Hamburg. Ein Gespräch mit den Wendland-Rockern Madsen über das neue Album „Lichtjahre“, Lampenfieber und Food Porn auf Instagram.

„Du schreibst Geschichte“, sangen gestern Hunderte Eingeweihte, die wenige Stunden zuvor in den Sozialen Netzwerken vom kostenlosen Spontanauftritt der Rockband Madsen im Knust gehört hatten. Die aus dem Wendland stammenden Musiker spielten sich für das „Hurricane“-Festival am Wochenende warm und die Hamburger Fans liefen heiß. Das Abendblatt traf sich im Vorfeld mit Sänger Sebastian Madsen und seinem trommelndem Bruder Sascha im Hostel Superbude auf St. Pauli – bei einem Heißgetränk, klar.

Ihr seid jetzt 14 Jahre auf der Bühne, trotzdem singt Sebastian im Alter von 36 Jahren über Sommerferien und Küsse in der Toreinfahrt. Wollt Ihr nicht erwachsen werden?

Sebastian Madsen: Ich weiß, dass es als Musiker Mitte 30 problematisch ist, den Berufsjugendlichen zu spielen. Aber die Texte drehen sich auch um Angstbewältigung, um das Springen über den Schatten, dazu gehört auch die Erinnerung an schöne Tage.

„Keiner“ folgt dem Trend vieler Liedtexter, sich kritisch mit Instagram und Co. auseinanderzusetzen. Braucht Ihr keine Aufmerksamkeit im Netz? Mögt Ihr kein Food Porn, also: Fotos von Mahlzeiten?

Sascha Madsen: Ich liebe Food Porn! Aber nur, wenn es gut gemacht ist und keine zermatschte Lasagne. Und Füße, die auf Strände starren mag ich: Ist das jetzt Wurst oder sind das Beine? Das finde ich lustig. Aber man muss Soziale Netzwerke richtig nutzen und einzuschätzen wissen.

Sebastian: Gerade junge Leute wachsen da geradezu rein, aber finden auch schwierig wieder hinaus und sind überfordert mit der Welt außerhalb der Netzwerke. Das Lied „Keiner“ schlägt daher Alternativen vor. Es ist schön, mal sein Telefon zu vergessen.

Aus dem Album strahlt auffällige Melancholie heraus. „Ich tanz mit mir allein“ ist der totale Kontrast zu Eurem Disco-Rock-Hit „Lass die Musik an“.

Sebastian: Ich begreife oft erst Jahre später, was beim Schreiben passiert ist und das es eigentlich Tagebucheinträge sind. Ich bin kein einsamer Mensch, aber ich hatte zu kämpfen. Beim Vorgängeralbum „Kompass“ hatte ich das erstmals das Gefühl, das ich das, was wir tun, nicht gerne mache. Die Musik, die Öffentlichkeit. Ich hatte Panikattacken und – anders als früher – wahnsinniges Lampenfieber. Ich habe mit vielen Musikern darüber gesprochen und bei jedem zweiten offene Türen eingerannt. Das hat mir sehr geholfen, „Lichtjahre“ positiv gestimmt anzugehen.

Mussten Deine beiden Brüder und Niko hart mitkämpfen?

Sascha: Das war eine schwierige Situation. Als es wirklich akut war, haben wir alles abgesagt und viel dafür getan, um es Sebastian so angenehm wie möglich zu machen. Gesundheit geht vor.

Der „Baut wieder auf, was euch aufbaut“-Optimismus früherer Tage scheint also Vergangenheit zu sein?

Sebastian: Der Optimismus ist fest verankert in der Band, auch wenn es unsere Zeit und die Gesellschaft nicht einfacher machen. Er schwingt mit, so wie in „Rückenwind“, zusammen mit den finsteren Gefühlen.

Man stellt bei vielen Sängern, die einst fröhlich über Sommer, Sonne, Kaktus sangen, in den 30ern vermehrte Nachdenklichkeit fest. Das ist nicht nur eine Frage des Alters und der Reife?

Sebastian: Nein, wenn du auf deine Umgebung und auf die Welt schaust, wird es einfach nicht lustiger.

Diesen Sommer spielt ihr neben den „Hurricane“- und „Southside“-Festivals auch auf dem „Eier mit Speck Festival“ und bei „Rock am Beckenrand“. Das sind ja mal interessante Festival-Titel.

Sascha: Bei „Eier mit Speck“ haben wir schon mal gespielt, da gibt es fantastisches Frühstück!

Sebastian: Das sind noch schöne kleine Festivals, wo noch die Leute aus dem Ort ehrenamtlich mithelfen, das ist wirklich toll, mit Liebe gemacht. Und: Wir stehen ganz oben auf den Plakaten.

Madsen: „Lichtjahre“ Album (Warner) im Handel; Konzerte: Sa 23.6., 18.00, Hurricane Festival, Eichenring Scheeßel, Tagestickets 79,-; Sa 15.12., 20.0, Mehr! Theater (Bus 3), Banksstraße 28, Karten zu 37,- im Vorverkauf; www.hurricane.de; www.madsenmusik.de