Hamburg. Das Ensemble Resonanz eröffnete seine Saison ausgesprochen eindrucksvoll im Großen Saal der Elbphilharmonie.

    Das Ensemble Resonanz stellt seinen programmatischen Mut immer wieder unter Beweis, und sei es in Details. Zur Eröffnung der neuen Saison trat das ganze Orchester auf die Bühne im Großen Saal der Elbphilharmonie und wieder ab, ohne einen Ton gespielt zu haben. Es war nur die Begrüßung. Die Spielzeit steht im Zeichen der Stimme. Es sei aber, so Rempe, „unmöglich geworden, so eine Saison zu beginnen, ohne selbst auch die Stimme zu erheben und zu sagen, was wir sehen und wo wir stehen“. Und zitierte Kultursenator Brosda, „dass wir alle ohne Angst verschieden sein wollen“. Mit Musik hat diese Standortbestimmung zunächst mal nichts zu tun, sie sagt aber viel über das Selbstverständnis des Kollektivs aus. Und dass für das erste Werk der Saison die Bühne leer blieb, ebenso.

    Lang und gleichförmig

    Statt eines konventionellen Beginns mischte sich ins Publikumsgemurmel eine Frauenstimme, kaum lauter als der allgemeine Geräuschteppich – und doch wussten alle sofort, jetzt gehen sie los, die „Récitations“ von Georges Aperghis aus dem Jahr 1978. Die französische Sopranistin Donatienne Michel-Dansac zündete vom Rang aus ein Feuerwerk der Stimmkunst. Krähte, quietschte, verzerrte die Stimme oder feuerte Silbensalven ab, die nach Französisch klangen, aber wer weiß? Jedenfalls saßen die Intervalle perfekt, jede Stimmung übertrug sich augenblicklich aufs Auditorium. Stimme vermittelt Gefühle eben so direkt wie nichts anderes.

    Jedenfalls solange man als Zuhörer innerlich dabei ist. Und das ließ nach einer Weile hörbar nach. Es war einfach zu lang und zu gleichförmig. Eine Steilvorlage für den Profilneurotiker, der in die vorletzte „Récitation“ einfach hineinklatschte. Jedem sein Elbphilharmonie-Auftritt. Und dann trat das Ensemble doch noch auf und spielte die Ballettmusik „Apollon musagète“ von Strawinsky. Beschwingte Musik, die ihre Entstehungszeit – späte 20er-Jahre, lange nach dem Anbruch der musikalischen Moderne – so charmant verleugnete, wie es typisch ist für die Epoche des Neoklassizismus. Riccardo Minasi entlockte den Streichern einen warmen, kohärenten Klang, nur manche hochalpinen Ausflüge der ersten Geigen fransten etwas aus.

    Subtil ausgedünnte Phrasenenden

    Hatte der erste Teil seine Schwarzbrot-Momente, so wurde der zweite ein einziges Fest. Mit Minasi im Cockpit jagten die Musiker durch Mozarts „Jupiter“-Sinfonie: in halsbrecherischem Tempo, aber immer wieder mit Momenten des Innehaltens, die zu Herzen gingen. Die Holzbläser tanzten, die Streicher klangen so seidig-farbig, als hätten sie Darmsaiten aufgespannt.

    Keinerlei falsche Sentimentalitäten gestattete Minasi den Musikern – aber auch keine richtigen. Ein bisschen mehr Substanz hätten die subtil ausgedünnten Phrasenenden schon verdient. Aber den Schwung und das bestürzend Persönliche dieser Lesart, das alles trug mal wieder die Handschrift des Ensembles. Und die ist, was für ein Hörerglück, unverwechselbar.