Hamburg. In der Elbphilharmonie spielte ein halbes Dutzend Pianisten auch den Minimal-Klassiker „Six Pianos“ von Steve Reich.
Einen Drall ins Circensische hatte es schon. Sechs Flügel, wie als Schutzwall gegen die vielen verwirrend bösen Themen unserer Gegenwart aneinandergekuschelt, auf einer Bühne, das ergibt theoretisch weit mehr als 500 Tasten, die sechs Pianisten bei ihrem „Six Pianos“-Abend hätten bedienen können, und unendlich mögliche Harmoniefolgen oder Melodieverläufe. Aber: hätte, hätte, Tönchenkette. Denn rund zwei Drittel ihrer etwa 90 Konzertminuten im Großen Saal der Elbphilharmonie verbrachten Gregor Schwellenbach, John Kameel Farah, Kai Schumacher, Carlos Cipa, Daniel Brandt und Paul Frick (zwei Drittel der Analog-Techno-Band Brandt Brauer Frick) damit, kleine Befindlichkeiten ebenso großflächig wie andächtig vor einem sehr gemischten Publikum auszubreiten.
Mal einer, mal zwei oder drei der Pianisten spielten ihre Impromptus für die Generation Instagram: „Neoklassik“ ist das dafür gern aus Verlegenheit genommene, nette Etikett, weil so vieles fast so klingt wie das, was die Oma früher in der Klavierstunde zu üben hatte. Aber eben nur fast und harmloser, und fast alles drehte sich um das Drehen und Wenden überschaubarer Einfälle. John Kameel Farahs Soli etwa zitierten clever barocke und orientalische Formatvorlagen.
Rauschender Fluss
Schön gefiltert, das alles, echt voll schön, ganz analog, mit Gefühl to go. Hat seine Berechtigung und gibt immer wieder Pianisten Arbeit, die einen Bogen um klassische, leider strenge Virtuosität machen; es ist weder neu noch allzu aufregend und soll es ja auch gar nicht sein. Doch in größeren Mengen mitangehört, formt sich im Hinterkopf mehr und mehr die eine Frage: War’s das jetzt, oder kommt da noch was, das Reibung bietet; bleibt das jetzt so brav laktosebefreit in seinem Zeitlupen-Arpeggien-Nirwana?
Erlösung nahte erst mit Steve Reich: In dessen Minimal-Klassiker „Six Pianos“ reiben sich kleine Phrasen an rhythmischen Phasen; alles ist mehr oder weniger D-Dur; alles ist ständig, buchstäblich unfassbar, im rauschenden Fluss und muss mit der Präzision eines groovy Uhrwerks ablaufen. Kunst eben, anstrengender und lohnend.