genau der richtige Autor ist, der den Lenz Preis erhielt – die Jury, bestehend aus Günter Berg (Siegfried Lenz Stiftung), Ulrich Greiner (Freie Akademie der Künste), Rainer Moritz (Literaturhaus), Annegret Schult (Buchhandlung Felix Jud) und der Schriftstellerin Monique Schwitter, spricht in ihrer Begründung vom „Menschenforscher Ford“, der einen „sorgfältigen soziologischen Blick“ habe, aber auch „Empathie für seine Figuren“.

Am Vorabend las Ford im Thalia Theater

Und Verena Lueken, die „FAZ“-Journalistin, hob in ihrer Laudatio hervor, dass Ford in seinen Büchern den Blick schärfe „für das Leben selbst“. „Richard Ford schreibt über einfache Menschen mit komplizierten Gefühlen, und manchmal hat man beim Lesen viel zu lachen“, sagte Lueken, und dem ist unbedingt zuzustimmen.

Ein paar dieser einfachen Menschen unserer Gegenwart, denen sich Ford nicht als Einziger, aber besonders schlüssig mit den Mitteln der Literatur genähert hat, begegneten am Vorabend der Verleihung den Besuchern des Thalia Theaters. Dort trat Ford in etwas intimerem Rahmen vor sein Publikum, wobei das mit der Intimität so eine Sache ist. Das Theater war gut gefüllt, aber eben nicht ausverkauft, und das hätte man der Veranstaltung gewünscht. Dank des Harbour Front Literaturfestivals gibt es derzeit beinah jeden Abend Lesungen, dazu kam am gleichen Abend noch die Eröffnung des Filmfestes, es ballte sich also.

Ausbund an Bescheidenheit

Was nichts an der Qualität des Ford-Auftritts änderte. Mit Moderator Denis Scheck ist Ford seit Langem bekannt, wahrscheinlich nimmt den Amerikaner allein der Name des Fernsehkritikers („Druckfrisch“) besonders für diesen ein. Unter all den teutonischen Ungetümen ist er am leichtesten für Ford auszusprechen. Auf der Theaterbühne las Ford im Stehen („Alles andere käme mir respektlos vor“) den Anfang einer neuen Story, und es war ausgerechnet jene Bühne, der Ort des Exponierens und des Egos, auf der der eher scheue Autor seine persönliche Visitenkarte abgab.

Literatur, sagte Ford, „erneuert uns“. Danach zitierte er Walter Benjamin („Der Erzähler bringt uns Rat und Trost“), um sodann davon zu sprechen, dass kein Schriftsteller einen Preis für sich allein, sondern gleichzeitig für alle Kollegen gewinne. Ein Ausbund an Bescheidenheit, dieser Richard Ford. Erinnert damit stark an Siegfried Lenz. Über den sagte Ford einen Tag später im Rathaus: „Siegfried Lenz wird für mich bis ans Ende meiner Tage mit dem Gedanken verknüpft sein, dass er ein Schriftsteller nach meinem Herzen ist.“