Hamburg. 33.000 Gäste kamen zum Festival auf Kampnagel. Das war bei dem Programm in diesem Jahr eine besondere Überraschung.

Das Internationale Sommerfestival 2018 auf Kampnagel verzeichnet einen Rekord. 33.000 ­Besucherinnen und Besucher folgten ihrer Neugier auf Kunst, Performance, Tanz und Musik aus aller Welt und sorgten für eine Auslastung von 95 Prozent. Das ist wirklich eine kleine Sensation, ließen sie sich doch auf Unbekanntes und Ausdrucksformen abseits des Erwartbaren ein.

Eine gelungene Vielfalt

Ein verdienter Erfolg für den künstlerischen Leiter András Siebold und sein Team. Das Programm bot in diesem Jahr eine gelungene Vielfalt für jeden Geschmack mit zahlreichen Hochkarätern. Ho Tzu Nyen arbeitete eindringlich die Geschichte Südostasiens auf, Gisèle Vienne erforschte die wechselvollen Emotionen langer Partynächte, Florentina Holzinger zerlegte einen Ballett-Klassiker, Thom Luz baute die schönsten Nebel- und Klangskulpturen im musikalischsten Theater seit Christoph Marthaler, und Jaha Koo brachte Reiskocher zum Singen und sein Publikum zum Lachen und Weinen.

Viel diskutierte Produktionen wie Wayne McGregors „Autobiography“ begeisterten mit technisch brillantem Tanz auf höchstem Niveau. Und, ja, auch die unterhaltsame Stunt-Zirkusshow „Streb Extreme Action“ hatte da ihre Berechtigung, schließlich gilt ihre Erfinderin, die heute 68-jährige Elizabeth Streb doch als einflussreiche Pionierin auf dem Gebiet des Hochrisiko-Tanzes.

Eigenproduktionen stellen von jeher das größte Wagnis für Festivalmacher András Siebold dar. Nach dem zerfasterten überlangen „König der Möwen“ glückte auf den letzten Festival-Metern das deutsch-afrikanische Musiktheater von Kante & Khoi Khonnexion dank einfühlsamer Texte und grandioser, kluger Songs der Hamburger Band um Sänger Peter Thiessen. Wie überhaupt das Musikprogramm erneut glänzte, etwa mit dem Sun Ra Arkestra und The Last Poets.

Hochenergie-Tanzstück „To Da Bone“

Den Zauber der hier gezeigten Kunstformen, bei denen es eben nicht um eine Neuauslegung von Klassikern geht, bewies noch einmal eindringlich die Pariser Formation (La)Horde mit ihrem Hochenergie-Tanzstück „To Da Bone“. Die zwei Tänzerinnern und neun Tänzer aus sechs Ländern demonstrierten aufs Schönste, wie das Leben ganz direkt in die Kunst eingeht – und die Kunst in das Leben. Sie boten eine äußerst athletische Form des über das Internet verbreiteten Jump-Styles, den sie teils als Jugendliche bereits in ihren Kinderzimmern trainierten. Die Performer, im wahren Leben Lehrer oder Schweißer, bildeten mitreißende Gruppentableaus und lieferten akkurate Freestyle-Duette und -Soli ab. Mehr biografisch beglaubigte Authentizität in der Kunst geht nicht. Dieses Wunder ist in diesem Festivaljahrgang an vielen Abenden aufs Schönste aufgegangen.

Der nächste Sommer – er kann ­kommen.